"Leverkusen vermeidet den Verlust der Herbstmeisterschaft"

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    "Leverkusen vermeidet den Verlust der Herbstmeisterschaft"


    Herbstmeister, mehr nicht: Bayer ist das beste Team der Hinrunde, aber für viele Sportjournalisten dennoch kein Anwärter auf den Meistertitel. Die Fußballpresseschau


    Bayer Leverkusen gewinnt die Herbstmeisterschaft, es ist das zweite Mal nach 2001. Erst das zweite Mal, denn Großteile der Neunziger und Nuller Jahre hat der Fußballfreund so in Erinnerung, dass Leverkusen im Winter vorne lag – und am Ende von Bayern überholt wurde. Aus dieser Zeit stammt das böse Etikett "Vizekusen". Jedenfalls kann kein Fußballchronist über Leverkusen schreiben, ohne das Scheitern mitzudenken.
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    In der WAZ steht heute die treffendste Pointe geschrieben, die Redaktion greift zur doppelten Verneinung: "Bayer vermeidet den Verlust der Herbstmeisterschaft." Andererseits glaubt Jens Witte an den "enormem Reifeprozess" (Spiegel Online), den das Team durchlebt habe: "Titelträume statt Titeltrauma". Der kicker hätte es nicht besser stabreimen können.


    Der entscheidende Anteil wird dem Trainer zugeschrieben, "Big Jupp" Heynckes (B.Z. Berliner Zeitung). Heynckes, vor einem Dreivierteljahr noch ein abgeschriebener Frührentner, sei im Vergleich mit früher viel gelassener geworden – eine Eigenschaft, die bislang nicht als oberste Trainertugend galt. Nun muss die Presse Abbitte leisten. Stellvertretend für die meisten geht Klaus Bellstedt (stern.de) in und korrigiert sich: "Als Bayer Leverkusen Jupp Heynckes aus dem Hut zauberte, schüttelten viele Experten den Kopf. Heynckes, das Auslaufmodell, ein Relikt vergangener Tage, und auf der anderen Seite die junge, launische Bayer-Elf. Ein Experiment, das zum Scheitern verurteilt schien."


    Auch die Fachkenntnisse der "Vaterfigur Heynckes" (FR) stächen heraus. In einer ausführlichen Analyse der Mannschaftstaktik hebt Daniel Börlein (spox) den kleinen Unterschied zwischen Bayern und Bayern hervor: "In Bayers Spiel gibt es eine klare Maxime: Es wird extrem ballorientiert verteidigt und weniger in Räumen oder Zonen. Darin unterscheidet sich die Bayer-Taktik beispielsweise signifikant vom Auftreten des FC Bayern, der – typisch holländisch – versucht, möglichst alle Bereiche des Platzes zu jeder Zeit zu kontrollieren." So viel Interesse am Detail ist selten im deutschen Sportjournalismus.


    Andere Zeitungen betonen die Bedeutung Sami Hyypiäs, des 36-jährigen "alterslosen" (FR) finnischen Zugangs aus Liverpool. Christiane Mitatselis macht im Tagesspiegel die Rechnung auf: "Heynckes + Hyypiä = Herbstmeister" und weist darauf hin, dass bei der einzigen Niederlage Bayers unter Heynckes, dem Pokal-Aus in Kaiserslautern, Hyypiä krank war. Und als er in Schalke ausgewechselt werden musste, wurde aus einem 2:0-Vorsprung ein 2:2. Hyypiä dirigiert nicht nur lässig die Leverkusener Abwehr, er sprach auch den oberlässigsten Satz der Hinrunde: "The Bundesliga is a good league (Pause), but the Premier League is a bit more demanding."


    Frank Nägele (Kölner Stadt-Anzeiger) hebt den Leverkusener Etappensieg auf ein noch breiteres Fundament: "Das Erstaunliche war nicht die Leistung von Stars wie René Adler, Stefan Kießling und Simon Rolfes. Die heimlichen Helden heißen Daniel Schwaab, Eren Derdiyok, Stefan Reinartz und natürlich Toni Kroos. Spieler um die 20, von denen keiner erwarten durfte, dass sie monatelang Stützen des Teams sein würden."


    Nägele ergänzt aber auch: "Natürlich ist dieses Team immer noch nicht Favorit auf den Gewinn des Deutschen Meistertitels." So viel Defätismus muss also sein, schließlich kennt man die Gesänge auf das neue Sieger-Leverkusen noch aus dem Vorjahr, als Bayer unter Bruno Labbadia im November Erster war – und am Ende Neunter wurde. Auch der Herbstmeister 2008, die TSG Hoffenheim, stürzte um sechs Plätze.


    Quelle: Zeit.de