Tour de France

  • Die heutige 6.Etappe der Tour 2015 startet in Abbéville, der Hauptstadt des Département Somme (80), und erstreckt sich über 191,5km.
    Nach ca. 25km verlassen wir die Région Picardie, und es geht hinein ins Département Seine-Maritime (76) der Région Haute-Normandie mit Zielankunft in Le Havre, der Stadt mit Frankreichs zweitgrößtem Hafen nach Marseille.


    Apropos Le Midi:
    Nach wie vor vergeht kein Tag ohne schuldzuweisende Unmutsbekundungen der süd(west)französischen Presse, und mehr noch der süd(west)französischen Bevölkerung, mit denen die völlige Abwesenheit jedweder Touretappen 2015 in den bevölkerungsreichen küstennahen Départements der Regionen Pays de la Loire, Poitou-Charentes, Aquitaine, Languedoc-Roussillon und Provence-Côte d'Azur lautstark beklagt wird.
    Gab die Tourleitung sich in vergangenen Jahren wenigstens mit der einen oder anderen Etappe in diesen Regionen noch den Anschein, eine Tour für die ganze Grande Nation im Sinn zu haben, so mutiert dieser Zungenschlag für die bevölkerungsstarken Regionen Süd(west)frankreichs zunehmend zur durchschaubaren Farce.


    Fast 7 Millionen Menschen der riesigen, weniger als 250km von der Küste entfernten Landstriche Südwestfrankreichs sahen ihre letzte Etappe 2011 (Pays de la Loire und Poitou-Charentes) bzw. 2010 (Aquitaine).
    2015 nun werden weder Nantes, noch La Rochelle, noch Bordeaux, noch die "2013 in einem Rutsch abgespeisten" (O-Ton 'Sud Ouest') Montpellier, Marseille und Nizza, noch die Einzugsgebiete dieser Metropolen in Umkreisen von z.T. mehreren 100km auch nur ansatzweise tangiert.


    Mit rund 16 Millionen Menschen werden so 25% der landesweit, und fast 70% der südlich des 46. Breitengrades lebenden und arbeitenden Bevölkerung Frankreichs samt ihrer Familien vom hautnah-aktiven Erlebnis der diesjährigen Tour ausgeschlossen.
    Im Midi spricht man daher inzwischen offen von der "Tour für Touristen 2015".
    Auch solche Schattenseiten der Tour sollen hier durchaus einmal erwähnt werden.


    Zurück zur heutigen 6.Etappe.
    Ist die kleine Hafenstadt Dieppe erreicht, erwarten das Fahrerfeld zwei Bergwertungen der 4. Kategorie.
    Die verbleibenden gut 100km dieser Etappe entlang den Steilküstenformationen der Côte d'Albâtre könnten angesichts der sehr küstennahen Streckenführung von böigen Winden beeinträchtigt werden, welche hier als besonders unangenehm gefürchtet sind.


    Da die Sprintwertung bei Saint-Léonard erst 46km vor dem Ziel erfolgt, muss damit gerechnet werden, dass diese, anders als bei mancher Etappe zuvor, nicht durch einen Massenspurt des Hauptfeldes, sondern einzeln und/oder in mehreren kleinen Gruppen angefahren wird, d.h. die im verbliebenen Péloton festhängenden maillot vert-Probanden keine Punkte mehr mitnehmen können.
    Wenig später erfolgt die Abfahrt in das Dörfchen Étretat, weltberühmt wegen seiner spektakulären, irreal-mystisch anmutenden Felsformationen; gleich anschließend die dritte und letzte Bergwertung der 4. Kategorie an der Côte du Tilleul, und dann ab die Post via Seine-Mündung.
    Die Zielankunft in Le Havre schließlich wird von einem Heidenspektakel zigtausender Radsportbegeisterter begleitet werden.


    Das chancenreiche (Mit-)Favoritenfeld vor der 6.Etappe:
    0'12'' Froome
    0'25'' van Garderen
    0'48'' Contador
    1'50'' Nibali
    2'03'' Kreuziger
    2'03'' Valverde
    2'08'' Quintana
    2'19'' Péraud


    Während Pinot gestern seinen bereits erklecklichen Rückstand wenigstens halten konnte (6'30''), fiel Rogers nochmals um mehr als eine Minute zurück (jetzt 7'41'').


    Die heutigen Übertragungszeiten im französischen Fersehen:
    12:55 bis 13:50 france3: Village départ aus Abbéville
    13:50 bis 15:05 france3: Live
    14:55 bis 17:35 france2: Live
    17:35 bis 18:50 france2: Vélo club aus Le Havre

    Bayer 04 Leverkusen.
    Weil seit 1904 drin ist, was drauf steht.

  • Hallo Bergischer Löwe,


    warum erwähnst du immer Michael Rogers? Der ist doch nur ein kleines Helferlein, oder sehe ich das falsch? Da müsste man ja fast Leopold König oder Richie Porte mit erwähnen.


    Aber ansonsten jeden Tag ein schöner Ausblick.


    Danke.


