Schnäppchen von der Tankstelle

  • Schnäppchen von der Tankstelle
    VON CHRISTIAN OEYNHAUSEN, 17.03.08, 21:24h


    Leverkusen - Ein Grundstein für Bayer 04 Leverkusens aktuelles Wohlbefinden ist vor sechs Jahren an der Autobahnraststätte Zürich-Kloten gelegt worden. Dort traf sich Leverkusens Manager Michael Reschke, damals noch Chef der Bayer-Nachwuchs-Abteilung, mit dem 17 Jahre alten Tranquillo Barnetta und erklärte ihm sinngemäß: Komm zu uns, aber bleib lieber erst mal weg. Eine seltsame Offerte, doch der junge Schweizer ließ sich überzeugen. Zwei Jahre lang parkte Bayer 04 das Talent beim FC St. Gallen, dann eine Saison bei Hannover 96. „Ein klassisches Beispiel für unsere Transferpolitik“, sagt Sportchef Rudi Völler, „immer die Hand drauf haben und sehen, wie er sich entwickelt“.


    So machen es andere gewiss auch, und seinerzeit galt das Optionieren aller möglichen Spieler als Lieblingsübung in Leverkusen. Aber der 250 000 Euro-Deal mit Barnetta wurde zum Schnäppchen. „Quillo“ ist mit 22 Stammspieler und Leistungsträger in Leverkusen geworden. „Er spielt mit einer Leidenschaft, da geht die Sonne auf“, schwärmt Reschke nach der Gala des Schweizers, der das Team zum 4:1 (1:1) über den 1. FC Nürnberg trieb. Barnetta, der das 3:1 durch Theofanis Gekas vorbereitet hatte, blieb allerdings der Lohn in Form seines sechsten Saisontores versagt. Weil er freistehend dem Kollegen Kießling auflegte, der noch auf ein Tor gegen seinen Ex-Klub wartete, aber in dieser Szene nicht traf.


    „Barnetta verleiht der Mannschaft Freude und Lachen“, sagt Reschke über den Schweizer Nationalspieler, der fester Bestandteil der jungen Garde in Leverkusen um Simon Rolfes, Gonzalo Castro, Karim Haggui, Stefan Kießling oder Torwart René Adler ist. Schon mit 21, bei der WM 2006, war Barnetta, dessen Urgroßvater aus Italien in die Schweiz einwanderte, Stammspieler der Eidgenossen. Beim deutschen Fußballfest erlebte er die „schwärzeste Stunde meiner Karriere“: Der Fehlschuss im Elfmeter-Duell mit der Ukraine beim Aus im Achtelfinale. In Leverkusen müssen sie nun bangen um den Schweizer, sollte dieser bei der EM im eigenen Land die herausragende Rolle spielen, die sein Land von ihm erwartet. Barnetta hat Vertrag bis 2010, kann aber angeblich für eine festgeschriebene Ablöse wechseln. Diese Klausel wollen sie bei Bayer 04 weder bestätigen noch dementieren. „Wir wollen ihn überzeugen zu bleiben. Aber es wird einen Moment geben, wo wir nicht nein sagen können. Er wird eines Tages bei einem der ganz großen Klubs spielen“, sagt Reschke. Vom Spieler kommen positive Signale an den jetzigen Klub: „Ich fühle mich rundherum wohl, hier findet eine tolle Entwicklung statt“, sagt Barnetta.


    Am Samstag wird er zunächst für Leverkusen bei einem der großen Klubs spielen: Beim FC Bayern. „Wir sind bestimmt nicht chancenlos“, sagt Barnetta. Es herrscht Vorfreude auf die Reise nach München, obwohl Leverkusen dort seit 19 Jahren nicht mehr gewonnen hat. Der Torschütze hieß damals Marek Lesniak, der Trainer Jürgen Gelsdorf, der heute, gründlich ergraut, die Nachwuchsabteilung führt. Dazwischen liegen fast zwei Jahrzehnte vergeblicher Anläufe in München. Einige davon wurden mit aufgeblasenen Wangen begonnen und endeten jämmerlich. Vom „Bayern-Jäger“ wollen sie beim neuen Tabellendritten diesmal nichts hören, aber eine Rückkehr in die Champions League nach drei Jahren Abstinenz ist plötzlich keine Utopie mehr. „Wenn wir in München gewinnen, können wir über andere Ziele reden“, sagt Stefan Kießling. „Wir sind hungrig. Wir wollen mehr als den Uefa-Cup“, erklärt Gonzalo Castro. Die Verantwortlichen bremsen: „Wir verlieren hier nicht die Realität aus den Augen. Wir müssen nach hinten höllisch aufpassen“, sagt Sportdirektor Rudi Völler. Und Geschäftsführer Wolfgang Holzhäuser stimmt zu: „Zunächst müssen wir die Konkurrenz auf Distanz halten, und dann können wir eventuell träumen.“



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