Beiträge von BayAddict

    LEVERKUSEN: Papadopoulos sollte schon vor sechs Jahren geholt werden – Krösche kommt als Co


    Irgendwie beschleicht den Beobachte das Gefühl, Bayer Leverkusen übe sich in Zurückhaltung in Sachen Transfers, und der Wechsel von Nationalspielerin Annika Krahn von St. Germain zum Frauen-Team sei der spektakulärste Akt, den der Verein in diesen Tagen zu bieten hat.


    Diese Einschätzung allerdings ist nicht ganz fair. Man kann die Sache auch von der anderen Seite betrachten und kommt zum Schluss: Bayer hat seine Hausaufgaben bislang gut gemacht und wenn Rudi Völler (55) sagt, der Transfer von Christoph Kramer (24) gehe in der öffentlichen Wahrnehmung ein bisschen unter, dann liegt der Sportdirektor damit sicher richtig.


    Perfekt ist seit Sonntag auch die Verpflichtung von Kyriakos Papadopoulos (23, bis 2020). Damit endet eine Story, die vor sechs Jahren begann, als der damalige Bayer-Manager Michael Reschke (57) in einem Lokal in Piräus mit der Familie saß und um die Dienste des noch 17-jährigen Sohnes buhlte. Dessen Vater zog seinerzeit das Angebot der Schalker vor, nun landet der Filius doch in Leverkusen, wo er in der vergangenen Saison zwar einiges an Verletzungspech entwickelte, in seinen Einsätzen aber durchaus „Geschmack auf mehr“ machte. Rudi Völler: „Er hat in der abgelaufenen Spielzeit angedeutet, welche Qualität er auf der Innenverteidigerposition mitbringt. Er ist trotz seiner 23 Jahre schon extrem erfahren und hat auch international bereits viele Schlachten geschlagen. Sein Kampfgeist, seine Leidenschaft und totale Hingabe waren beeindruckend.“ Weil „Papa“ auch im Kader schnell eine Führungsrolle einnahm, ist die Verpflichtung logisch. Abzuwarten bleibt, ob er seine Krankenakte (mehrere schwere Knie- und Schulterverletzungen) schließen kann. Dies gilt ebenso für Daniel Didavi (25), auf den Bayer ein Auge geworfen hat. Der Stuttgarter wurde als Verstärkung für das offensive Mittelfeld ausgemacht. Wie sich Bayer dort nach dem Weggang von Gonzalo Castro (27) aufstellt, ist eine der aktuell drängendsten Fragen.


    Noch eine Personalie: Mit Markus Krösche (34) holte sich Roger Schmidt seinen ehemaligen Kapitän aus Paderborner Zeiten als zusätzlichen Assistenten an die Seite. Eine Verpflichtung, die Sinn macht. Die Co-Trainer Daniel Niedzkowski und Lars Kornetka haben ihre Stärken eher in der Analyse, Krösche soll Schmidt in der täglichen Arbeit unterstützen.
    FRANK LUßEM



    Quelle: kicker-Printausgabe vom 08.06.15

    In zwei Jahren vom Lehrling zum Weltmeister – für CHRISTOPH KRAMER (24) soll es nicht das letzte Kapitel seines Fußballmärchens bleiben


    Um 17.45 Uhr ist es so weit: „Die Seele brennt.“ Als die ersten Takte der Borussen-Fanhymne durch das Stadion hallen, schießen tausendfach die schwarz-weiß-grünen Schals in die Höhe. Und inmitten der treuesten Fans stimmt die Mannschaft inbrünstig mit ein, dort oben auf dem Zaun der Nordkurve. Diesem Gänsehautmoment, wenn der gesamte Borussia-Park den Kultsong schmettert, hatte Christoph Kramer so sehr entgegengefiebert. „Ich brauche kein Bild und kein Abschiedsgeschenk“, lautete Kramers letzter Wunsch im Gladbach-Dress, „aber ich würde mich riesig freuen, wenn alle 54 000 Zuschauer im Stadion bleiben, den Schal rausholen und dieses Lied singen. Das wäre geil, ein schöner Abschluss.“


    Mit dem hochemotionalen Abschied ist das letzte Kapitel des Fußballmärchens von Christoph Kramer geschrieben – am Niederrhein. Zwei Jahre in Mönchengladbach haben die Welt des Mittelfeldspielers auf den Kopf gestellt. Der Lehrling, den Bayer Leverkusen 2013 zur weiteren Ausbildung nach Gladbach schickte, kehrt im Sommer als Weltmeister zurück. Eine unwirklich anmutende Geschichte. Bisweilen auch für Kramer, aus dem die Dankbarkeit spricht, wenn er auf seine Zeit bei der Borussia zurückblickt. „Ich weiß, dass ich durch den Verein Weltmeister geworden bin. Wäre ich nach Freiburg oder Lissabon gegangen, bin ich mir ziemlich sicher, dass es nicht so weit gekommen wäre“, hatte Kramer im Winter geäußert, als die Rückkehr nach Leverkusen mit einer Vertragsverlängerung bis 2019 besiegelt wurde. Auch jetzt sagt er: „Es ist riesig, dass ich mich mit dem Einzug in die Champions League verabschieden kann. Weil ich dem Klub unheimlich viel verdanke.“


    Vor allem Trainer Lucien Favre. Vom ersten Trainingstag an förderte der Schweizer den Youngster mit der Pferdelunge. Oft standen sie nur zu zweit auf dem Platz, der Lehrer und sein wissbegieriger Schüler. Extraschichten, die sich im Rekordtempo auszahlten. „Lucien Favre ist ein super Fachmann. Er hat mich geprägt, geformt, geschliffen. Als Trainer war Lucien Favre für mich Gold wert – und ich mag ihn auch als Menschen unheimlich“, betont Kramer. Von der Favre’schen Ausbildung des Laufwunders wird Bayer Leverkusen in den nächsten Jahren profitieren. Doch mit einem Grinsen stellt Kramer fest, dass auch auf Coach Roger Schmidt noch genügend Arbeit wartet. „Spielerisch habe ich in der abgelaufenen Saison sicherlich wieder einiges dazugelernt, aber ich sehe immer noch eine Menge Potenzial. Ich könnte im athletischen Bereich weiter zulegen, vor allem schneller werden. Mein linker Fuß ist verbesserungswürdig. Und die Sache mit dem Toreschießen könnte besser klappen. Mir fallen da noch einige Dinge ein“, erzählt Kramer.


    Der Entwicklungsprozess des 24-Jährigen zeigt sich nicht nur auf dem Rasen. Kramer ist auch als Persönlichkeit merklich gereift. Nichts erinnert mehr an den jungen Mann, der im Zuge des Weltmeister-Hypes mit einigen verwirrenden Aussagen für Kopfschütteln sorgte, der plötzlich ins Kreuzfeuer der Kritik geriet, statt immer neue Bestwerte bei Sympathieumfragen einzuheimsen. Kramer kommt wieder wie Kramer rüber, die lockeren Sprüche und die gesunde Portion Selbstironie, die Kramer bei seinen Ausführungen gerne einstreut, sitzen wieder wie zu seiner Gladbacher Anfangszeit. Wobei man spürt, dass er an seinem rasanten Aufstieg gewachsen ist, sich mehr in der Verantwortung sieht und sie annimmt. Trotzdem betrachtet sich Kramer mit Blick auf sein Alter „immer noch in der Entwicklungsphase“ und findet in der abgelaufenen Saison ein weiteres Beispiel dafür: „Die englischen Wochen waren neu für mich. Und obwohl ich wirklich viel laufen kann, fiel mir die Umstellung auf drei Spiele pro Woche nicht leicht. Ich habe die Belastung schon ordentlich gespürt.“


    Jetzt kann Kramer durchschnaufen und die Beine hochlegen. Der Umzug in den Großraum Düsseldorf ist längst erledigt, damit mehr Zeit für den Urlaub bleibt. Und dann geht’s los mit seinem zweiten Anlauf Richtung Königsklasse. Was mit der Borussia geklappt hat, soll auch mit Bayer gelingen: „Ich kann mich in einem Jahr zweimal für die Champions League qualifizieren. Das hat auch etwas.“
    JAN LUSTIG



    Quelle: kicker-Printausgabe vom 26.05.05

    Krisensitzung nach einer guten Saison: Eintracht Frankfurt verhandelt bereits mit SASCHA LEWANDOWSKI (43).


