Kein Appetit auf Torfraß

  • Kein Appetit auf Torfraß
    VON CHRISTIAN OEYNHAUSEN, 11.03.08, 20:19h, AKTUALISIERT 11.03.08, 20:22h


    Hamburg - Die strengen Vorschriften der Uefa erlauben nicht, dass man in ihren Wettbewerben mal eben auf einen Nachmittag zum Kicken beim Gegner erscheint - auch wenn dieser, im europäischen Maßstab gesehen, gleich um die Ecke wohnt. Also ist Bayer 04 Leverkusen wie immer im internationalen Wettbewerb einen Tag vor dem Spiel beim Hamburger SV (20.45 Uhr, ZDF) angereist und hat die generalstabsmäßige Routine einer solchen Partie abgewickelt. Trainer Michael Skibbe war das ganz recht. So wenig wie möglich soll an den Bundesliga-Alltag erinnern, mit seiner 33 Spiele währenden Verlockung, Versäumtes am nächsten Samstag nachholen zu können. Im Uefa-Cup geht das nicht. Es wäre aus Leverkusener Sicht fast ein Schock, wenn der Einzug ins Viertelfinale noch misslänge. Die Ausgangsposition ist nach dem 1:0 im Hinspiel am vergangenen Donnerstag viel besser, als die Leverkusener vorher erwartet hatten. „51:49“, findet Sportchef Rudi Völler, Trainer Skibbe ist pessimistischer: „Ausgeglichen.“


    Während der HSV Personalprobleme hat (siehe Extra-Meldung), fehlt bei Bayer niemand und nichts, außer vielleicht Bernd Schneider etwas die Form. „Die Stimmung ist recht gut“, sagt Verteidiger Manuel Friedrich nach einer Rückrunde, in der dem Klub bisher fast alles gelang. So viel, dass man darauf achten muss, nicht vor lauter Zuversicht Mist zu bauen. Friedrich formuliert es so: „Wenn wir direkt ein Tor fressen, dann wird's eng.“


    Das Augenmerk liegt in dieser Hinsicht natürlich auf HSV-Star Rafael van der Vaart, um den sich nach dem Hinspiel eine bizarre Geschichte entwickelte. Ein Foto nach dem Schlusspfiff zeigt, wie die Hand des Niederländers im Gesicht von Leverkusens Verteidiger Gonzalo Castro landet. Tätscheln oder Ohrfeige? - das blieb ungeklärt. Von Ermittlungen der Uefa ist nichts bekannt, sodass einem Einsatz beider Spieler nichts im Wege steht.


    In Fragen der Aufstellung gibt sich Skibbe noch zugeknöpfter als sonst. Womöglich muss Arturo Vidal weichen, dem Skibbe Nachhilfe empfiehlt: „Für schnelle taktische Absprachen während des Spiels reicht sein Deutsch nicht immer.“


    Den Chilenen pausieren zu lassen hieße auch, Sergej Barbarez aufzustellen. Am Sonntag in der Bundesliga war er gesperrt, aber heute wäre es fast schon ein Affront, den 36-Jährigen auf die Bank zu setzen. Der Bosnier hat in Hamburg seine fußballerische Blütezeit erlebt, die Stadt ist ihm ans Herz gewachsen. Es könnte schon sein letzter großer Auftritt in Hamburg sein. Zwar hat Barbarez mittlerweile ein Angebot des Klubs über ein weiteres Jahr bei Bayer vorliegen. Die Fortsetzung seiner Laufbahn würde auch gut mit seiner Idee korrespondieren, doch noch mal ins bosnische Nationalteam zurückzukehren.


    Doch die Vertragsverlängerung ist allerdings auch eine Frage des Geldes, und damit verbunden: der Ehre. „Es ist nicht so, dass er vor Freude an die Decke gesprungen ist“, sagt Manager Michael Reschke. „Stark leistungsbezogen“ nennt man so etwas in der Branche. Damit wäre es wohl genau das Gegenteil des auslaufenden Vertrages, der - wenn man so will - stark namenbezogen war und mit rund zwei Millionen Euro dotiert. Barbarez mag die Ruhe in Leverkusen, liebt seinen Status als erfahrener Zocker und Ratgeber im Team und findet sogar den Rasen der BayArena besser als in Hamburg. Aber ob der Bosnier seinen Stolz mit einer deutlichen Gehaltseinbuße vereinen kann, muss abgewartet werden. Ein Zeitziel gibt es nicht. Man fühle sich auch im Fall einer Absage gut aufgestellt für das nächste Jahr, heißt es im Klub der Zuversichtlichen.


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