Eine Schwäche für die Bayern

  • Eine Schwäche für die Bayern
    VON FRANK NÄGELE, 21.03.08, 21:08h


    Leverkusen - Als Michael Skibbe am Freitagmittag das Pressezelt an der BayArena betritt, ist das ganze Gelände weiß. Ein wilder Graupelschauer hat Leverkusen und seinen erfolgreichen Fußball-Verein zentimeterdick überzuckert, als sei das Lob der letzten Wochen für die Leistungen des Bundesliga-Dritten nicht süß genug gewesen. Manchmal hat man das Gefühl, als werde das den Beklatschten alles ein wenig viel. „Wir wissen die momentane Lage richtig einzuschätzen“, hat Sportchef Rudi Völler erklärt, „es wird schwer genug, den dritten Platz zu verteidigen.“


    Skibbe braucht solche Losungen vor der Partie beim FC Bayern nicht, um auf eine Bremse zu treten, die sein Team im Spiel nie benutzt. „Wir wissen, dass wir gegen die stärkste deutsche Mannschaft antreten“, sagt der Trainer, „ich traue uns zu, dass wir 90 Minuten guten Fußball spielen und ein gutes Ergebnis holen.“ Ein Ergebnis, das besser ist als eine Niederlage.


    19 Jahre ist es her, dass Bayer 04 gewonnen hat in München. „Jede Serie reißt einmal, jetzt wird's Zeit“, meinte Simon Rolfes. Manche behaupten sogar, der Nationalspieler habe diesen Satz „getönt“, aber diese offensive Form der Meinungsäußerung passt zu Rolfes ebenso wenig wie zu seinem Verein. Allerdings findet das freundliche Selbstbewusstsein, mit dem sich Bayer 04 dieser Tage präsentiert, immer mal wieder sein verbales Ventil. Als Michael Skibbe gefragt wird, ob der FC


    Bayern Schwächen habe, antwortet er: „Natürlich hat Bayern Schwächen, sie treten nur selten zutage.“ Und dann zählt er auf, welche Schwächen das prominenteste Ensemble des deutschen Fußballs nicht hat: „Sie sind ungeheuer ausgeglichen besetzt, mit Top-Spielern in der Offensive, man muss da nur Ribéry, Toni und Klose nennen, aber auch der Defensivverbund ist sehr stabil.“ Wo also genau sind die selten sichtbar werdenden Schwächen? Skibbe: „Es wäre unverfroren und unverschämt, darüber zu reden, das tun wir bei anderen ja auch nicht.“


    Allerdings sind ihm bei seinem eigenen Team noch viel deutlichere Schwächen aufgefallen. „Wir werden nur eine Chance haben, wenn es uns gelingt, 90 Minuten aggressiv und konzentriert unser Spiel zu spielen. Wenn wir so absacken wie im Uefa-Pokal beim HSV in der letzten halben Stunde oder gegen Nürnberg am Ende der ersten Halbzeit, haben wir keine Chance.“ Viel verändern wird der Trainer nicht, dazu ist die zuletzt erfolgreiche Mannschaft zu stabil. Für Bernd Schneider, der gegen Nürnberg mit seinem Abgang zur Halbzeit die Wende einleitete, bedeutet das ziemlich sicher einen Platz auf der Bank. Allerdings bemüht sich Skibbe um Trost: „Der große Vorteil eines herausragenden Fußballers ist, dass er seine Klasse nie wirklich verliert, sondern dass sie eben manchmal nicht zutage tritt. Der Bernd wird seine Form wiederfinden, davon bin ich überzeugt.“


    Wohin das alles führen kann, wissen sie alle selbst noch nicht. Skibbe hält „Platz zwei bis sechs“ für realistisch, sein Chef Rudi Völler macht es sogar eins tiefer und sieht das Fenster zwischen „Rang drei und sieben“. Schwärmereien mag der Sportchef gar nicht: „Wir wollen international spielen, sprich den


    Uefa-Cup erreichen. Es braucht hier


    keiner anfangen zu träumen.“ Denn mit dem Zuckerguss über der Süßspeise ist es so wie mit dem Graupel am Freitag. Als der Trainer seine Rede beendet hatte, war alles schon wieder weg. Und alles sah wieder aus wie eine Baustelle.


    München: Kahn - Lahm, Lucio, Demichelis, Jansen - Altintop, van Bommel, Ze Roberto, Ribery - Toni, Klose. - Leverkusen: Adler - Castro, Friedrich, Haggui, Sarpei - Vidal, Rolfes - Kießling, Barbarez, Barnetta - Gekas. - Schiedsrichter: Meyer (Burgdorf).


    www.ksta.de/bayer04