    Tabellenplatz neun, das zweitbeste Ergebnis seit sieben Jahren. Sieben Punkte mehr als 2013/14. Einen Rang in der TV-Geldtabelle geklettert und damit 1,32 Millionen Euro höhere Einnahmen – es gibt viele Ansätze, die Saison von Frankfurt als gelungen einzustufen. Und doch kommt es jetzt zum großen Knall.


    Trainer Thomas Schaaf, der in der Führungsetage lediglich bei Vorstandsboss Heribert Bruchhagen absoluten Rückhalt genießt, will Eintracht Frankfurt trotz eines bis 2016 laufenden Vertrags umgehend verlassen. Hintergrund: Schon vor dem letzten Saisonspiel gegen Leverkusen wurde Schaaf zugetragen, dass sich Spitzenfunktionäre der Eintracht bereits mit Sascha Lewandowski über ein Engagement zur neuen Saison unterhalten haben sollen – hinter Bruchhagens Rücken. In diesem Zusammenhang könnte es sogar zum Abgang von Bruchhagen nach zwölf Jahren Eintracht und damit ein Jahr vor Vertragsende kommen.


    Die Uneinigkeit der beiden Vorstände Bruchhagen und Axel Hellmann war Thema einer Krisensitzung am Pfingstmontag. Deren Streit ist so groß, dass es auch zu personellen Veränderungen in anderen Gremien der Eintracht kommen kann. Am 8. Juni wird der neue Aufsichtsrat gewählt. Bei der Eintracht herrscht höchste Explosionsgefahr.


    Sportdirektor Hübner obliegt in dieser schwierigen Gemengelage die komplizierte Aufgabe, die Mannschaft neu zu strukturieren und zu verstärken. Am Freitag wurde der erste Neuzugang bestätigt. Er heißt Stefan Reinartz (26), kommt ablösefrei von Bayer Leverkusen und unterschrieb bis 2017. Reinartz soll das defensive Mittelfeld der Hessen beflügeln und für mehr Torgefahr sorgen. Makoto Hasebe, Slobodan Medojevic und Aleksandar Ignjovski blieben 2014/15 allesamt torlos. Trifft er nun auf seinen früheren Bayer-Trainer Lewandowski?


    Auf Reinartz könnte demnächst Alexander Ring folgen. Der 24 Jahre alte finnische Nationalspieler erzielte als Sechser beziehungsweise Achter in der zurückliegenden Saison sechs Zweitligatore für den 1. FC Kaiserslautern, steht dort bis 2017 unter Vertrag. Verstärkung sucht die Eintracht zudem für die linke Außenbahn, wo sich weder Takashi Inui noch Lucas Piazon durchsetzten. Sonny Kittel fällt nach einem Kreuzbandriss bis zum Jahresende aus. Vier bis sechs Monate muss auch Goalgetter Alex Meier pausieren, sodass auch in der Offensive Handlungsbedarf besteht. Wie in der Innenverteidigung nach der Knorpeloperation von Anderson. Hier könnte eine Vertragsverlängerung mit Alexander Madlung die Lösung sein. Über sie soll in dieser Woche gesprochen werden.


    All das sind jedoch vergleichsweise kleine Baustellen, wenn man sich das Theater in der Führungsetage vor Augen führt …



    Quelle: kicker-Printausgabe vom 26.05.05

    LEVERKUSEN: Mit Toprak steht lediglich ein Innenverteidiger von Format im Kader


    Die Verlängerung des Vertrages mit Trainer Roger Schmidt gleich bis zum 30. Juni 2019 darf getrost als deutliches Signal nach außen gewertet werden. Da ist einmal die Dokumentation tiefsten Vertrauens in die Fähigkeiten des Fußballlehrers. Da ist aber auch das Zeichen an die Konkurrenz: So leicht wird er uns nicht verlassen können.


    Auch in Leverkusen werden sie natürlich nicht so naiv sein, zu glauben, dass ein Vierjahresvertrag eines Trainers in jedem Fall auch erfüllt wird. Dazu braucht der Mann schon einen Kader, der ihm weitestgehend garantiert, dass Bayer dauerhaft um Platz eins bis vier spielen kann.


    Aktuell ist da noch einiges an Arbeit nötig. Die offenen Stellen in Abwehr und Mittelfeld sind bekannt, ganz vorne wird sich in dem Moment etwas tun, wo Wackelkandidat Josip Drmic (22) ein akzeptables Angebot bringt und die Alternative auf dem Markt ist. Wunschkandidat Kevin Volland (22) wird dies nicht sein, zum Unmut der Leverkusener entschied sich der Nationalspieler für einen Verbleib in Hoffenheim.


    Für die Defensive hat Bayer wohl ein Auge auf Antonio Rüdiger (22) vom VfB Stuttgart geworfen. Eine kolportierte Klausel, wonach der Nationalspieler für zehn Millionen Euro gehen kann, existiert laut kicker-Informationen nicht. Dennoch kann Leverkusen einen attraktiven Arbeitsplatz in der Champions League bieten, hinten rechts oder zentral. Bedarf besteht, da Ömer Toprak (25) der einzige Innenverteidiger von internationalem Format ist – zu wenig für einen Topklub. Kyriakos Papadopoulos (23) kehrt – Stand heute – nach Schalke zurück.


    Die offene Stelle im Mittelfeld könnte Pierre-Emile Höjbjerg (19, vom FC Bayern bisher an Augsburg ausgeliehen) besetzen. Der Rekordmeister hat mehrere Angebote für ihn vorliegen, für Leverkusen spricht einiges, nicht zuletzt die gute Entwicklung, die ein Leihspieler wie Toni Kroos bei Bayer nahm.#


    Vor dem Absprung stehen Giulio Donati (25), Sebastian Boenisch (28) und Vladlen Yurchenko, auch Dominik Kohr (21) wird wohl noch eine weitere Saison auf Leihbasis beim FC Augsburg bleiben, ebenso Levin Öztunali (19), der in Bremen noch ein Jahr reifen soll.


    Fest verpflichtet sind bislang der Brasilianer André Ramalho (23, RB Salzburg) und Nationalspieler Christoph Kramer (23, Borussia Mönchengladbach). Zurückkehren werden der Koreaner Seung-Woo Ryu (21, offensives Mittelfeld) von Eintracht Braunschweig und Konstantin Stafylidis (21, Linksverteidiger) vom FC Fulham. Beide sollen zunächst mit Bayer in die neue Saison gehen.
    F.L.



    Quelle: kicker-Printausgabe vom 26.05.15

    Trainer Schmidt und der Schweizer kommen in LEVERKUSEN bis dato auf keinen gemeinsamen Nenner. Die Karten im Sturm werden neu gemischt.


    Es wird ein emotionaler Abschied für Stefan Reinartz (26) und Simon Rolfes (33), denen am Samstag ihr letztes Heimspiel für Bayer Leverkusen bevorsteht. Reinartz (seit der D-Jugend Leverkusener) und Rolfes (seit zehn Jahren Profi dort, davon sieben Jahre als Kapitän) werden gebührend verabschiedet. Seit Tagen posten Fans in den sozialen Medien Grüße an das Duo, die originellsten davon werden im Stadion auf der Videowand veröffentlicht. Rolfes wird zudem vierter Ehrenkapitän nach Carsten Ramelow, Ulf Kirsten und Bernd Schneider.


    Ob sie beide den Anpfiff gegen die TSG Hoffenheim auf dem Rasen erleben, scheint dagegen zweifelhaft. Die Trainingseindrücke dieser Woche lassen auf eine Doppelsechs schließen, die den mangelhaften Abwehrfähigkeiten des Gegners aus Hoffenheim (52 Gegentore!) angepasst wäre. Neben Rolfes könnte Hakan Calhanoglu im defensiven Mittelfeld auftauchen, um zusätzlichen Druck auf den löchrigen Abwehrverbund der TSG auszuüben.