    :LEV2

  • Gerne beantwortet:


    Wie schnell Teams durch Ausfälle gebeutelt werden können, hat man ja bedauerlicherweise bei den Stürzen der vergangenen Tage gesehen.
    Etliche französische Presseorgane, wie z.B. die Sportredaktionen von "Le Monde" oder "Le Figaro", sahen vor dem Tourstart die Tinkoff-Saxo-Fahrer Basso, Rogers sowie Kreuziger als erste Mitfavoriten für eben jenen worst case, dass Contador im Verlaufe der Tour ausfallen sollte.
    Einige Fahrer anderer Teams wurden in dieser Hinsicht zwar auch genannt, aber für weniger prädestiniert gehalten als jene aus dem Tinkoff-Saxo-Team;
    Ansichts- oder auch Geschmackssache, wie ich finde.
    Jedenfalls versuche ich diese Sichtweise unserer Nachbarn vermittels der Übertitelung "(Mit)Favoriten" einzuarbeiten.


    Deutsche Fahrer als Mit- oder Geheimfavoriten für den Gesamtsieg hatten vor dem Tourstart übrigens nur wenige französische Sportjounalisten auf dem Zettel;
    sie thematisierten dafür im großen Stil und aufrichtig bedauernd den Ausfall von Marcel Kittel.
    Wer weiß, vielleicht werden wir in dieser Hinsicht ja auch in den Bergetappen noch positiv überrascht?
    Laut Bernard Hinault ist schließlich nichts so unberechenbar wie die Tour.


    Danke für Euer emsiges Mitwirken und Mitschreiben hier im Tour-Fred!
    Und auch für Euer aufmerksames Mitlesen, für jeden Hinweis und für jede Korrektur.
    So haben hier alle was davon.
    Und jetzt schnell zurück zur Live-Übertragung.
    :LEV19

    Bayer 04 Leverkusen.
    Weil seit 1904 drin ist, was drauf steht.

  • Absolut. Und in diesem Thread lese ich auch gerne die Texte vom Bergischen Löwen (auch wenn ich hier praktisch nie schreibe). Sind immer schöne Einstimmungen auf die Etappen, kurze - aber gute - Appetitanreger. Danke dafür! :LEV6

  • Was für ein Chaos! Tony Martin stürzt kurz vor dem Ziel und scheint sich ernster verletzt zu haben. Ferndiagnose: Schlüsselbeinbruch. Den Unfall hat er selbst verursacht.


    Die Etappe gewinnt Zdenek Stybar vor Sagan, Coquard und Degenkolb, die viele Punkte auf Greipel gut machen.

  • Inzwischen ist der Schlüsselbeinbruch bei Tony Martin bestätigt. Ob er aussteigt, steht aber noch nicht fest. Tyler Hamilton ist auch mal mit gebrochenem Schlüsselbein weitergefahren.


    Edit: Jetzt ist auch sein Ausstieg bestätigt. Unfassbar bitter. Ein paar Tage hätte er das Trikot auf jeden Fall noch getragen. Nach Cancellara schon der zweite Mann in Gelb, der aufgeben muss.

  • Unfassbar ist für mich außerdem, wie es zu diesem Unfall kam. Da fährt er plötzlich diesen Schlenker...

    Für mich sah es einfach nach einer Unkonzentriertheit aus. Er passt einen kurzen Moment nicht auf, erschreckt sich (? nur eine Vermutung), reißt den Lenker nach rechts und touchiert einen anderen Fahrer so dass er zu Fall kommt. Nach über 190km und so kurz vor dem Ziel, nach getaner Arbeit, ist dies wohl ein realistisches Szenario.

  • 09.07.2015, 22:02


    6. Etappe, Abbeville - Le Havre (191,5 km) - Tour-Aus! Martin bricht sich das Schlüsselbein


    Für Tony Martin ist seine Triumphfahrt in Gelb beendet. Kurz vor dem Ziel der sechsten Etappe stürzte er vom Rad. Nach einer Untersuchung im Krankenhaus stand fest: Der Deutsche hat sich das Schlüsselbein gebrochen. Martin blieb zwar Erster. Antreten aber wird er nicht mehr können. Stattdessen muss er in den OP.


    weiter: [url]www.lkicker.de[/url]

  • Für mich sah es einfach nach einer Unkonzentriertheit aus. Er passt einen kurzen Moment nicht auf, erschreckt sich (? nur eine Vermutung), reißt den Lenker nach rechts und touchiert einen anderen Fahrer so dass er zu Fall kommt. Nach über 190km und so kurz vor dem Ziel, nach getaner Arbeit, ist dies wohl ein realistisches Szenario.


    Eine Unkonzentriertheit so kurz vor dem Ziel? Also ich weiß nicht...

