Neue Harmonie nach dem Erdbeben

  • Neue Harmonie nach dem Erdbeben


    Von Frank Nägele


    Es ist praktisch für ein Fußball-Unternehmen, wenn es die wichtigen Einzelteile des Erfolgs selbst herstellen kann. Profis aus Fleisch und Blut vermag Bayer Leverkusen zwar noch nicht zu produzieren, aber die durchsichtigen Platten, die derzeit in die spektakuläre Dachkonstruktion des Stadions montiert werden. Sie bestehen aus einem von Bayer vor über 40 Jahren entwickelten Polycarbonat namens Makrolon und sollen der Arena ein einzigartiges Lichtambiente geben. Leicht, transparent, hocheffizient das sind Attribute, die auch in der Wunschwelt der Macher des Bayer-Fußballs eine Rolle spielen.


    Bayer 04 im Jahr 2009 unterscheidet bei genauerer Betrachtung doch erheblich von Bayer 04 2008. Das ist am deutlichsten am Namen des Trainers abzulesen. Der Erneuerungswahn hat dem Vertrauen in Reife Platz gemacht. Jupp Heynckes (64) ist für Bruno Labbadia (42) gekommen, der nach einem überragenden ersten Saisondrittel alle Ziele verpasste und zudem ein einzigartig zerrütetes Verhältnis zur Mannschaft hinterließ.


    In Leverkusen sind sie froh, dass diese Episode vorbei ist. "Der Jupp strahlt eine natürliche Autorität aus", sagt Sportchef Rudi Völler, "auch wenn es immer schwieriger wird, unter die ersten fünf zu kommen, bleibt das unser Ziel." Jupp Heynckes ist klar, dass er das gegenüber dem Vorjahr kaum veränderte Team ins internationale Geschäft führen soll, nein muss. "Diese Mannschaft hat unglaublich viel Talent", erklärt der Mann, der durch seine vierwöchige Team-Reanimation in München das überraschendste Comeback der vergangenen Saison hingelegt hat.


    Obwohl die Vorbereitung bisher harmonisch verlief, hat Heynckes einen schweren Job. Im Urlaub verletzte sich Torjäger Patrick Helmes beim Spaßkicken so schwer am Knie, dass er für die ganze Vorrunde ausfällt. Im Trainingslager Borkum wurde bei Kapitän Simon Rolfes ein Innenbandeinriss im rechten Meniskus festgestellt, er wird bis zum Saisonstart nicht im Vollbesitz seiner Kräfte sein. Zudem stößt der Trainer-Nestor in ein sportliches Gebilde, das gerade einen internen Wandel vollzogen hat.


    Das Erdbeben zwischen Labbadia, Team und Teilen der sportlichen Führung hat so große Erschütterungen hinterlassen, dass Ex-Manager Michael Reschke seinen Titel verlor und nun offiziell als Laufbahnberater für Jungprofis firmiert, obwohl er weiterhin maßgeblich an Spieler-Scoutings und -Verpflichtungen beteiligt ist. "Nur halt weiter weg von der Mannschaft", wie Rudi Völler erklärt, dessen Assistent nun Jonas Boldt ist ein 27-Jähriger Management-Musterschüler, der mehrere Sprachen spricht, aber nach den Worten von Geschäftsführer Wolfgang Holzhäuser "ein reiner Zuarbeiter sein soll".


    Holzhäuser hat es aber dabei nicht belassen. Der starke Mann im Klub, seit der unsanften Entfernung der lebenden Bayer-Legende Reiner Calmund im Juni 2004 um Erdung und Anerkennung in der sportlichen Basis seines Klubs bemüht, hat Meinolf Sprink als alleinigen Presse- und Kommunikationschef installiert. Uli Dost, seit Jahrzehnten die Stimme des Fußballs, wurde mit 59 Jahren in den Vorruhestand verabschiedet. Nach außen eine Marginalie, aber intern eine Maßnahme von großer Bedeutung.


    Sprink war bis 2007 als Sportbeauftragter der Bayer AG quasi eine Art Wachhund des Konzerns über die sportlichen Belange. Danach arbeitete er als Leiter der Bayer-04-Kommunikation vor allem in Bereichen, die jenseits der fußballerischen Alltagsarbeit lagen. Jetzt ist er für die gesamte Öffentlichkeitsarbeit zuständig. Und im Stab von Holzhäuser sind alle Personen, die einst unter Calmund wichtig waren, nicht mehr da.


    Jetzt muss nur noch der Umbau im Stadion genau so beendet werden wie der im Klub. Das 70-Millionen-Projekt (Holzhäuser: "Das macht mich stolz") hinkt dem Zeitplan immer noch hinterher. Ein Umzug zum ersten Heimspiel in ein anderes Stadion käme einer Blamage gleich, aber noch schlimmer wäre, wenn im neuen Stadion dann der Fußball der letzten Rückrunde gespielt würde. Doch das glaubt keiner in Leverkusen. "Ich bin überzeugt von unserem Projekt", sagt Rudi Völler. Deshalb hat er im Frühjahr auch bis 2012 verlängert. Denn die Figur des Sportchefs ist eines der wenigen Dinge, das bei Bayer weder einer Erneuerung noch eines Umbaus bedarf.


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