    Nicht verabschiedet wird Gonzalo Castro. Das neben Reinartz zweite Eigengewächs im Kader wird Bayer gleichwohl verlassen. Es verdichten sich die Hinweise darauf, dass Borussia Dortmund die festgeschriebene Ablöse von elf Millionen Euro zahlen und Castro somit Bayer nach Saisonende verlassen wird. Wenn nicht, wird er noch ein Jahr in Leverkusen bleiben, seinen Vertrag bis 2016 erfüllen und dann ablösefrei wechseln. Das vorliegende Angebot des Werksklubs zur Verlängerung wird er auf keinen Fall annehmen, davon unterrichtete er die Bayer-Verantwortlichen.


    Ungewiss ist auch die Zukunft von Josip Drmic. Der Schweizer – in der Gehaltsliste von Bayer ganz weit oben angesiedelt – spielt in den Planungen von Trainer Roger Schmidt offensichtlich keine allzu große Rolle mehr.


    Nachdem ein Wechsel zum HSV im Winter aus sportlichen Gründen ausgeschlossen wurde, werden die Karten jetzt neu gemischt. Es ist durchaus vorstellbar, dass erneute Angebote wohlwollender geprüft werden, weil es Bayer nichts bringt, einen teuren Spieler auf der Bank sitzen zu haben. Und Schmidt für die dann erzielte Ablöse einen Stürmer holen kann, der besser zu ihm passt. Mit Kevin Volland spielt ja am Samstag einer von diesen Kandidaten vor.
    FRANK LUßEM



    Quelle: kicker-Printausgabe vom 15.05.15

    Er ist noch jung, hat aber bereits große Erfahrung. BERND LENO (22) über die Nationalelf und seinen Respekt vor Lionel Messi.


    AUS LEVERKUSENS TRAININGSLAGER IN ORLANDO BERICHTET FRANK LUßEM


    Wer ist in Deutschland die Nummer 2 hinter Manuel Neuer? Eine Frage, die aktuell häufig gestellt wird. Bernd Leno (22) macht keinen Hehl daraus, wie die Antwort lautet. Der Keeper von Bayer Leverkusen spricht im Interview mit dem kicker über dieses Thema, über Fehler und warum es nichts bringt, sich lange mit diesen zu beschäftigen.

    Herr Leno, Sie hatten sich als eines Ihrer Ziele vor der Saison gesteckt, pro Spiel im Schnitt nicht mehr als ein Gegentor zu kassieren. Aktuell sind es 20 Tore nach 17 Spielen. Wie zufrieden sind Sie?

    Wir hatten einen relativ turbulenten Saisonstart. Da haben wir viele Tore geschossen, aber auch viele kassiert. Das hat sich geändert: Wir haben am Ende nicht mehr so viele geschossen, aber auch nicht mehr so viele kassiert. Wir machen es defensiv alles in allem ganz ordentlich.
    Da spricht der Torwart …
    Als Torwart sieht man diese Entwicklung natürlich positiv. Aber es kann sein, dass man das als Torwart eben so sehen muss, dass eine stabile Defensive den Erfolg wahrscheinlicher macht.
    Bayer spielt in vielen Spielen sehr nach vorne gerichtet. Sie haben häufig einen großen unbesetzten Raum vor sich. Wie kompliziert ist die Umstellung?
    Es hat sich etwas verändert, das ist richtig. Ich musste off ensiver spielen. Das ist der nächste Schritt in der Entwicklung. Manuel Neuer perfektioniert das ja fast, er macht das sehr gut, sehr extrem. So weit gehe ich nicht. Aber ich reagiere schon darauf, dass die Mannschaft sehr hoch verteidigt. Dazu gehört viel Risiko, das ist zum Beispiel gegen Paderborn in die Hose gegangen …
    … als Sie gegen Süleyman Koc neben den Ball traten und ihn zum Torschuss einluden.
    Genau. Aber ich denke, solche Fehler muss man einfach machen, um zu lernen. Und ich habe gelernt. Ich spiele offensiver, wenn auch nicht so spektakulär.
    Sind Sie damit einverstanden, wenn ich sage, dass in dieser Halbsaison ein paar Wackler mehr in Ihrem Spiel waren als gewohnt?
    Ja, das stimmt! Aber das waren immer einzelne Aktionen. Mein normales Niveau habe ich gehalten. Es waren Situationen wie gegen Paderborn, in Magdeburg habe ich bei einem Tor nicht gut ausgesehen, und gegen Köln habe ich Glück gehabt. Was ich meine: Ich bin in diesen Spielen dann nicht komplett untergegangen. Nach dem Luftloch gegen Paderborn habe ich weitergespielt, als sei nichts passiert. Und ich bin auch weiter aus dem Tor gekommen, habe später noch per Kopf außerhalb des Strafraums geklärt. Das ist meine große Stärke, dass ich nach solchen Situationen nicht in ein Loch falle, sondern mein Ding durchziehe.
    Wie macht man das?
    In Valencia habe ich mal nach zehn Sekunden einen Bock geschossen. Danach kann ich ja nicht aufhören. Das Spiel geht ja noch 90 Minuten. Da muss man mental stark sein. Also: Es gab ein paar Wackler. Aber ich bin nie untergegangen. Deshalb bewerte ich das nicht über.
    Also kein Grund zur Sorge um Bernd Leno?
    Nein, eine Formkrise gab es nie. Und Fehler gehören dazu. Die muss ich minimieren.
    Beschäftigen Sie sich mit Mentaltraining?
    Nein, eigentlich nicht. Das Einzige, was ich mache, habe ich übrigens von René Adler übernommen. Damals war ich noch beim VfB Stuttgart und wusste nicht, dass ich mal in Leverkusen spielen würde. Ich war vielleicht 16 oder 17 Jahre alt und René war Gast im Sportstudio. Er sagte, er würde sich am Tag vor dem Spiel immer gewisse Situationen durch den Kopf gehen lassen, die während eines Spiels passieren können. Das fand ich sehr interessant und seitdem mache ich das auch. Ein paar Jahre später habe ich erfahren, dass das mentales Training ist. (lacht)
    Ihr Kölner Kollege Timo Horn äußerte zuletzt im kicker, er müsse sich – abgesehen von Manuel Neuer – hinter keinem Konkurrenten verstecken. Wie nimmt man das auf? Und ist der Posten des Nationaltorhüters für Ihre Generation nicht ohnehin verloren, weil Manuel Neuer noch sieben oder acht Jahre spielt und dann der heutige U-15-Nationaltorhüter nachrückt?
    Das muss man mal abwarten. Die jetzt ganz jung sind, müssen sich auch erst beweisen. Den Sprung, den wir geschafft haben, den haben die noch vor sich. Über Manuels Ausnahmestellung muss man nicht reden. Aber was in ein paar Jahren ist, das kann heute niemand voraussagen.
    Wundert man sich eigentlich über einen solchen Satz wie den von Horn?
    Nein, das ist mir eigentlich egal. So wie es Manuel egal wäre, wenn irgendeiner sagt, er habe keine Angst vor Neuer. Ich schaue da nur auf mich selbst und kann mich gut einordnen, mein Können, meine Fehler, wann ich gut spiele oder nicht. Ich bin 22, habe international gezeigt, was ich kann und spiele jetzt die dritte Champions-League-Saison – wir haben immer das Achtelfinale erreicht. Bayer ist eine gute Adresse in Europa. Vielleicht klappt es ja mit dem Viertelfinale.
    Haben Sie angesichts Ihrer Bilanz noch nicht damit gerechnet, zur Nationalmannschaft eingeladen zu werden?
    Das was Timo Horn sagt, gilt auch für mich. Neuers Position ist klar, dahinter brauche ich mich sicher nicht zu verstecken. Die anderen haben sicherlich ein gewisses Niveau, aber keiner ist so unantastbar wie Manuel. Deswegen sehe ich das gelassen. Ich kann ohnehin nur das beeinflussen, was ich mache. Was Roman Weidenfeller macht, kann ich nicht beeinflussen; und was die Dortmunder machen, auch nicht. Deswegen beschäftige ich mich damit nicht. Da kommt man zu sehr ins Überlegen, macht sich unnötigen Druck. Dazu bin ich viel zu gelassen nach 116 Bundesligaspielen in diesem Alter und über 20 Spielen in der Champions League.
    Es wird, gerade international, viel mehr verlangt von den Torhütern. Wo sehen Sie sich in dieser Entwicklung?
    Ich denke, ich bin da schon gut aufgestellt. Im vergangenen Jahr habe ich viel mehr an der Spieleröffnung teilgenommen, da konnte ich in dieser Richtung einen großen Schritt nach vorne machen, hatte sehr viele Kontakte. In dieser Saison agieren wir zwar mit mehr langen Bällen. Aber trotzdem muss ich mitspielen, weil wir hoch verteidigen und hinter der Kette viel Raum ist, für den ich dann zuständig bin. Es gehört Mut zum Risiko dazu, mal eben 40 Meter aus dem Tor zu kommen. Und wenn das einmal schiefgeht, dann fragen sich alle, was der denn da macht! Ich denke, ich habe das – wie gesagt: mit der Ausnahme Paderborn – ganz gut gemacht und keine unnötigen Ausflüge gestartet. Und diesen Blackout habe ich für mich als Ansporn gesehen und mir gesagt: ‚Kollege, jetzt zeigt es sich, ob du wirklich die Eier hast, gleich wieder rauszugehen!‘ Ich hatte sie. Und das ist sehr, sehr wichtig. Als Torwart musst du mutig sein.
    Vor welchem Spieler hätten Sie Respekt?
    Vor Lionel Messi. Das muss man dann auch mal zugeben. Vor ihm habe ich großen Respekt. Er kam ja mal in einem Spiel fünfmal auf mich zu (2012 unterlag Bayer dem FC Barcelona mit 1:7, Messi erzielte fünf Tore, Anmerkung der Redaktion). Das ging damals alles so schnell. Aber das gehört auch dazu.
    Bayer schloss die Vorrunde mit 28 Punkten als Dritter ab. Um die Champions League zu erreichen, benötigte man bislang immer über 60 Zähler. Kann es sich rächen, dass Leverkusen viele Punkte liegen ließ?
    Es kann sein, dass es sehr eng wird. Hinter uns ist alles nah beieinander. Das zeigt die Ausgeglichenheit der Bundesliga, abgesehen von den Bayern und auch Wolfsburg, die ein gutes Polster auf uns haben. Wir dürfen das nicht unterschätzen, zumal wir in den vergangenen Jahren in der Rückrunde immer so ein bisschen eingebrochen sind. Daraus müssen wir lernen, so darf es nicht weitergehen. Wir haben genug Punkte verschenkt. Aber wir dürfen nicht vergessen, dass wir unser Spielsystem komplett umgestellt haben. Dafür war es okay.
    Wird es vielleicht einfacher, weil die Basis gelegt ist und sich das Team weiterentwickelt?
    Das kann sein. In der Sommervorbereitung wurde ja alles komplett umgestellt, mit Vorwärtsverteidigung, Gegenpressing. Das müssen wir jetzt verfeinern und Lösungen finden, wenn der Gegner sich hinten reinstellt. Darauf müssen wir uns einstellen, die Risiken minimieren und vorne effektiver agieren. Wenn wir die Konstanz ins Spiel bekommen, mache ich mir keine Sorgen. Es wird mehr Zeit fürs Training geben, wir lassen weniger Kraft. Ich bin sicher, es wird besser werden.
    Der erste Gegner heißt zum Rückrundenstart Borussia Dortmund. Für Sie die größte Sensation der Hinrunde?
    Auf jeden Fall. Ich kann mir immer noch nicht erklären, wie das passiert ist.
    Kommt da zum Rückrundenauftakt ein Abstiegskandidat? Oder der Vizemeister?
    Auf jeden Fall der Vizemeister. Ihre erste Aufgabe ist es, unten rauszukommen. Aber Dortmund wird sich aufraffen. Spätestens dann, wenn die verletzten Spieler wieder dabei sind. Für uns gilt: Wir dürfen uns keinen Ausrutscher leisten.
    Einer der auffälligsten Leverkusener war Hakan Calhanoglu. Wie ist das Freistoßtraining mit ihm?
    Seine Freistöße sind einfach überragend. Der haut die jedem so rein, wie er will. Ob im Spiel oder im Training. Wenn du im Torwarteck stehst und er kriegt den Ball über die Mauer, dann hast du sehr wenig Chancen. Das ist eine beeindruckende Qualität.



