Die Lizenz zum Träumen

  • Die Lizenz zum Träumen
    VON CHRISTIAN OEYNHAUSEN, 13.03.08, 22:06h


    Hamburg - Zum Feiern blieb keine Zeit. Ein „Fläschchen Bier im Bus“ müsse reichen, sagte Michael Skibbe. Eine Stunde nach dem Spiel in Hamburg rollte Bayer 04 Leverkusen bereits durch das vom Sturm zerzauste Norddeutschland gen Heimat. „Klatschmarsch, Abmarsch“, dichtete Manager Michael Reschke. Am Sonntag steht mit dem 1. FC Nürnberg die nächste Aufgabe im Kerngeschäft Bundesliga an. Die bisher so schöne Saison kann leicht noch in Enttäuschung enden, wenn sich der Tabellenvierte noch von Schalke und Stuttgart überholen ließe. Also schleunigst zurück in den Alltag. Weit nach Mitternacht war Bayer 04 daheim, für elf Uhr am Donnerstag hatte Skibbe das nächste Training angesetzt. Das sei doch nicht hart, sagte der Coach: „Das Spiel heute, das war hart.“


    Das konnte man sehen, als die Spieler nach dem Uefa-Cup-Rückspiel vom Rasen in die Kabinen kamen, nach einem dramatischen Duell, in dem Leverkusen 2:3 (1:0) verlor und doch der Sieger war, der ins Viertelfinale einzog. Verdreckt, ausgepumpt, gezeichnet von der dramatischen Regenschlacht staksten sie in den Bauch der Arena. Dort gelang den erschöpften Leverkusenern dann doch ein Lächeln. Sie hatten Dusel gehabt, das war ihnen bewusst. „Wir hatten heute das glücklichere Händchen“, sagte Verteidiger Manuel Friedrich. „Wir sind mit eineinhalb bis zwei blauen Augen davongekommen“, meinte Trainer Skibbe.


    Über zwei Spiele gesehen, war Leverkusen vielleicht einen Hauch besser und das addierte Ergebnis gerecht. Aber was der Tabellenvierte der Liga nach dem 2:1-Führungstor durch Theofanis Gekas in Hamburg vorführte, war das Gegenteil von clever und abgezockt. „Nach dem 2:1 haben wir gedacht, die Sache ist gegessen“, gestand Stefan Kießling. In der Folge standen sie tief in der eigenen Hälfte und ließen sich vom HSV einschnüren, dass dem Trainer angst und bange wurde: „Wir haben ihnen 80 Meter Spielfeld überlassen. Das vierte Tor lag in der Luft“, sagte Skibbe. „Wir haben heute hinten absolut schlecht gespielt. Das darf nicht passieren“, sagte Friedrich ehrlich.


    Ohne den wieder mal famosen Torwart René Adler hätte es schon in der ersten Hälfte übel ausgesehen. Der 23-Jährige hat sein Team schon in Istanbul in der Runde zuvor gerettet, dann beim 2:2 in Karlsruhe und nun wieder. Adler hat mit starken Leistungen auch das Torwart-Glück auf seine Seite gezwungen: Hamburgs Olic schob einen Abpraller am leeren Tor vorbei.


    Eine Rüge seines Klubs fing sich Leverkusens kleiner Kämpfer Arturo Vidal ein, weil er kurz vor Schluss, verletzt außerhalb des Spielfeldes liegend, auf den Rasen humpelte, um sich dort zeitaufwendig behandeln zu lassen. Solche Nummern aus dem Theater-Repertoire des südamerikanischen Fußballs soll der Chilene unterlassen.
    Wie im Vorjahr im Viertelfinale


    Nun steht Leverkusen wie im Vorjahr im Viertelfinale. Schon damals wäre gegen die biederen Spanier von CA Osasuna mehr möglich gewesen. Doch Bayer 04 lieferte ein schreckliches Heimspiel und fuhr mit einem 0:3 im Gepäck chancenlos nach Pamplona. So etwas sollte dieses Jahr nicht mehr passieren. Ungeachtet des Glücks in Hamburg hat sich die Mannschaft in ihrer Spielweise gefestigt, sie hat sich sogar emanzipiert von Bernd Schneider als einzigem spielerischem Kopf. Der Nationalspieler hat über große Teile der Saison gefehlt, in Hamburg ließ Skibbe ihn pausieren. So langsam wächst in Leverkusen das Vertrauen in die eigene Stärke: Torwart Adler brachte vor Hamburg erstmals die Champions-League-Qualifikation als neues Ziel ins Gespräch, und auch im Uefa-Cup haben sie die Lizenz zum Träumen erworben. „Wir haben mit der Mannschaft einen großen Schritt gemacht. Dieses Jahr wollen wir mehr. Das haben wir besprochen und uns vorgenommen“, sagte Sergej Barbarez, der in Hamburg für Leverkusens 1:0 gegen seinen Ex-Verein gesorgt hatte. Langsam reift der Gedanke an ein erneutes Europapokal-Endspiel, 20 Jahre nach dem ersten, als Leverkusen gegen Espanol Barcelona den Uefa-Cup holte. Ab der Runde der letzten acht, so heißt es, kann man im Uefa-Cup auch Geld verdienen. Rund eine Million soll das Viertelfinale wert sein. Heute Mittag werden die Paarungen für das Viertel- und Halbfinale ausgelost. Leverkusens einziger Wunsch: nicht wieder ein deutsch-deutsches Duell.


    ksta.de