Rendezvous mit der Vergangenheit

  • Von Stephan Klemm und Christian Löer, 23.10.08, 21:21h, aktualisiert 23.10.08, 23:24h


    Das 52. Rheinische Derby bedeutet für FC-Trainer Christoph Daum auch die Rückkehr nach Leverkusen. Der Kölner Coach will acht Jahre nach seinem Abschied von Bayer 04 allerdings kein Wort zu den damaligen Vorfällen verlieren.


    KÖLN - Es ist alles schon sehr lange her, genau acht Jahre, im Profifußball ist das eine Ewigkeit. Damals verließ Christoph Daum seine Trainerstelle bei Bayer 04 Leverkusen unter Umständen, die längst einen Ehrenplatz in der deutschen Fußball-Geschichte eingenommen haben. Doch gestern, am Tag vor dem 52. Rheinischen Derby zwischen Bayer 04 und dem 1. FC Köln, spielte das alles keine Rolle mehr. Jedenfalls nicht für Christoph Daum. Sagte Daum.


    Er habe einfach nicht den Kopf frei. „Ich habe so viele Dinge zu tun, ich habe gar keine Kapazität, an meine Leverkusener Zeit zu denken. Mich interessiert nur der 1. FC Köln. Wir haben uns hier so viel aufgebaut - man hat gar keine Zeit darüber nachzudenken, was in Stuttgart, Wien oder Leverkusen war.“ Stuttgart, Wien, Leverkusen - alles eins. Jedenfalls nach Daums Darstellung. Aber Daums Abschied von Bayer 04 fand unter anderen Umständen statt als jener aus Stuttgart oder Wien. Und darum kann Daums Rückkehr nach Leverkusen auch keine normale sein.


    Nicht, weil Daum jetzt Trainer des 1. FC Köln ist, vorher für Bayer 04 Leverkusen gearbeitet hat und davor auch schon für den FC. Das ist ungewöhnlich und würde genug Stoff liefern für hübsche Geschichten am Rande des Derbys. Aber diese Geschichten wird niemand erzählen heute Abend. Dafür ist die eine, die es auch noch zu erzählen gibt, viel zu spektakulär.


    Sie handelt von Daums Flucht aus der BayArena, aus Leverkusen, aus Deutschland. Es ist die Geschichte jenes Mannes, der einmal der nächste Bundestrainer war.


    Es begann mit Calmund
    Es begann mit Reiner Calmund, der damals noch Bayer-04-Manager war. In der Halbzeitpause des Leverkusener Meisterschaftsspiels bei Energie Cottbus erklärte Calmund Ende September 2000 völlig unvermittelt: „Christoph Daum hat Angebote aus Südeuropa und der Türkei. Ich habe ihm geraten, dass er eines davon annehmen soll.“ Annehmen und weg aus Deutschland, wo Daum zu diesem Zeitpunkt ein großer Star in allen Bereichen war: sportlich, gesellschaftlich, als Mensch für die Werbung. Daum stand im Mittelpunkt. Jedes Kind wusste, wer Christoph Daum war.


    Nach und nach wurden die Hintergründe von Calmunds Halbzeitansprache bekannt. Zunächst, hieß es mysteriös, Daum sei erpresst worden von einem ehemaligen Geschäftspartner. Eine gleißend helle Fackel schien am 2. Oktober die Münchner „Abendzeitung“ ins Dunkel zu werfen, als es hieß: „Die Gerüchte überschlagen sich. Von Schnupforgien ist die Rede, von wilden Partys mit Prostituierten, die nun ihr Wissen zu versilbern trachten.“ Zwar entschuldigte sich das Münchner Blatt später, diese seit Mitte der 90er Jahre kursierenden Gerüchte gedruckt zu haben. Doch die Lawine rollte los.


    Uli Hoeneß meldete sich zu Wort, der Manager des FC Bayern München fragte öffentlich, warum Daum nicht gegen diese Geschichte vorgehe: „Wenn ein Journalist unwidersprochen vom verschnupften Daum sprechen kann, macht mich das sehr nachdenklich, sagte er der „Süddeutschen Zeitung“, „und wenn jemand Beweise haben sollte, kann ich das nicht ignorieren. Dann kann Herr Daum nicht Bundestrainer werden.“ Ein Gerücht war damit erstmals offen ausgesprochen: Daum kokst. Der Trainer reagierte und erklärte seinerseits: „Drogen waren, sind und werden nie ein Thema für mich sein.“ Zur Ruhe kam das Thema anschließend jedoch nicht mehr.


    Und so entschloss sich Daum dazu, eine Haarprobe entnehmen zu lassen, die im Gerichtsmedizinischen Institut der Kölner Universität untersucht wurde. Zuvor betonte er in einer als Ehrenerklärungs-Pressekonferenz deklarierten erwarteten Reinwaschungsstunde: „Ich tue das, weil ich ein absolut reines Gewissen habe.“ Interessanterweise wechselte daraufhin die Stimmung im Land. Daum wurde beim anschließenden Leverkusener Gastspiel in Bremen gefeiert, der Böse war plötzlich: Uli Hoeneß.


    Am 20. Oktober erreichte Calmund ein Anruf vom Kölner Institut. Das Ergebnis der Probe lag vor - sie war positiv. Reiner Calmund übernahm sofort die Regie, besorgte Daum ein Flugticket nach Florida. Daum verschwand noch in derselben Nacht.


    Das alles ist nun acht Jahre her. Daum hat anschließend ein paar Umwege über ausländische Trainerstationen nehmen müssen, ehe er im November 2006 nach Deutschland zurückkehrte, nach Köln. Heute darf er wieder in Leverkusen arbeiten. Als längst rehabilitierter Trainer der Anderen.
    Ksta.de

    Mein Problem ist, dass ich immer sehr selbstkritisch bin, auch mir selbst gegenüber. (Andreas Möller)