    Quelle: kicker-Printausgabe vom 19.01.15

    Klick einfach eine zufällige Seite im Kießling Thread an. Selbst da findest du- wenn er nicht gerade ein wirkliches Superspiel hingelegt hat und selbst die üblichen Verdächtigen eine gewisse Scham haben zu posten - auf jeder Seite drei solcher von dir zitierten Beiträge.


    :bayerapplaus So sieht`s aus

    LEVERKUSEN: Sportchef verteidigt die Außenverteidiger und lehnt Neuzugänge ab


    Nur noch schwere Verletzungen im Kader könnten die Verantwortlichen von Bayer Leverkusen dazu bewegen, in diesem Januar neue Spieler zu verpflichten. „Es kommt keiner, wenn nichts Außergewöhnliches passiert“, sagt Rudi Völler. Der Sportchef verweist zudem auf die Rückkehr der zuletzt verletzten Kyriakos Papadopoulos, Stefan Reinartz und Giulio Donati: „Mit ihnen sind wir breit aufgestellt.“


    Breit genug für die anstehenden Aufgaben, auch auf den defensiven Außenpositionen. Völler hält die Diskussion über die Profis, die dort spielen, für überhitzt und die Spieler selbst für besser als ihr Ruf. Über Wendell sagt er: „Er zeigt tolle Ansätze, fast wie der junge Zé Roberto. Er wird sich ebenso noch entwickeln wie Tin Jedvaj auf der anderen Seite.“ Donati und Sebastian Boenisch seien zudem akzeptable Alternativen. Namen wie die der Rechtsverteidiger Antonio Barragan (27, FC Valencia), Martin Montoya (23, FC Barcelona) oder Cedric Soares (23, Sporting Lissabon) bleiben also zunächst ebenso weiter Objekt ausgeprägter Spekulationen wie Innenverteidiger André Ramalho (22, RB Salzburg).


    Kann man über die Festlegung auf die Außenverteidigerpärchen noch diskutieren, ist es nachvollziehbar, dass Bayer Leverkusen letztlich darauf verzichtet hat, den Poker um Kevin Kampl (24) bis zum Ende durchzuziehen. Kampl, der in Leverkusen ausgebildet wurde, wäre nicht nur teuer gewesen (fast 30 Millionen Euro im Gesamtinvest über drei Jahre), letztlich hätte solch ein Transfer auch die Entwicklung eines Top-Talents wie Julian Brandt (18) unnötig gehemmt.


    Brandt ist in seiner Entwicklung um Lichtjahre weiter als Kampl im vergleichbaren Alter, ihn kontinuierlich an das Spitzenniveau heranzuführen ist eine spannende Aufgabe für Trainer Roger Schmidt, der ja im Falle Kampl (in Salzburg) und Karim Bellarabi bewies, dass er ein Händchen für Profis besitzt, deren Potenzial brachzuliegen scheint. Warum sollte bei Brandt dies nicht erneut klappen?
    FRANK LUßEM



    Quelle: kicker-Printausgabe vom 05.01.15

    LEVERKUSEN: Option gezogen, Klausel stört


    Wie erwartet zog Bayer Leverkusen die Option, mit der Angreifer Karim Bellarabi (24) bis zum 30. Juni 2017 an den Verein gebunden wird. Der Senkrechtstarter der Saison (acht Tore, vier Assists, kicker-Durchschnittsnote 2,68) könnte dennoch bereits nach der nächsten Spielzeit den Werksklub verlassen, da der ausgedehnte Kontrakt eine Ausstiegsklausel zum 30. Juni 2016 beinhaltet.


