Berlin: Das heilende Zauberwort

  • Das heilende Zauberwort


    Von Frank Nägele und Christian Oeynhausen, 28.05.09, 10:25h, aktualisiert 28.05.09, 10:30h
    Spannnungen mit dem Trainer, schlechte Ergebnisse: Die Fahrt zum Pokalfinale lässt die Profis von Bayer Leverkusen alles vergessen. Kapitän Simon Rolfes nimmt die Mannschaft in Schutz: „Es gibt viele Gründe dafür, warum es zuletzt nicht geklappt hat.“



    LEVERKUSEN - Mittwochmittag unter der Autobahn ist die Stimmung heiter in Leverkusen. Kindergruppen, womöglich organisierte Kita-Flüchtlinge in Streiktagen, spielen im Bausand neben dem Trainingsgelände des örtlichen Fußball-Vereins. Die Zaungäste machen sich schon auf den Heimweg, denn die Übungseinheit ist beendet. Nur Simon Rolfes hält es auf dem Platz. Der Kapitän übt Elfmeter mit Torhüter Dominik Fernandez. Könnte ja sein, dass er so etwas am Samstagabend im Pokal-Finale gegen Werder Bremen noch gebrauchen kann. Die ersten 15, 20 Versuche schlagen wie Blitze in den Ecken des Tores ein. Danach ist Schicht. Ein Trainingstag weniger vor dem Finale.


    Alles, was zuletzt bleischwer über Verein und Mannschaft lag, scheint durch das Zauberwort Berlin wie weggefegt. „Es ist ein wunderschönes Gefühl, etwas ganz Besonderes, das letzte Spiel des Jahres zu haben, das Highlight, und alle schauen drauf. Das ist ganz wunderbar.“ Rolfes weiß, wovon er spricht. 2004 war der heute 27-Jährige schon einmal Teilnehmer des Endspiels im DFB-Pokal. Obwohl er keine Minute gespielt hat für Werder Bremen, den späteren Sieger, klingt er immer noch fasziniert. „Ich war dabei, und ich weiß, dass viele unserer Spieler überrascht sein werden von der Atmosphäre.“


    So spricht der Kapitän einer Mannschaft, die ein furchtbares halbes Jahr hinter sich hat. Versagen in der Bundesliga, nur ein Heimsieg in sieben Versuchen. Diplomatische Störungen zwischen Trainer und Mannschaft. Sämtliche Ziele verpasst. Das alles zählt nicht in diesen Tagen. „Momentan gibt es für uns nur das Finale, da sind die andere Sachen völlig sekundär.“ Die anderen Sachen, das ist die Art, wie Bayer 04 Fußball gespielt hat, wenn nicht Pokal war. Rolfes erklärt die fußballerische Schizophrenie seiner Mannschaft so: „Wir haben schon zu Beginn dieser Saison beschlossen, dass der DFB-Pokal unser Europacup sein wird. Und das haben wir dann durchgezogen.“ Rolfes gibt zu, dass diese Auftritte „völlig konträr zu Bundesliga“ gewesen seien. „Wenn du irgendwann Neunter in der Liga bist, mit zehn Punkten Rückstand, dann bist du ganz schön deprimiert. Es war dann viel besser, es irgendwann zu trennen.“ Wieder diese Schizophrenie. „Ja, du merkst halt, dass es im Pokal fantastisch läuft, aber die Liga ist der Alltag. Du kannst nicht jedes Ligaspiel angehen wie ein Pokalspiel, da zeigt sich, wer stabil ist. Und wir hatten die Stabilität eben nicht.“


    Über die Gründe dafür mag Rolfes am liebsten nicht reden. Aber die Distanz zwischen Mannschaft und Trainer Bruno Labbadia ist fühlbar. In jedem Satz, der gesagt und ungesagt bleibt. „Es gibt so viele Ansatzpunkte dafür, warum es zuletzt nicht geklappt hat, aber da will ich drei Tage vor dem Pokalfinale nicht zu viele Gedanken dran verschwenden“, sagt der Kapitän. Aber den Vorwurf, die Mannschaft sei zu weich, will er so nicht stehen lassen. „Wenn man nur die Ergebnisse sieht, mag viel dafür sprechen, aber es spricht auch viel dafür, dass es viele verschiedene Gründe gibt. Wir haben so viele Nationalspieler in den Reihen, und Nationalspieler zu sein, auch ein junger, ist ein Zeichen von Qualität und kein Vorschuss.“


    Die konkrete Trainerfrage muss sich der Kapitän natürlich auch gefallen lassen. „Wenn es nicht gut läuft, ist es eben nicht alles wunderbar und nicht jeder liegt sich in den Armen. Und das ist mit Sicherheit so.“ Simon Rolfes sagt das so locker und entspannt, als seien solche Dinge ab sofort nicht mehr wichtig. Denn für das, was jetzt kommt, braucht keine Profi-Mannschaft am Ende der Saison mehr einen, der ihm sagt, dass er alles geben muss. Es ist das letzte Spiel, das Endspiel. „Und danach geh ich erst mal in Urlaub“, sagt Simon Rolfes, „Analysen sollen dann andere machen.“


    Könnte sein, dass die Analysen schon gemacht sind. Vieles spricht sogar dafür. Vor allem die entspannte Stimmung bei den Spielern und ihrem Kapitän:


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