Bolzplatz - Punkte statt Pillen

  • Von Tobias Kaufmann, 24.10.08, 13:28h, aktualisiert 24.10.08, 13:34h


    Drei Siege am Stück, was fehlt noch zum FC-Glück? Ein Sieg in Leverkusen zum Beispiel, was auch bedeuten würde: Sprung auf Platz drei. Denn wer behauptet, das Sechs-Punkte-Derby sei gar kein echtes Derby, hat keine Ahnung. Es sei denn, wir verlieren dieses ganz gewöhnliche Drei-Punkte-Spiel am Ende doch.
    Eine Methode, sein Gegenüber schon vor einem Derby ein bisschen zu ärgern, ist die Behauptung, das Spiel gegen ihn sei gar kein Derby. Nicht etwa weil es an der für ein Derby nötigen geografischen Nähe fehlte oder an der gebotenen Rivalität – sondern einfach deshalb, weil der Gegenüber gar nicht die Relevanz hat, um als Derby-Gegner respektiert zu werden. Weil er einfach drunter wegfliegt, unterm Derby-Radar. Mit diesem Spielchen versuchen vor allem ältere oder besonders freche FC-Fans die Anhänger des TSV Bayer 04 Leverkusen (doch, sowas soll es geben) vor dem Anpfiff rhetorisch zu demütigen - nicht zuletzt für den Fall, dass es nachher auf dem Rasen umgekehrt geht.
    Ich finde die Idee klasse.


    Quatsch ist sie natürlich trotzdem. Kann man ja mal bei Uwe Rapolder nachfragen, wie gut es vor drei Jahren angekommen ist, ein total überlegen geführtes Spiel in Leverkusen irgendwie mit 2:1 zu verlieren, ja geradezu wegzuwerfen, und hinterher die Egal-wir-müssen-unsere-Punkte-woanders-holen-Nummer aufzuführen. Insbesondere, da wir die Punkte danach auch woanders nicht mehr geholt haben und Rapolder jetzt Rekordniederlagengeschichte bei der TUS Koblenz schreiben darf.


    Der 1. FC Köln hat schon gegen Bayer Leverkusen gespielt, da konnte Lachbach – der eigentliche ewige Rivale – noch nicht mal laufen. Schon 1949 haben wir die Betriebssportler im Duell um den Aufstieg in die Oberliga West mit 2:0 und 3:1 klar an die Pillendrehmaschine zurück verwiesen.


    Heute buhlen wir mit den Chemikern direkt vor unserer Haustür um dieselben Sponsoren, dieselben Spieler und auch um denselben Fan-Nachwuchs. Da braucht man sich die Altersstruktur der Fahnen-Schwenker auf dem Bayer-Tribünchen ja nur anzugucken, um festzustellen, dass 90 Prozent dieser Jungs heute FC-Fans wären, wenn nicht seit Mitte der 90er, der Zeit, in der diese Menschen zur Schule gingen und einen Klub zum Anlehnen suchten, Bayer internationales Format und der FC ein Abo im Fahrstuhl gehabt hätte.


    Das Spiel am Freitag ist auch deshalb ein Derby, weil wir endlich mal wieder die Gelegenheit haben, diesen einmaligen historischen Irrweg einer unschuldigen Generation zu korrigieren und deren Nachkommen vom Guten und Schönen zu begeistern. Denn erstmals seit Jahren könnten wir auch tabellarisch mit Fug und Recht singen: „Die Nummer eins, die Nummer eins, die Nummer eins am Rhein sind wir!“


    A propos Nummer eins: An dieser Stelle nutze ich schnell eine Gelegenheit. Hallo Lachbach-Fans, lieber Thorsten: Herzlichen Glückwunsch zum vorzeitigen Klassenerhalt. Mit Hans Meyer kann das nicht schief gehen, und wenn sich selbst der Sportdirektor freiwillig zum Co-Trainer macht, erst recht nicht. Nebenbei gratuliere ich mir selbst zum Mal-wieder-Recht-haben: Ich hatte schon vor dem ersten Spieltag geschrieben, dass die Rolle des seriösen Sportklubs voll schlagzeilenloser Kontinuität nicht zu Lachbach (und auch nicht zu uns) passt. Bingo. Alles dreht sich um Daum


    Schlagzeilenlose Kontinuität, das ist ein Konzept für „Klubs“ wie Bayer. Deshalb geht ein Vollblut-Trainer wie Klopp da auch nicht hin. Das Lustige an diesem Nichtderby-Derby ist nebenbei, dass Bayer und wir die Rollen getauscht haben: Die grinsen von oben, wir klettern hinterher. Entsprechend hat der Ex-Teamchef, Taktikverweigerer und heutige Bayer-Sportdirektor Rudi Völler das Derby vorsichtshalber für weniger wichtig und Hoffenheim und Wolfsburg zu den wirklichen Herausforderern der Bayer-Kicker erklärt. Wer mag ihm da widersprechen, Retorte bleibt eben Retorte, selbst mit Traditionssahne obendrauf.


    Getauscht haben wir aber noch was anderes: Während der FC wie früher Bayer mit einer bunten Truppe internationaler Stars und Nichtstars plus in der (in diesem Fall portugiesischen) Pampa aufgelesenem brasilianischen Megatalent aufläuft, kopiert Bayer derzeit das Konzept, mit dem wir zweimal souverän abgestiegen sind: Junge deutsche Talente bringen.


    Inzwischen haben wir von Bayer auch den Physiotherapeuten – und unseren Trainer zurück. Christoph Daum wird am Freitag 55 (dritter Glückwunsch!), und die Phase bei den Pillen dürfte ihm längst auch der halsstarrigste FC-Fan verziehen haben. Denn erstens stellt es sich im Rückblick ja so dar, dass Daum in Leverkusen keine schöne Zeit hatte. Ja, er litt sogar so sehr, dass er sich in den Drogenkonsum flüchten musste. Und zweitens verdanke zumindest ich jener Zeit einen meiner schönsten Fußballtage mit dem 1.FC Köln überhaupt: In der Schlussphase der Saison 1996/97 schoss der FC unter dem erklärten Daum-Gegner Peter Neururer die von Daum trainierten Pillen mit 4:0 aus dem Stadion. »Ihr werdet nie Deutscher Meister!« haben wir gesungen. Einige grölten sogar: »Wir scheißen auf den Christoph Daum!« Letztere, zu denen ich als bekennender Einmal-Daum-Immer-Daum-Legionär nicht zählte, schämen sich hoffentlich inzwischen ein bisschen.


    Also: schließen wir mal wieder einen Kreis und schießen wir uns auf Platz eins in der Rheintabelle. Nebeneffekt: Wir wären damit Dritter in der einzigen Tabelle, die wirklich zählt. Und wenn es doch nicht klappt, denken wir einfach an 1949.
    Ksta.de

    Mein Problem ist, dass ich immer sehr selbstkritisch bin, auch mir selbst gegenüber. (Andreas Möller)