An Überflieger Adler führt kein Weg mehr vorbei

  • Nach seinen tollen Paraden gegen Russland scheint die Frage um die deutsche Nummer Eins geklärt. Doch festlegen will sich niemand.


    Vom DFB-Team berichtet Martin Volkmar


    Moskau/Hamburg - Auch nach dem vermutlich besten Spiel seiner Karriere stellt Rene Adler keine Ansprüche.


    "Was für eine Rangfolge bei den Torhütern herrscht, ist uninteressant für mich. Das hat für mich hier keine große Rolle gespielt", sagte der Matchwinner nach dem 1:0 gegen Russland.


    "Ich habe versucht, mein Bestes zu geben. Alles andere muss der Trainer entscheiden." Und auch Joachim Löw antwortete ausweichend auf die Frage, wer 2010 als deutsche Nummer Eins mit zur Weltmeisterschaft nach Südafrika fährt.


    Bundestorwarttrainer Andreas Köpke verweigerte sogar einen Kommentar zum Thema.


    Doch nahezu alle Experten sind sich einig: Nach der Gala von Moskau führt kein Weg mehr an Adler vorbei.


    "Keeper großes Glück für Deutschland"


    Am Weitesten lehnte sich dabei ein Russe aus dem Fenster. "Es war das große Glück für Deutschland und unser großes Pech, dass dieser Keeper wieder im Tor stand", sagte der ehemalige Nationaltorhüter Stanislaw Tschertschessow.
    "Eine Diskussion um die Nummer eins dürfte es in Deutschland eigentlich nicht mehr geben."


    Kahn sieht Adler im Vorteil


    Ganz so weit wollte sich Oliver Kahn nicht aus dem Fenster lehnen. Der Ex-Nationaltorwart kann sich allerdings vorstellen, dass dieses Spiel Adler einen großen Vorteil verschafft hat:


    "Man verspürt natürlich unbewusst eine gewisse Dankbarkeit, gerade den Spielern gegenüber, die in der Vergangenheit durch starke Leistungen in wichtigen Spielen den einen oder anderen Sieg gerettet haben. Das könnte natürlich bei der Vergabe der Nummer eins eine große Rolle spielen."


    Nur Lehmann meckert


    Nur der unmittelbare Vorgänger sieht Adler skeptisch. "Es ist schon eine kuriose Entwicklung", sagte Jens Lehmann vor dem Spiel der "Bild":


    "Am Anfang der Saison wurde Rene Adler nicht eingeladen, weil er dem Trainer nicht gut genug erschien. Dann war er dabei, weil ein Länderspiel in Leverkusen stattfand. Und durch Robert Enkes Erkrankung ist er plötzlich die Nummer 1."


    Zwar zeigen Lehmanns Aussagen die Missgunst des Aussortierten, denn er selber hält sich nach wie vor für den besten deutschen Torwart und würde am liebsten auch die WM 2010 spielen. Einen wahren Kern haben sie aber dennoch.


    Verletzung und Talfahrt mit Leverkusen


    Adler hatte wegen einer Ellbogenverletzung sein Heim-Länderspiel in der Geburtsstadt Leipzig im März gegen Liechtenstein verpasst und danach mehrere Wochen pausieren müssen. Hinzu kam die Talfahrt mit Bayer Leverkusen in der Rückrunde.


    Dementsprechend fiel er im Vierkampf mit Robert Enke, Manuel Neuer und Tim Wiese zurück und wurde im ersten Spiel der Saison im August in Aserbaidschan nicht berufen.


    Im September zeigte Adler dann in Leverkusen eine glänzende Leistung beim 2:0 gegen Südafrika, doch im Tor war Enke gesetzt.


    Erst die Viruserkrankung des Hannoveraners ließ den 24-Jährigen wieder auf die Pole Position rücken, die er nun gegen Russland nach seinem erst siebten Länderspiel fast uneinholbar ausgebaut haben dürfte.


    "Nie das Gefühl, dass ein Tor fallen könnte"


    "Er war einfach überragend. Wir hatten auf der Bank nie das Gefühl, dass ein Tor fallen könnte", lobte Andy Köpke.


    Ähnlich sah es der Bundestrainer. "Er hat in zwei, drei Szenen glänzend reagiert und die nötige Sicherheit ausgestrahlt. Rene macht einen stabilen Eindruck", analysierte Löw.


    "Er hat zweimal extrem schwierige Situationen erlebt. Zuerst bei seinem Debüt im Hinspiel gegen Russland und jetzt auch bei diesem außergewöhnlichen Rückspiel."


    Mit zahlreichen Glanzparaden brachte er die russischen Topstürmer Andrej Arschawin und Wladimir Bystrow zur Verzweiflung und machte in der Schlussphase fast im Alleingang die vorzeitige WM-Teilnahme perfekt.


    Bescheidener Matchwinner sieht noch Luft nach oben


    Trotzdem blieb der Matchwinner, der schon seit 297 Minuten im DFB-Team ohne Gegentor ist, auch bei der Bewertung der eigenen Leistung zurückhaltend.


    "Sicherlich war es das emotionalste Spiel meiner Karriere, aber das perfekte Spiel gibt es nicht. Es gibt immer Sachen, die man verbessern kann", sagte er im Gespräch mit Sport1.de.


    "Es war ein sehr gutes Spiel, was aber auch sehr auf den Torwart zugeschnitten war. Es waren viele Situationen, in denen man sich auszeichnen konnte."


    Auch die Jubelstürme von allen Seiten wollte Adler angesichts der vielen Hochs und Tiefs in seiner bislang rasant verlaufenen Laufbahn nicht überbewerten.


    "Ich weiß, wie schnelllebig das Geschäft ist. Ich habe ja auch schon die Kehrseiten kennengelernt", sagte er.


    "Werde weiter hart arbeiten"


    "Deshalb werde ich das Lob wohlwollend zur Kenntnis nehmen, dann aber weiter hart arbeiten. Nur so kann es weiter positiv laufen für mich, auch im Verein."


    Adler will seinen Weg konsequent fortsetzen und baut dabei vor allem anderem auf die Hilfe seines Leverkusener Mentors Rüdiger Vollborn, aber auch von DFB-Psychologe und Mentaltrainer Hans-Dieter Hermann.


    "Um auf diesem Niveau weitere Fortschritte zu machen, muss man auch neue Wege gehen", sagte er und freute sich vor allem über das Erlebnis im ausverkauften Moskauer Luschniki-Park:


    "Das sind genau die Spiele, für die jeder Fußballer arbeitet. Man muss da ab und zu auch mit ein bisschen Demut rangehen."


    Adler weiter: "Als ich angefangen habe, war es ein Traum für mich, einmal solche Spiele zu bestreiten. Es gibt nichts Schöneres, als in so einem Hexenkessel zu gewinnen."


    Sehr wahrscheinlich, dass Adler solche Spiele in Zukunft mit der Nationalelf noch sehr häufig erleben wird.


    Sport1