    Entwickelt sich Bellarabi annähernd so weiter wie seit der ersten Minute der Saison (in der er gegen Borussia Dortmund nach neun Sekunden den schnellsten Treffer der Bundesliga-Historie erzielte), wird Bayer es schwer haben, den Nationalspieler zu halten. Im Januar will man Gespräche führen, an deren Ende eine gestrichene Klausel und ein erhöhtes Gehalt samt Laufzeit bis 2019 stehen sollen – ob man allerdings mit der Konkurrenz wird mithalten können, ist fraglich. Während in Leverkusen die Spitzenverdiener rund vier Millionen Euro kassieren, gibt es dort, wo Bellarabi Interesse geweckt hat (in München, Dortmund, Wolfsburg, bei Manchester City und beim FC Chelsea beispielsweise), deutlich mehr zu verdienen.


    Solche Gespräche wird Stefan Reinartz (25) nicht mehr führen. Der Mittelfeldspieler verlässt Bayer mit unbekanntem Ziel. Dass Borussia Mönchengladbach – gerade nach dem Wechsel von Christoph Kramer zurück zu Bayer – an ihm Interesse zeigt, ist kein Geheimnis. Reinartz absolviert aktuell nach auskuriertem Augenhöhlenbruch Individualtraining, wird zur Vorbereitung fit sein.
    FRANK LUßEM



    Quelle: kicker-Printausgabe vom 29.12.14

    LEVERKUSEN: Das Schmidt-Team nutzt zu selten sein Potenzial


    Der Kabarettist, Schriftsteller und kicker-Kolumnist Frank Goosen definiert in seinem Buch Sommerfest das Wörtchen „eigentlich“ als ein großes Wort. Weil: Es beschreibt laut seiner Definition den Unterschied zwischen dem, was sein sollte und dem, was tatsächlich passierte.


    Eigentlich also hätte am Samstag Millionen Fußballfans „ein Spektakel“ präsentiert werden sollen. So hatte dies Pep Guardiola vorausgesagt. Tatsächlich aber kam kein Spektakel zustande, im Gegenteil. Es war schnell, von Taktik geprägt, aber langweilig zum Anschauen.
    Eigentlich gilt Bayer Leverkusen als offensivstarkes Team, das in der Lage ist, die Herzen der Fans zu erwärmen mit seinen Aktionen Richtung Tor des Gegners. Tatsächlich aber schoss Bayer am Samstag lediglich ein einziges Mal nennenswert auf das Tor der Münchener – nach bereits drei Minuten und dann das gesamte Spiel über nicht mehr.
    Eigentlich sollte der Fußball, den Bayer spielen will, darin münden, den Gegner zu verunsichern, zu Fehlern zu zwingen, ihn müde zu laufen. Tatsächlich häuften sich Unkonzentriertheit, Fehlpässe, der Gegner wurde dominanter, am Ende zeigte jede Statistik Bayer Leverkusen als komplett unterlegenes Team, nur bei den Fouls (26:11) nicht.
    Eigentlich ist Stefan Kießling ein veritabler Zielspieler mit Abschlussfähigkeiten im Strafraum. Tatsächlich aber präsentiert er sich aktuell als Dauerläufer mit nicht klar definierten Aufgaben. Möglichkeiten im gegnerischen Strafraum bleiben seit Monaten Mangelware.
    Eigentlich leitet Roger Schmidt den stärksten und breitesten Bayer-Kader der vergangenen zwölf Jahre an. Deshalb kann man den Bayern auch phasenweise ein intensives Duell zwischen den Strafräumen liefern. Tatsächlich jedoch hinkt man den Ansprüchen ebenso hinterher wie den Erwartungen. Und in der Tabelle zieht der VfL Wolfsburg weg, von hinten drücken Borussia Mönchengladbach und der FC Schalke. Das ist die Realität.


    Roger Schmidt und sein Team benötigen eine Menge Zeit, um die Ziele zu realisieren. Die Balance stimmt oft nicht, Potenzial wird häufig nicht genutzt. Und dabei hat man immer den Eindruck, es sei mehr drin. Eigentlich.



    Quelle: kicker-Printausgabe vom 08.12.14

    Stefan Kießling hätte nichts gegen eine Wiederholung. In der Saison 2012/2013 erzielte der heute 30 Jahre alte Stürmer von Bayer Leverkusen in der Hinrunde beim 2:1-Auswärtssieg das 1:0 beim FC Bayern München. Vor dem Spiel bei den Bayern (15:30 Uhr, live auf Sky und bei uns im Livescore) spricht der Angreifer im exklusiven Interview mit unserem Portal über seine aktuelle Situation, die Chancen gegen den FCB und Leverkusens Ziele.


    weiter hier

    LEVERKUSEN: Coach möchte Kader optimieren – Montoya ein Kandidat


    Zwei Punkte trennen Bayer von Minimalziel Platz 4. Dort rangiert Samstag-Gegner Hannover 96, was die Partie in gewisser Form schon zum Schlüsselspiel macht. Verliert Bayer, reißt eine Lücke zu den Champions-League-Plätzen auf.


    Die Voraussetzungen, um in Hannover nicht erneut überflüssig Punkte liegen zu lassen, haben sich mit Ablauf der Länderspielpause verbessert. Kapitän Simon Rolfes und Gonzalo Castro stehen nach Verletzungen wieder zur Verfügung. So muss Roger Schmidt auf der Doppelsechs nicht mehr zur „Notlösung“ Hakan Calhanoglu greifen, der wieder auf seine Spielmacherposition vorrücken kann. Bayers Trainer dürfte einen der zwei Sechser neben Lars Bender bringen. Stefan Reinartz hingegen muss nach einem Bruch der Augenhöhle noch länger auf sein Comeback warten. Steht der 25-Jährige wieder auf dem Platz, wird es wohl seine Abschiedstournee. Nachdem der Nationalspieler Anfang 2014 ein Angebot zur Vertragsverlängerung ausschlug, hat der Werksklub keine Initiative mehr gezeigt. Umgekehrt ist Reinartz bei anderen Klubs im Gespräch. Gladbach soll zu den potenziellen Interessenten gehören.


    Reinartz könnte sich im Sommer verabschieden. Doch bereits im Winter möchte sich Bayer 04 verstärken, wie Schmidt beiläufig in einem Interview mit dem Klub-TV verriet. Auf die Frage, was denn noch im Bayer-Spiel perfektioniert werden müsse, nannte der Trainer höhere Effizienz, bessere Abstimmung im mannschaftlichen Verhalten – „und natürlich müssen wir den Kader optimieren. Wir haben einen sehr guten, aber man muss immer sehen, welche Möglichkeiten bestehen“.


    Dabei geht es in erster Linie um die rechte Verteidigerposition, auf der Giulio Donati und Roberto Hilbert zwar als vorbildliche Profis geschätzt werden, aber nicht den gewünschten Mix aus Defensivstärke und offensiven Qualitäten in sich vereinen. Barcelonas Martin Montoya, bereits vor einem Jahr im Gespräch, ist einer auf der Bayer-Liste.


    Ob er oder ein anderer finanzierbar ist, ist eine andere Frage. Jonas Boldt nennt Schmidts Wunsch „völlig legitim. Wenn wir die Möglichkeit sehen, die Mannschaft zu verstärken, spricht nichts dagegen.“ Doch der Leverkusener Manager weiß: „Im Winter ist es nicht so einfach. Entweder sind die Spieler nicht verfügbar oder richtig teuer.“
    STEPHAN VON NOCKS



    Quelle: kicker-Printausgabe vom 20.11.14

    LEVERKUSEN: Im Nationalteam läuft es besser


    Auch für die Nati erzielte Josip Drmic kein Tor. Gegen Litauen ging der Schweizer, der für Leverkusen erst einen Treffer beim 1:4 in Wolfsburg erzielte, erneut leer aus. Dass er nun nach dem 4:0 trotzdem als Matchwinner gefeiert wurde, lag daran, dass er nach seiner Einwechslung an allen Toren beteiligt war: „Es war eine große Erlösung für mich“, so Drmic, der beim 1:0 Pech hatte, da sich Litauens Keeper Arlauskis den Ball selbst in die Maschen boxte. „Wir hoffen, dass ihm dieses Erfolgserlebnis gut tut“, sagte Manager Jonas Boldt, der die Gerüchte über eine Ausleihe Drmics lächelnd abtut: „Kein Thema. Josip soll sich hier durchsetzen.“


