RP: In der Not kommen auch schon mal kühne Gedanken

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    In der Not kommen auch schon mal kühne Gedanken


    Das hat auf den ersten Blick alles so gut ausgesehen für Bayer, für einen Neubeginn nach albtraumhaften Erlebnissen zuvor auf dem Rasen und auf der Funktionärsebene mit mies illoyalen Kräften. Es kommt nach einer fast desaströsen Saison ein neuer Trainer, der schon Großes genug geleistet hat, um Respekt zu genießen. Jupp Heynckes besitzt tatsächlich eine natürliche Autorität. Doch noch ehe der 64-Jährige ein Bein auf Leverkusener Rasen gesetzt hat, ist er mit Rudi Völler als Macher gefordert, als ein mit Augenmaß handelnder oberster Übungsleiter. Keine Frage Leverkusen ist nun in großer Not nach dem Unfall von Patrick Helmes. Ein Stürmer, der 21 Tore in der Meisterschaft gemacht hat, bewirkt durch sein Fehlen bei Vorgesetzten und Kollegen ein höchst unangenehmes Magendrücken und hinterlässt natürlich eine ziemlich große Leerstelle. Dass Helmes den Fans und neutralen Beobachtern zuweilen arg nonchalant und manchmal auch unerträglich lauffaul erschienen sein mag, spielt nur eine untergeordnete Rolle. In Helmes‘ Ausfall aber liegt auch eine Chance für Richard Sukuta-Pasu zum Beispiel. Der noch 18-Jährige steht als (gegenwärtig einziges) Talent für die immer als sehr gut behauptete Nachwuchsarbeit bei Bayer. (Sie hat außer René Adler und Gonzalo Castro allerdings über Jahrzehnte nichts hervorgebracht, was Bayers hohem, besonders internationalen, Anspruch angemessen wäre.) Sukuta tauglich für die Bundesliga oder nicht das ist die Gretchenfrage und nicht, ob er übers Ausleihen an Klasse-Merkmalen gewinnt. Das ist Bayer schon erbärmlich oft misslungen, so dass man sich zunehmend bei anderen Klubs bedienen muss wie bei Freiburg mit Schwaab oder bei München 60 mit Lars Bender. Heynckes ist zuzutrauen, dass er auch auf Sukuta setzt. Dass der frisch wirkende Bayer-Coach in seine Überlegungen eine Art der Resozialisierung des zum Außenseiter gestempelten Gekas einbezieht, ist ein kühner Gedanke. Wenn‘s glückt, wär‘s ein Meisterstück der Psychologie.
    Udo Bonnekoh



    Quelle: Printausgabe der Rheinischen Post