"Wille und viel Potenzial"

  • München/Leverkusen - Insgesamt vier Jahre arbeitete Bruno Labbadia als Trainer des SV Darmstadt 98 und der SpVgg Greuther Fürth in der fußballerischen "Provinz".
    Im Sommer trat der frühere Bundesliga-Torjäger, einst bekannt und gefürchtet als "Pistolero", seine erste Trainerstation bei einem Topklub an und beerbte Michael Skibbe als Coach von Bayer Leverkusen.
    Im Gespräch mit Sport1.de zieht Labbadia nach seiner Premieren-Sommervorbereitung auf der Kommandobrücke eines Bundesligisten ein durchwachsenes Fazit.
    "Es ist schwieriger, weil man die Vorbereitungen in verschiedenen Etappen machen muss", sagt der 42-Jährige zu den Unterschieden zwischen seinen früheren Trainerstationen und seiner neuen Aufgabe.
    "Es waren Spieler bei der EM und bei der U 19. Erst seit einer Woche trainieren wir mit der kompletten Mannschaft."


    Labbadia spricht zudem über sein Spielkonzept, den Umbruch bei Bayer und die Saisonziele.


    Sport1: Herr Labbadia, mit Bayer Leverkusen trainieren Sie erstmals einen Topklub. Ist das für Sie eine Umstellung?


    Bruno Labbadia: Es ist schwieriger, weil man die Vorbereitungen in verschiedenen Etappen machen muss. Wir haben anfangs nur mit sieben Leuten aus unserem Kader trainiert, denn es waren Spieler bei der EM und bei der U 19. Wir trainieren erst seit einer Woche mit der kompletten Mannschaft. Mit Ausnahme von Bernd Schneider, Lukas Sinkiewicz, Hans Sarpei und Vratislav Gresko, die Verletzungen aus der vergangenen Saison mitgenommen haben. Es war nicht einfach. Aber man hat gemerkt, dass unsere junge Mannschaft, die wahrscheinlich die jüngste Bayer-Elf aller Zeiten ist, den Willen und viel Potenzial hat. Trotzdem: Es war eine sehr schwierige Vorbereitung, weil teilweise 13 Leute fehlten und wir dadurch nur mit einem kleinen Kader trainieren konnten.


    Sport1: Gehen Sie Ihre Aufgabe bei Bayer anders an als die in Fürth?


    Labbadia: Überhaupt nicht. Ob Darmstadt, Fürth oder jetzt Leverkusen: Ich habe die Arbeit mit der Mannschaft kaum verändert. Das einzige Neue für mich ist eben diese Vorbereitung, in der man nicht alle Spieler zur Verfügung hat.


    Sport1: Konnten sie Ihr Konzept und Ihre Philosophie trotz der schwierigen Vorbereitung umsetzen?


    Labbadia: Nein, das ist in der kurzen Zeit nicht machbar. So etwas geht nur mit der ganzen Mannschaft. Aber ich werde mich als Trainer den Gegebenheiten stellen. Wir wissen, dass wir bestimmte Elemente in den nächsten Wochen und Monaten integrieren müssen. Das ist ein normaler Vorgang. Wenn Spieler wie Rene Adler oder Simon Rolfes eben nur einen Teil der Vorbereitung mitmachen können, ist das nicht leicht.


    Sport1: Worauf haben Sie besonderen Wert gelegt?


    Labbadia: Wir haben selbst im körperlichen Bereich nahezu alles mit Ball gemacht. Natürlich lege ich Wert auf eine gewisse Ordnung und Kompaktheit. Aber das hat die Mannschaft vorher ja auch gemacht. Es gibt natürlich Dinge, die man anders macht als der Vorgänger. Daran muss sich die Mannschaft dann erst einmal gewöhnen.


    Sport1: Routiniers wie Sergej Barbarez und Carsten Ramelow haben aufgehört. Bernd Schneider ist noch nicht fit. Könnte die mangelnde Erfahrung zum Problem werden?


    Bruno Labbadia: Das kommt darauf an. Aber ich sehe das positiv. So ein junger Spieler bringt viel Elan mit. Ich habe den Jungs gesagt, dass sie eine riesige Möglichkeit haben, bei uns bereits in jungen Jahren eine Führungsrolle zu übernehmen und sich persönlich zu entwickeln. Was so nicht eingeplant war, ist die Tatsache, dass ein paar ältere Spieler wie Schneider länger ausfallen. Aber das gibt auch wieder eine neue Chance für noch jüngere Spieler.


    Sport1: Wie ist Ihr Eindruck von den Neuzugängen Patrick Helmes, Renato Augusto und Henrique?


    Labbadia: Patrick Helmes hat seine wirklich außergewöhnliche Stärke beim Abschluss. Es gibt nicht viele in der Bundesliga, die das so können. Außerdem ist er in die Mannschaft sehr schnell integriert worden, so dass ich das Gefühl habe, er sei schon länger dabei. Bei Renato Augusto und Henrique darf man nicht vergessen, dass sie beide erst um die 20 und 21 Jahre alt sind und sich erst einmal in einem neuen Land zurechtfinden müssen. Aber beide bringen Potenzial mit und man merkt ihnen an, dass sie wollen.


    Sport1: Sie haben sehr junge Spieler, die Etablierten fallen aus. Auf wem ruht jetzt die Verantwortung?


    Labbadia: Die müssen wir auf mehrere Schultern verteilen. Adler, Friedrich, Rolfes, Barnetta und Kießling gehören dazu. Ich hoffe, sie wachsen in diese Rolle hinein. Wichtig ist, dass die Verantwortung keinen Einzelnen erdrückt.


    Sport1: Kann die mangelnde Erfahrung zu einem ähnlichen Einbruch in der Rückrunde führen wie Leverkusen das letzte Saison erlebt hat?


    Labbadia: Schwer zu sagen. Eine jüngere Mannschaft hat immer größere Leistungsschwankungen als eine erfahrene Mannschaft. Aber ich bin optimistisch, dass wir die Erfahrung mit Elan und Power wettmachen können.


    Sport1: Wo sehen sie die Gründe für den Einbruch nach einer tollen Hinrunde?


    Labbadia: Das gehört der Vergangenheit an. Ich kann nur sagen, dass Michael Skibbe sehr gute Arbeit in Leverkusen geleistet hat. Er hat lange vorne mitgespielt. Das ist nicht selbstverständlich. Jetzt schaue ich positiv in die Zukunft.


    Sport1: Wie lauten die Vorgaben des Vereins?


    Labbadia: Man muss sich gewisse Ziele setzen. Das ist wichtig. Wir schätzen unsere Chancen realistisch zwischen Platz vier und Platz acht ein.


    Sport1: Also ist das internationale Geschäft, anders als bei Skibbe, keine Pflicht für Sie?


    Labbadia: Das wird man danach sehen. Das Ziel internationales Geschäft haben wir alle. Aber alle im Verein sind da realistisch.


    Das Gespräch führte Jan Reinold


    Quelle: Sport1.de