    Das gelang Drmic bislang nicht und schlägt doppelt ins Gewicht, weil auch Torjäger Stefan Kießling aktuell nicht trifft. Einer, der sich in die Angreifer gut reindenken kann, ist Rudi Völler. Der Sportdirektor beruhigt die Skeptiker: „Natürlich ist es ärgerlich für die Jungs, dass sie nicht treffen. Aber es darauf zu reduzieren, ist oberflächlich. Wir haben Chancen, das ist Ausdruck fußballerischer Qualität. Der schlimmste Fall wäre, wenn wir keine Chancen herausspielen würden.“ Und: „So ist es eine Frage der Zeit, wann wir treffen.“ Allenfalls „etwas mehr Entschlossenheit“ mahnt Völler an, Drmic („Ich spüre zu wenig Vertrauen“) rät er: „Er muss den Trainer überzeugen.“


    Ein der breiten Öffentlichkeit wenig bekannter Leverkusener Stürmer geriet in England in die Schlagzeilen. U-19-Angreifer Marc Brasnic (18, 11 Tore in 9 A-Junioren-Bundesligaspielen, 5 Treffer in 4 Youth-League-Partien) wird beim FC Arsenal oder Manchester City gehandelt. Brasnic, der für Kroatiens U 19 spielt, steht bis Sommer unter Vertrag. Bayer kann per Option jedoch bis kurz vor Vertragsende verlängern. Wie die U-19-Kollegen Benni Henrichs (17, Mittelfeld), Robin Becker (17, Rechtsverteidiger) und Lukas Boeder (17, Innenverteidiger) soll Brasnic im Januar mit ins Winter-Trainingslager nach Florida reisen.
    FRANK LUßEM



    Quelle: kicker-Printausgabe vom 17.11.14

    Bayer steht vor dem Einzug ins Achtelfinale, auch wenn RUDI VÖLLER (54) noch warnt. Doch die Chance auf den Gruppensieg ist realistisch.

    Von Roger Schmidt weiß man, dass er Rückpässe nicht liebt. Im Gegenteil, in einem Interview verriet er vor Monaten, dass dieses Stilmittel des Defensivfußballs ihm Magengeschwüre verursache. Doch irgendwie ist in Leverkusen alles anders, alles im Fluss, alles entwickelt sich – auch der Trainer. Und so nickte er zustimmend und zufrieden, als Hakan Calhanoglu am Dienstag im Zenit-Stadion kurz vor Schluss die Kugel über 40 Meter zurück zu Bernd Leno spielte.


    Bayer Leverkusen befindet sich in einem Lernprozess, der längst nicht abgeschlossen ist. Das Zusammenwachsen des Teams, verbunden mit dem Einstudieren der so nötigen Automatismen, kann mitunter durchaus Schmerzen verursachen. Weil ja auch noch Gegner auf dem Platz stehen. Doch die Fortschritte sind unverkennbar – trotz schwacher Spiele wie in Magdeburg und Hamburg. Gegen Zenit St. Petersburg (Rudi Völler: „Das ist eine starke Mannschaft. Gegen die zweimal zu gewinnen, das ist schon ein Pfund!“) bewies die Elf jene mentale Stärke, die zuletzt vermisst wurde. Und schickt sich an, erstmals als Gruppensieger in ein Achtelfinale der Champions League einzuziehen. „Die Tür ist weit auf“, sagt Ömer Toprak, „jetzt wollen wir auch als Erste durchgehen.“


    Sechs Punkte gegen den russischen Topverein – diese Bilanz kann sich in der Tat sehen lassen. Wie Bayer mit Topstars wie Hulk, Witsel, Rondon oder Danny (ein Quartett, dessen Marktwert sich insgesamt auf über 100 Millionen Euro beläuft) teilweise umsprang, das verblüffte nicht nur die Russen, die eigentlich ein Opfer erwartet hatten. Diese Rolle spielten sie nun selbst, auch weil Bayer den Gegner in Grund und Boden lief: Satte 10 Kilometer gemeinschaftliche Laufarbeit mehr als Zenit standen am Ende unter dem Strich – statistischer Ausdruck einer Energieleistung, die vieles aussagt über den Willen, der diese Mannschaft mitunter beseelt, zum Leidwesen ihrer Fans eben noch nicht immer.


    Ebenfalls beachtlich: Mit Tin Jedvaj und Julian Brandt standen zwei 18-Jährige in der Startelf, Calhanoglu ist auch erst 20, mit Levin Öztunali kratzt ein weiterer Teenager an die Tür, Spiel-Entscheider Son ist 22. Leidenschaft ersetzt bei diesen Spielern Erfahrung, sie nehmen die große Bühne Champions League an. Fehler werden akzeptiert, schnelles Lernen aber vorausgesetzt.


    Neun Punkte nach vier Spielen lassen Bayer zuversichtlich in die europäische Zukunft schauen. Es müsste schon mit dem Teufel zugehen, sollte das Achtelfinale noch verpasst werden, auch wenn Rudi Völler warnt: „Wir sind zufrieden mit der Bilanz. Aber wir sind noch nicht durch.“


    Dazu reicht allerdings bereits ein Punkt im nächsten Spiel gegen Monaco. Um sicher Gruppensieger zu werden und den fetten Brocken im Achtelfinale aus dem Weg zu gehen, braucht es einen Sieg. Das Hinspiel gewann Monaco mit 1:0 gegen überlegene Leverkusener. Deren Manko seinerzeit: Sie konnten ihre Chancen nicht verwerten. Am Dienstag hatten sie nur drei. Und erzielten zwei Tore. Gelernt ist eben gelernt.
    Frank Lußem



    Quelle: kicker-Printausgabe vom 06.11.14

    LEVERKUSEN: Bayer-Profis haben ihre Nerven nicht im Griff – Schiedsrichterschelte inklusive


    Seit Samstag ist in Leverkusen die Bereitschaft gesunken, sich wegen der fünf Platzverweise, die Bayer-Spieler in dieser Saison in drei Wettbewerben kassierten, groß Gedanken zu machen. Angesichts der Vorkommnisse von Hamburg fragt sich nicht nur Rudi Völler, „für was wir Rote Karten kriegen. Wir fühlen uns da schon ein wenig benachteiligt. Wenn ein Rafael van der Vaart ein Foul nach dem anderen macht, dann muss das doch auffallen. Natürlich hätten wir uns gewünscht, dass uns der Schiedsrichter ein bisschen besser geschützt hätte. Das war ja von der ersten Minute an nicht nur für Hakan Calhanoglu, sondern für alle ein Spießrutenlauf. Eine Gelb-Rote Karte für die Hamburger wäre sicher kein Skandal gewesen bei der ein oder anderen Aktion. Und dann wäre das Spiel anders gelaufen.“


    Nun, Schiedsrichter Florian Meyer fiel an diesem Tag nicht viel auf. Wie eine Flutwelle schwappte das Geschehen über ihn hinweg, natürlich auch aufgeheizt durch die Zuschauer, die Calhanoglu permanent auspfiffen und bei einem Freistoß bewarfen. Alles in allem aus Leverkusener Sicht ein Spiel zum Vergessen. Und allgemein vor allem in der ersten Halbzeit ein Lehrbeispiel dafür, wie man auf dem Rasen nicht miteinander umgehen sollte.


    Dass Meyer es nicht schaffte, die ständigen Fouls zu unterbinden, dass er nicht vermochte, sich Respekt auf dem Platz zu verschaffen, begünstigte, „dass es fast eskaliert ist“, befand Bernd Leno. So gelang es Bayer nicht, den fußballerisch limitierten Gegner zu dominieren. Stefan Kießling räumte eine Mitschuld ein: „Jeder hat gesehen, wie hitzig es war. Wir haben uns anstecken lassen, das war nicht richtig. Wir hätten uns aufs Fußballspielen konzentrieren müssen.“


    Dies gelang nicht, und in Leverkusen müssen sie nun analysieren, ob es wirklich nur an der Gangart des Gegners lag oder ob die Souveränität fehlte, mit dieser Art Gegner umzugehen. Mentale Stärke sollte zum Repertoire einer Spitzenmannschaft gehören. Bayer kam sie sowohl beim Viertligisten Madgeburg abhanden als auch in Hamburg, wo keiner auf dem Platz in der Lage war, beruhigend auf die Situation einzuwirken. Lenos Fazit: „Die Unruhe hat uns aus dem Konzept gebracht.“ Und Bayer in der Tabelle aus dem Tritt: „Wir haben vier, fünf Punkte zu wenig für den Aufwand, den wir betrieben haben“, rechnete Völler vor.


