Pleite gegen Leverkusen: Bayern macht niemandem mehr Angst

  • Von Christoph Biermann, Düsseldorf


    Verunsicherte Abwehrspieler, ein Vakuum im Mittelfeld, ein einsamer Stürmer: Die DFB-Pokal-Niederlage des FC Bayern in Leverkusen war ein Gesamtkunstwerk des Versagens. Klinsmanns Team hat auch nach zwei Dritteln der Saison noch keine spielerische Identität.


    Man kann sicherlich nicht behaupten, dass sie eine mächtige Demonstration des Fan-Willens waren. Aber die Rufe am Mannschaftsbus des FC Bayern waren nicht zu überhören.


    "Klinsmann raus!", krakeelten einige Anhänger hinter der LTU-Arena in Düsseldorf, wann immer sie ein Mitglied der gescheiterten Pokalexpedition der Münchner sahen. 2:4 (0:0) hatten die Bayern in einem großartigen Pokalspiel verloren, zu dessen Erlebniswert auch sie als Verlierer einiges beigetragen hatten. Nach dieser Niederlage bleibt die Debatte um Trainer Jürgen Klinsmann in Gang. Daran werden auch die Bremsversuche von Uli Hoeneß nichts ändern.


    Als er gefragt wurde, wie man die Trainerdiskussion verhindern könne, antwortete der Manager: "Indem man solche Fragen nicht beantwortet." Doch das wird so wenig helfen wie sein Versuch, eine Wagenburg um die Mannschaft zu bauen. "Wir werden auf keinen Fall dem nachgeben, was die Medien seit Wochen versuchen: totale Unruhe in den Verein zu bringen und einen Keil zwischen Trainer und Mannschaft zu treiben", sagte Hoeneß. Nur klang er dabei eher nachdenklich als kämpferisch, denn in diesem Jahr kommt der FC Bayern einfach nicht auf die Beine.


    Abgesehen von dem völlig losgelösten 5:0-Sieg in der Champions League bei Sporting Lissabon stehen in der Bundesliga trübe vier Punkte aus fünf Spielen zu Buche und im DFB-Pokal nun das Aus.


    Die Niederlage bei Bayer Leverkusen offenbarte einige bedenkliche Aspekte, denn es ging nichts von dem auf, was sich Klinsmann für dieses Spiel ausgedacht hatte.


    Vor allem produzierte er ein Vakuum im Mittelfeld. Zé Roberto wurde von dort nach hinten abkommandiert, um Philipp Lahm hinten links zu vertreten. Auf der Position von Zé Roberto blieb Andreas Ottl wieder einmal so farblos wie Tim Borowski, der auf der Position des Spielmachers nun aber auch gar nichts zu suchen hat. Auch die Entscheidung, aufgrund des Fehlens von Luca Toni den besten Münchner Feldspieler Miroslav Klose vorne allein spielen zu lassen, erwies sich als falsch.


    "Es hat den FC Bayern lange ausgezeichnet, dass man einen Gegner sich müde spielen lässt und dann eiskalt zuschlägt", sagte Hoeneß. Bayer hatte sich nach 70 Minuten auch weitgehend müde gespielt, doch da stand es bereits 3:0.


    Leverkusen zeigte bis dahin die beste Leistung unter Trainer Bruno Labbadia, aber die Münchner ließen es auch zu. Sie bauten der so begeisterungsfähigen wie immer auch anfälligen Bayer-Mannschaft eine Bühne für die Spielweise, die sie am besten beherrscht: den Kampf mit fliegenden Fahnen.


    Erst als Bastian Schweinsteiger die Position von Borowski übernahm und Lukas Podolski als zweite Spitze kam, bekämpften die Bayern ihren Gegner so entschlossen, wie es vorher schon notwendig gewesen wäre.


    Selbstverständlich kann es immer mal passieren, dass ein Matchplan nicht aufgeht. Da patzen eigene Spieler, wie es Martin Demichelis vor dem ersten und vierten sowie Schweinsteiger vor dem dritten Gegentor tat. Oder der Gegner tritt so himmelstürmend auf wie Bayer.


    Bedenklich bei der Bewertung der Arbeit von Jürgen Klinsmann ist aber, dass die Mannschaft selbst in den besten Momenten des Spiels wie der ganzen Saison nie besser wirkt als die Summe ihrer Einzelteile. Auch nach bereits zwei Dritteln dieser Spielzeit hat sie keine wirkliche Basis und keine erkennbare spielerische Identität.


    Außerdem verliert sie so langsam auch das Spiel mit der Angst. Fünf Jahre lang hatte Bayer nicht mehr gegen Bayern gewonnen - doch wie in Leverkusen gilt inzwischen überall, dass man gegen diese Münchner Mannschaft nicht mehr vor Angst erstarren muss.


    Im Moment ist dieser Nimbus verspielt, der den Bayern in der Vergangenheit so oft geholfen hat: weil er die Gegner gelähmt hat.


    Jürgen Klinsmann hat zweifellos eine Menge guter Ideen und will interessanten Offensivfußball, das spricht für seine Arbeit. Aber er hat noch nicht die nötige handwerkliche Erfahrung als Trainer, um diese Pläne auch im Alltagsbetrieb umzusetzen. Am Samstag gegen Hannover 96 wird er erst zum 70. Mal in seiner noch kurzen Karriere verantwortlich an der Seitenlinie stehen.


    Als Hoeneß nach den Rufen am Bus gefragt wurde, die Klinsmanns Rauswurf forderten, sagte er: "Ach, da muss man erst mal abwarten, wie sich die Dinge entwickeln."


    Es ist wohl nicht überinterpretiert, wenn man das nicht als einen Ausdruck grenzenloser Geduld versteht.


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