    Geblockte User: Stammtisch Trainer, Pascalwerkself, Stubbi, Caminos, tiga88888, 79889300, ARTEMIS

  • (Nicht nur) aus deutscher Sicht ein trauriger Start in den letzten Tag der ersten Tour-Woche.
    So früh so viele schwere Stürze, das Starterfeld um zig Fahrer geschrumpft, darunter der sportlich herbe Verlust von Fabian Cancellara und Tony Martin.
    An dieser Stelle, ich denke im Namen aller W11ler, die besten Wünsche für eine gute Genesung an alle verunglückten/erkrankten Fahrer, insbesondere natürlich an Tony Martin.
    Ein solches Pech wie bei der Tour 2015, das hat dieser auch in Frankreich hoch geachtete und respektvoll "Poonßärrwaggään" titulierte große Sportsmann einfach nicht verdient.


    Aber was will man gegen die Launen des Schicksals ausrichten?
    Deshalb wollen wir bei aller Betrübnis nicht vergessen, gestern glückliche Zeitzeugen gewesen zu sein, als an der Côte du Tilleul mit Daniel Teklehaimanot der erste Afrikaner in der 112jährigen Geschichte der Tour de France das maillot à pois eroberte.
    Denn auch so kennen wir die Tour:
    Was immer unterwegs passiert, sie geht immer weiter.


    Nach mittlerweile 943,8 absolvierten Kilometern führt uns die heutige 7.Etappe über eine Distanz von 190,5km durch insgesamt 4 Départements.
    Dabei wird die Région Basse Normandie mit schlussendlicher Ankunft in der nordöstlichen Breizh durchquert, unter bewusster Auslassung des Département Manche (50) und statt dessen unter sportpolitisch kompromissbedingter Mitnahme des fast menschenleeren da-sagen-sich-die-Füchse-Gute-Nacht-Nordzipfels der Région Pays de la Loire.


    Startort ist Livarot in dem für seine exzellente Cidre-Produktion und mehr noch für seine gleichnamigen Apfelbranddestillerien bekannten Département Calvados (14).
    Wenige Kilometer weiter wird bei Canapville des Département Orne (61) erreicht.
    Hier zeigt sich, dass diese Etappe für die passionierten Frühaufsteher und Kaltstarter im Fahrerfeld gemacht ist.
    Denn schon bei Kilometer 12,5 gibt es an der Côte de Canapville die einzige Bergwertung (Kategorie 4) dieser Etappe.


    Wäre die Streckenführung ab Guerquesalles (km 20,5) nicht über die D16 in Richtung La Bruyère-Fresnay (km 25,5) gewählt worden, sondern über die D246 in Richtung Champosoult;
    dann würde jenes Dörfchen direkt durchfahren, anstatt nun in 2,5km Entfernung östlich passiert zu werden, dessen Name noch weit mehr als jener von Livarot ein französisches Molkereiprodukt prägt, welches weltweit jedermann ein Begriff ist:
    Camembert.


    Ebenfalls relativ früh erfolgt nach 65,5 Kilometern die heutige Sprintwertung in Argentan.
    Westlich von Saint-Martin-des-Landes, bei La Brousse (km 96), gelangen wir im Bois de la l'Eau auf der D16 im nördlichsten Zipfel der Région Pays de la Loire in das Département Mayenne (53).
    Dieses wird auf einer Strecke von ca. 70 Kilometern westwärts durchfahren.
    19 Kilometer vor dem Zieleinlauf in Fougères im Département Il-ha-Gwilen (35) ist jene Région erreicht, in welcher in zwei Tagen mit dem Teamzeitfahren die von den schwierigen Bergkategorien freie Tour-Vorwärmphase insbesondere für die Sprinter am Mor bihan ihr jähes Ende findet:
    Breizh.


    Das chancenreiche (Mit-)Favoritenfeld vor der 7.Etappe:
    0'12'' Froome
    0'25'' van Garderen
    0'48'' Contador
    1'50'' Nibali
    2'03'' Kreuziger
    2'03'' Valverde
    2'08'' Quintana
    2'19'' Péraud


    Während Pinot (6'30'') wie alle Genannten seinen Rückstand konservierte, dürfen wir hinter Rogers (gestern wiederum um mehr als eine Minute zurückgefallen auf 8'59'') wohl bald den Haken derer mit mehr als 10 Minuten Rückstand machen.


    Langsam schält sich auch ein Favoritenfeld für das maillot vert heraus.
    Fahrer mit mehr als 75 Punkten vor der 7.Etappe:
    161 Greipel
    158 Sagan
    120 Degenkolb
    94 Cavendish
    86 Coquard


    Die heutigen Übertragungszeiten im französischen Fersehen:
    12:55 bis 13:50 france3: Village départ aus Livarot
    13:50 bis 15:05 france3: Live
    14:55 bis 17:35 france2: Live
    17:35 bis 18:55 france2: Vélo club aus Fougères

    Bayer 04 Leverkusen.
    Weil seit 1904 drin ist, was drauf steht.


  • Eine Unkonzentriertheit so kurz vor dem Ziel? Also ich weiß nicht...

    Er hatte seine Arbeit (Anfahren für einen Sprinter) ja eigentlich getan und musste nur noch locker ins Ziel rollen und dann 2 Sekunden nicht aufgepasst. Ist auch nur eine Vermutung. Er selber sagt, er wüsste nicht wie der Sturz entstanden ist.