    Den einen Zähler, der für Leverkusen möglich gewesen wäre, verhinderte der Innenpfosten. Zum elften Mal in dieser Saison landete ein von einem Leverkusener geschossener Ball am Aluminium, Spitzenwert in der Liga. Calhanoglu hatte in dieser allerletzten Szene übrigens für Karim Bellarabi fein aufgelegt und damit trotz aller Anfeindungen für die einzige ordentliche fußballerische Aktion gesorgt – dass es am Ende nichts einbrachte, passte zu diesem Tag.



    Quelle: kicker-Printausgabe vom 03.11.14

    LEVERKUSEN: Mit Reinartz fällt bereits der vierte defensive Mittelfeldspieler aus


    Möglicherweise wird Schiedsrichter Manuel Gräfe am Sonntag noch das eine oder andere Mal der Schreck in die Glieder gefahren sein, als er das brutale und rücksichtslose Einsteigen von Marco Höger gegen Stefan Reinartz in der TV-Wiederholung ansehen musste. Eine Attacke, die zwingend Rot hätte nach sich ziehen müssen – dem Opfer bringen sie voraussichtlich drei Monate Zwangspause ein. Stefan Reinartz wird in dieser Woche an der gebrochenen rechten Augenhöhle operiert.


    Mit ihm fällt Bayer der nächste Sechser aus. Simon Rolfes musste an der Syndesmose operiert werden, er befindet sich im Aufbautraining. Gonzalo Castro erlitt wiederholt Muskelfaserrisse, wird noch mindestens zwei Wochen fehlen. Lars Bender fehlte wegen Sehnenproblemen, die Alternative Tin Jedvaj zog sich am Samstag selbst aus dem Verkehr. Bei ihm sah Gräfe besser hin, die Rote Karte wird wohl zwei Spiele Sperre nach sich ziehen. Im Pokal in Magdeburg könnte der mitunter etwas hitzige Kroate dennoch ran. Für die Partie in Hamburg wird Roger Schmidt sich etwas einfallen müssen. Wie in Stuttgart erneut Hakan Calhanoglu zurückzuziehen, könnte eine Möglichkeit sein. Allerdings macht der Techniker keinen Hehl daraus, dass ihm der kurze Weg zum gegnerischen Tor eigentlich eher liegt.


    Eine andere Möglichkeit wäre Levin Öztunali. Der gebürtige Hamburger stand jedoch in den beiden Spielen gegen Zenit St. Petersburg und Schalke nicht im Kader, möglicherweise machen sich hier gerade die normalen Leistungsschwankungen bemerkbar, denen ein 18-Jähriger eben unterworfen ist.


    Deshalb kommt Kyriakos Papadopoulos ins Spiel. Der griechische Innenverteidiger ist durchaus in der Lage auf der Doppelsechs zu agieren, machte dies nach Einwechslungen schon häufiger. Abzuwarten bliebe, wie „Papa“ die höheren körperlichen Belastungen auf dieser Schlüsselposition verkraftet.


    Ansonsten sorgte das zweite Spiel ohne Gegentor für Diskussionen über eine veränderte Spielweise. Allerdings: Gepresst wurde auch am Samstag. Es scheint jedoch ein Lernprozess in Gang gesetzt worden zu sein, der greift. Des Trainers Vorgaben werden mit etwas mehr Bedacht umgesetzt. So kann die Konzentration hochgehalten werden. So werden individuelle und mannschaftstaktische Fehler minimiert. So werden Punkte geholt.



    Quelle: kicker-Printausgabe vom 27.10.14

    HAKAN CALHANOGLU (20) erwartet ein Spießrutenlauf in Hamburg. Doch Vertraute glauben, dass der Druck den Leverkusener zur Topform animiert.


    Natürlich hatte Dennis Diekmeier das Augenzwinkern mitgeliefert. Auf einem Fan-Talk sollte Hamburgs Rechtsverteidiger Anfang Oktober diesen Satz vervollständigen: „Wenn Hakan Calhanoglu auf dich zuläuft und der Schiedsrichter wegschaut . . .“ Diekmeier grinste frech in die Runde und sagte: „Dann frage ich ihn nach seiner Krankschreibung.“ Die Lacher wusste er mit dieser Antwort auf seiner Seite. Kommenden Samstag aber wird es ernst – Calhanoglu kehrt erstmals mit Bayer Leverkusen nach Hamburg zurück. Und weiß selbst, dass zumindest das Vorspiel für ihn nicht lustig wird. Aber wer lacht am Ende?


    Der in Mannheim geborene Kunstschütze (zuletzt am Samstag gegen Schalke!) machte keine Anstalten, seinen Auftritt kürzlich im Sportstudio als PR-Offensive in eigener Sache zu nutzen. Prompt merkten Kritiker an, es sei naiv gewesen, nach dem von lautem Krach begleiteten Abgang aus Hamburg keine leisen und reuigen, eben branchenübliche, Töne vor der brisanten Begegnung angeschlagen zu haben. Doch war Calhanoglu tatsächlich nur naiv? Oder war es nicht auch ein von Echtheit geprägter TV-Auftritt? Nicht clever und weichgespült verkaufte sich der türkische Nationalspieler, er schilderte ungefiltert seine Sicht der Dinge zum Wechsel an den Rhein. Und demonstrierte damit exakt jenes Selbstverständnis, mit dem er in seinen zwölf Monaten an der Elbe auch die Hamburger Anhänger samt Medienvertreter in Windeseile verzückt hatte: Gleich bei seinem ersten Pressetermin, einer kleinen Runde während des Trainingslagers am malerischen Wörthersee, hatte er mit gerade einmal 19 Jahren einerseits bemerkt, dass beim HSV alles ein bisschen größer als bei seinem Ex-Klub Karlsruhe sei, andererseits aber auch gleich mal seine Ansprüche untermauert, obwohl ein gewisser Rafael van der Vaart nur einen Querpass entfernt auf der Sonnenterrasse saß. Doch er ist vom Naturell her der Typ für den Steilpass, also spielte er ihn auch verbal: „Mein Traum ist die Nummer 10.“


    Calhanoglu gebraucht mitunter große Worte. Doch zumeist flüstert er sie mehr, als dass er sie herausposaunt. Vielleicht klingen sie auch deshalb nicht großspurig aus seinem Mund. In Hamburg galt er direkt als „frisch“, als „unverbraucht“ und „mutig“. Weil er auch genauso spielte. Als die persönliche Statistik nach seinem ersten Bundesliga-Halbjahr beachtliche fünf Tore und zwei Assists aufwies, verkündete der Youngster voller Überzeugung: „In der Rückrunde werde ich noch stärker, weil ich jetzt die Liga besser kenne.“ Den Nachweis lieferte er prompt: sechs Tore und zwei Vorlagen in der Rückserie, darunter lebensnotwendige Treffer im Abstiegskampf. Als dem Bundesliga-Dino das Wasser Ende April bis zum Hals stand, stellte er sich, ausgerechnet vor dem Duell mit dem FC Bayern, für den kicker vor die ewige Bundesliga-Uhr im Inneren der Arena zum Fototermin und verkündete beinahe ungerührt: „Ich bin ganz sicher, diese Uhr läuft nicht ab!“ Wenn Calhanoglu vor der Rückkehr in die Hansestadt und dem bevorstehenden Spießrutenlauf nun erklärt, er könne die Anfeindungen gegen seine Person nicht verstehen, dann entspricht das tatsächlich seinem Empfinden. Die Fäden im Hintergrund ziehen Berater Bektas Demirtas und noch mehr Vater Hüseyin, der die Triebfeder für den mit aller Macht erzwungenen Wechsel zu Bayer 04 gewesen sein soll. Für Hakan zählt in erster Linie der Fußball, das Spiel. „Und ich habe bis zum Schluss alles für den HSV gegeben. Deshalb kann ich die Reaktionen nicht nachvollziehen.“


