Natürlich war das Spruchband beleidigend und deswegen eine absolut unnötige Aktion. Macht irgendeinen anderen "amüsanten Spruch", aber doch keinen der gegen eine Minderheit schießt
Ich hätte das Spruchband so auch nicht gemacht, sondern hätte mir was anderes ausgedacht. Aber es geht doch nicht gegen eine Minderheit, sondern allenfalls gegen den moralischen Zeigefinger, den hier auch manche so sehr schwingen, dass ich fast Sympathien mit den Provokateuren der UL entwickle.
Also, mal real talk: man könnte sagen, dass die Aussage, es gäbe nur zwei Geschlechter, queere und inter-Menschen beleidigt. Von mir aus. Andererseits ist eine zentrale Erkenntnis der Gender Studies, dass Geschlecht, sofern es mehr bedeutet als die Arbeitsteilung beim Zeugen von Nachkommen, eine soziale Konstruktion ist. Und die soziale Konstruktion unserer Gegenwart ist - leider - ziemlich binär. Insofern "gibt" es nur zwei Geschlechter. Der queere Einsatz war hier immer, die Konstruiertheit sozialer Geschlechterrollen aufzuzeigen und - wo das möglich ist - aufzubrechen. Indem z.b. Geschlechterrollen gewechselt, unerwartetes Verhalten an den Tag gelegt wird etc. Queerness in diesem Sinne lässt sich schon bei Shakespeare oder Sophokles finden und ist vor allem ein Einspruch gegen "Identitätsdenken", das Menschen mir ihrer Geschlechtsidentität identifiziert bzw. eine soziale Identität mit einer biologischen Identität gleichsetzt. Judith Butler wurde schließlich berühmt, indem sie nachwies, dass auch das, was wir "biologische Identität" nennen, eine soziale Konstruktion ist: Warum aus einem Körperteil überhaupt eine Identität machen? Man tut so als würde das Wort "Mann" bloß eine biologische Realität repräsentieren, die in Wirklichkeit überhaupt erst sozial hergestellt wird. Dass Männer "logischer" sind, wie der Verhaltenspsychologe John Snow ausführt, ist eine Folge sozialer Tatsachen, nicht biologischer oder "evolutionärer" (lol) Entwicklungen. Abgesehen davon, dass es empirisch vermutlich falsch ist.
Worauf will ich hinaus? Darauf, dass jemand, der sich von den Kategorien Mann/Frau nicht "repräsentiert" fühlt, dem queeren EInsatz einen Bärendienst erweist, weil er/sie* die Repräsentationskategorien bloß erweitern will, statt sie zu subvertieren. Darum erneuere ich meinen Vorschlag: einmal mehr über den infantilen Spruch der HeterosexUL lachen oder (je nach Gusto) den Kopf schütteln, die ganz großen Fässer geschlossen lassen und, wenn man sich schon für Minderheiten und sozialen Ausgleich stark machen will, andere Kampffelder aufsuchen als Twitter, W11 und Spruchbänder spätpubertierter Erwachsener.
Und an alle, die sich jetzt zu Rächern der Enterbten aufspielen: Hope to see you all bei der nächsten Demo gegen das Europäische Grenzregime, Zwangsräumungen und Altersarmut.