Bei Bayer geht die Angst um

  • Leverkusen - Für Bernd Schneider war es „das schlechteste Spiel der Saison“. Michael Skibbe fand, man habe „unglaublichen Bockmist verzapft“. Und Rudi Völler nannte es schlicht und ergreifend „furchtbar“. Drei Versuche mittelbar oder unmittelbar Beteiligter, die desaströse 1:4-Heimniederlage gegen Zenit St. Petersburg irgendwie in Worte zu fassen. Recht hatten sie jedenfalls alle - ob Mannschaftskapitän, Trainer oder Sportdirektor. Und allen gemein war die Befürchtung, dass diese peinliche Pleite im Viertelfinal-Hinspiel des Wettbewerbs um den Uefa-Pokal noch nicht das Ende der aktuellen Negativserie bei Bayer 04 Leverkusen markiert hat. Die Angst geht um beim Werksklub.


    Die Angst, dass ein unlängst noch ansehnliches und funktionierendes Gebilde nach und nach in sich zusammenfällt. Die Angst, dass sich der Absturz ins Mittelmaß nicht mehr aufhalten lässt. Die Angst, dass die vor wenigen Wochen noch ob ihrer attraktiven Spielweise bundesweit gerühmte und bereits als kommender Champions-League-Teilnehmer gehandelte Mannschaft am Ende der laufenden Saison mit null Komma nichts dastehen könnte.


    Das Thema Europacup hat sich bereits nach den ersten 90 Minuten gegen den russischen Meister für diese Spielzeit quasi erledigt. Angesichts des nackten Zwischenstandes und eingedenk des exzellenten Auftritts der St. Petersburger am Donnerstagabend in der BayArena gibt es selbst für den fantasiebegabtesten Leverkusener Anhänger nicht den geringsten Anlass zu irgendwelchen Restambitionen für die zweite Partie am 10. April. Ab sofort hat Bayer 04 nur noch die Bundesliga zu interessieren, hier ist man momentan noch Vierter, aber nach zwei Niederlagen hintereinander gehörig unter Druck geraten. Rang sechs, der wenigstens zur UI-Cup-Teilnahme berechtigen würde, gilt es am Ende mindestens zu erreichen, doch nach den anstehenden drei Spielen in Dortmund, gegen Stuttgart und in Bielefeld könnte man sich bereits unterhalb davon wiederfinden.


    Statistisch gesehen ist der sonntägliche Gastgeber BVB so etwas wie ein „Lieblingsgegner“ für Bayer (vier Siege, ein Unentschieden in den vergangenen fünf Spielen). Gegen eine Fortsetzung dieser Erfolgsserie spricht freilich die aktuelle Verfassung des Skibbe-Teams, das der dafür verantwortliche Trainer unter dem Eindruck des 1:4 gegen St. Petersburg voller Frust so beschrieb: „Viel zu viele unserer Spieler sind völlig neben der Spur.“
    Völler: "Den Schalter umlegen"


    Was also tun? Rudi Völler fordert: „Wir müssen sofort den Schalter umlegen!“ Als wenn das so einfach wäre. Zumal nicht nur Nationalspieler Simon Rolfes festgestellt hat: „Uns fehlen Frische, Leichtigkeit und Selbstvertrauen.“ Den Wahrheitsgehalt dieser Aussage verkörpert dieser Tage am ehesten Bernd Schneider, weiterhin auf verzweifelter Suche nach seiner Form. „Wer tief fällt, muss auch lernen, wieder aufzustehen und sich zu zeigen“, antwortete Michael Skibbe am späten Donnerstagabend auf die Frage, ob er so etwas wie Mitleid mit dem Teamkapitän empfinde; als Trainer weigere er sich aber entschieden, die Probleme der Mannschaft an einem einzelnen Spieler festzumachen. Im Übrigen sei es in der angespannten Situation besonders wichtig, „dass wir im Verein versuchen, auch weiterhin die Ruhe zu bewahren“. So klingt erfahrungsgemäß der Appell eines leitenden Angestellten, der ahnt, dass bei anhaltendem Misserfolg zuallererst seine Arbeit infrage gestellt wird. Was bleibt ihm auch übrig, da seine personellen Alternativen - nett ausgedrückt - überschaubar sind? Und da er feststellen muss, dass der Auftritt seiner Spieler, insbesondere seiner Verteidiger, gegen die leichtfüßigen Ballkünstler aus St. Petersburg an einen Romantitel erinnerte: Die Entdeckung der Langsamkeit.


    Wenn also schon die Physis der lädierten Leverkusener momentan nicht die beste ist, so sollen es die Bayer-Profis nach dem Willen ihres Sportchefs zumindest mit der mentalen Einstellung richten. Also gab Rudi Völler in der Nacht zum Freitag die fortan gültige Parole aus: „Kämpfen bis zum Kotzen!“


    Dortmund: Ziegler - Rukavina, Hummels, Kovac, Dede - Kehl - Kringe, Tinga - Federico - Valdez, Petric. - Leverkusen: Adler - Castro, Friedrich, Haggui, Sarpei - Rolfes, Sinkiewicz - Freier, Barbarez, Barnetta - Kießling. - Schiedsrichter: Wagner (Kriftel).




    Leverkusener-Anzeiger