    Dass Calhanoglu seine Krankschreibung öffentlich ebenso wenig bereut wie sein Eindringen in eine Vorstandssitzung am Tag vor dem Relegationshinspiel gegen Greuther Fürth mit dem Ziel, die Freigabe zu erlangen, mag ein Hinweis auf gewisse Unbedarftheit sein. Es ist vor allem aber auch ein deutliches Zeichen, dass er die Pfiff e der Hamburger Fans nicht fürchtet. Ein Blick in seine Vergangenheit lässt zudem die These zu, dass ihn diese auch nur wenig beeindrucken werden. Oliver Kreuzer, der nun von Calhanoglus Seite der Lüge bezichtigte Entdecker des Kunstschützen, wies bereits während der gemeinsamen Hamburger Tage darauf hin, dass extreme Drucksituationen den Hochbegabten schon immer zu Höchstleistungen getrieben haben. „Hakan“, sagte Kreuzer, „mag besonders die Momente, in denen es auf ihn ankommt, wenn alle auf ihn blicken. Er will dann der ganzen Welt zeigen: Ich mach euch das!“ So lernte der 48-Jährige schon den Karlsruher Jugendspieler Calhanoglu kennen, der es als 17-Jähriger nicht für nötig hielt, sich während seiner ersten Schritte bei den KSC-Profis im Wintertrainingslager hinten anzustellen. Und so erlebte er einen Teenie, der sich im entscheidenden Aufstiegsspiel der Badener in der 89. Minute wie selbstverständlich den Ball schnappte, um ihn aus über 30 Metern Torentfernung in die Maschen zu jagen. Karlsruhe war wieder zweitklassig. Weil Calhanoglu nicht nur ein erstklassiges Nervenkostüm besitzt, sondern weil – bei aller Raffinesse – die mitunter geniale Einfachheit sein Spiel regiert. „Ich konnte schon immer gut schießen“, sagt er. Also schießt er eben, ganz gleich ob in der 3. Liga, der Bundesliga oder mittlerweile in der Champions League. Und am Samstag auch mal wieder in der Hamburger Arena.


    Die Blicke werden dann mehr denn je in der noch jungen Karriere auf ihn gerichtet sein und HSV-Verteidiger Heiko Westermann prophezeit dem Ex-Kollegen einen heißen Tanz. „Es wird natürlich brisant für Hakan. Die Hamburger werden nicht vergessen haben, wie es zu Ende gegangen ist.“ Und die Spieler? Westermann lächelt zunächst verschmitzt und wird dann ernst. Calhanoglu ist keine persona non grata innerhalb des HSV-Kaders. Einige Profis nahmen ihm den Abgang übel, andere pflegen immer noch beinahe freundschaftlichen Kontakt zum Neu-Leverkusener. Westermann sagt deshalb: „Es wird darum gehen, dass wir ihm auf dem Platz Druck geben, dass wir ihn zu packen kriegen, damit er seine Qualitäten nicht einbringen kann.“ Der Routinier weiß, dass der Faktor Nervosität kaum eine Rolle spielen wird beim erst 20-Jährigen. „So wie ich Hakan in dem einen Jahr kennengelernt habe, werden ihn die Pfiffe nur wenig beeindrucken.“


    Um die Psyche ihrer Nummer 10, so viel scheint gewiss, brauchen sich Leverkusens Verantwortliche am kommenden Samstag wenig Gedanken machen. Bayer-Coach Roger Schmidt scheint das zu wissen, urteilt grundsätzlich: „Auf seine Weise regelt er auch die Dinge neben dem Platz, und er macht das bemerkenswert.“ Sorgen müssen sich eher die Hamburger. Vor einem Calhanoglu, der es allen zeigen will. Entdecker Kreuzers Einschätzung über die Ur-Eigenschaft des Typen und Fußballers Calhanoglu jedenfalls klingt wie eine Bedrohung für den Ex-Klub: „Hakan liebt Druck.“ Und der könnte für ihn in Hamburg kaum größer sein.
    SEBASTIAN WOLFF



    Quelle: kicker-Printausgabe vom 27.10.14

    Auch BAYER LEVERKUSEN hält Kurs aufs Achtelfinale. Gegen St. Petersburg belohnen sich die Profis von Trainer Roger Schmidt für einen Reifeprozess.


    Durchhänger in der Liga, doch in der Königsklasse souverän auf Kurs – damit folgt Bayer Leverkusen dem Beispiel des BVB, auch wenn die Ausschläge bei der Werkself jeweils nicht ganz so extrem sind. Nach der verspielten 3:0-Führung beim 3:3 in Stuttgart hatte Trainer Roger Schmidt der Möglichkeit zur Wiedergutmachung entgegengefiebert: „Wir freuen uns, dass wir direkt die Gelegenheit haben, uns über 90 Minuten anders zu präsentieren.“ In der Tat darf das 2:0 über St. Petersburg am Mittwochabend sogar als taktischer Reifeprozess gewertet werden, den so kurzfristig niemand erwartet hätte. Nach dem jüngsten Harakiri trat Bayer betont sachlich und diszipliniert auf, wurde für das Geduldsspiel umgehend belohnt.


    Ganz im Sinne des verletzten Gonzalo Castro, der zur Pause auf Sky „einen Mix aus Spektakel und Effektivität“ beschwor. Ausgerechnet ein Konter, nach resoluter Balleroberung von Karim Bellarabi gegen Hulk, stellte die Weichen auf Sieg. Und ausgerechnet Giulio Donati schloss trocken zum 1:0 ab. Der italienische Rechtsverteidiger war bisher unter Schmidt kaum zur Geltung gekommen, seine beiden bisherigen Startelf-Einsätze endeten jeweils früh und enttäuschend. Beim 3:2 im Champions-League-Play-off in Kopenhagen musste Donati zur Pause raus (kicker-Note 4,5), am vierten Spieltag in Wolfsburg sah er gar schon nach sieben Minuten wegen einer Notbremse Rot – Ausgangspunkt der späteren 1:4-Klatsche. Seine neue Chance auf Bayers neuralgischer Position nutzte Donati jetzt mit solider Defensivleistung und dem immens wichtigen Treffer. Und auch das 2:0 bedeutete für den Schützen Balsam nach einer längeren Leidenszeit: Kyriakos Papadopoulos, von verschiedenen Verletzungen gebeutelt, setzte per Kopf im vierten Joker-Einsatz für Leverkusen sein erstes Highlight. Für den emotionalen Griechen genau das passende „Warm-up“ vorm Duell mit Stammverein Schalke. Dort fühlte er sich unter Ex-Trainer Jens Keller links liegengelassen, weshalb er die Ausleihe zu Bayer forcierte. Einziger Wermutstropfen: Die Gelb-Rote Karte gegen Linksverteidiger Wendell wegen Handspiels.


    Der Einzug ins Achtelfinale würde Leverkusen Champions-League-Einnahmen von über 20 Millionen Euro bescheren. Eine Perspektive, die den am Mittwochmittag erlittenen Schreck zumindest etwas abmildert. Nach einem Urteil des Kölner Landgerichts muss der Verein den Gläubigern des 2011 pleitegegangenen Billigstromanbieters Teldafax mehr als 16 Millionen Euro früherer Sponsorengelder zurückzahlen, da der Klub zum fraglichen Zeitpunkt schon von der Zahlungsunfähigkeit gewusst haben müsse. Bayer-04-Geschäftsführer Michael Schade kündigt an, je nach Urteilsbegründung womöglich Berufung einzulegen. Derweil darf man heute getrost davon ausgehen, dass die Affäre Teldafax letztlich ausschlaggebend war für die Entlassung von Schades Amtsvorgänger Wolfgang Holzhäuser, aktuell nach wie vor im Gesellschafterausschuss des Vereins vertreten. Sollte eine etwaige Berufung nicht doch noch Erfolg haben, dürfte wohl die Bayer AG die Suppe auslöffeln und für die geforderte Summe aufkommen.



    Quelle: kicker-Printausgabe vom 23.10.14