Der Mann, der etwas länger schlecht sein darf

  • Der Mann, der etwas länger schlecht sein darf
    VON FRANK NÄGELE, 10.03.08, 20:36h, AKTUALISIERT 10.03.08, 20:50h


    Leverkusen - Der Arbeitstag des Profis Bernd Schneider war am Sonntagabend wieder nach 73 Minuten beendet. Das Publikum spendete freundlich Beifall, als der Kapitän mit säuerlicher Miene vom Platz schlich - eine Geste des Respekts und Mitgefühls, denn der Nationalspieler macht eine frustrierende Phase durch. Obwohl der Körper nach den Leiden der Vorrunde offensichtlich wieder funktioniert, will sich die Freude am Spiel, die Leichtigkeit nicht mehr einstellen, von den Momenten der Genialität ganz zu schweigen. Michael Skibbe wurde auf dieses derzeit einzige Problem in seiner Mannschaft nach dem 2:0 über Hannover offen angesprochen. Genau so offen antwortete er auch: „Bernd darf bei uns vielleicht ein bisschen länger schlechter spielen, als es sonst üblich ist“, sagte der Trainer, „er hat hier ein Jahrzehnt lang tollen Fußball gespielt, da gestehen wir ihm zwei, drei Wochen zu. Mit unserer Hilfe wird der Junge da rauskommen, wir lassen ihn nicht hängen. Außerdem sind solche erfahrenen Spieler bei der Altersstruktur unseres Teams unglaublich wichtig.“


    Was dem aktuellen Bernd Schneider noch fehlt zu dem, den alle kennen, ist wie immer in solchen Fällen im Fußball schwer erklärbar. „An der Fitness liegt es nicht“, sagt Skibbe, „wenn Bernd nicht völlig fit wäre, würde ich ihn nicht einsetzen. Möglicherweise braucht er nur noch ein persönliches Erfolgserlebnis, ein Tor oder einen schönen Pass, der zu einem Tor führt.“ Der sportlich Verantwortliche kann die Personalie so entspannt diskutieren, weil sie das Team am sportlichen Erfolg momentan nicht hindert. Die Niederlage von Bochum hat sein Team mit dem 1:0-Sieg über Hamburg und dem 2:0 gegen Hannover zum Ausrutscher erklärt. Und wenn am Mittwoch in der AOL-Arena gegen den HSV der Einzug in das Viertelfinale des Uefa-Pokals gelingt, kehrt vielleicht sogar Euphorie ein bei Bayer 04. Torhüter René Adler hat nach dem jüngsten Sieg in untypischer Gesprächigkeit schon mal den internen Anspruch der Mannschaft an sich selbst erklärt. Zum Thema Champions League sagte der junge Torhüter: „Irgendwann müssen wir uns auch mal dazu bekennen, aber der Uefa-Cup bleibt das Ziel, das es abzustecken gilt, natürlich würden wir lieber Champions League spielen als Uefa-Cup. Das ist interessanter und lukrativer.“ Wolfgang Holzhäuser kann das als Finanzexperte bestätigen. Von richtigen Einnahmen ist Bayer in diesem Wettbewerb, der schon rund sieben Monate läuft, immer noch ein Spiel entfernt. „Ab dem Viertelfinale kann man schon Geld verdienen“, erklärt der Leverkusener Geschäftsführer, allerdings erwartet er auch bei einem Weiterkommen gegen den HSV keine Reichtümer: „Solange Bayern und Werder im Wettbewerb sind, werden sie einen Großteil des Kuchens abdecken. Außerdem ist das Verhältnis der Einnahmen zwischen Champions League und Uefa-Pokal etwa vier zu eins, wie Erste und Zweite Bundesliga.“ Nach dieser Rechnung erreicht nicht einmal der Uefa-Pokal-Sieger eine zweistellige Millionen-Einnahme.


    Kein Wunder, dass Bayer 04 langfristig so denkt, wie Adler es formuliert. „Man muss nur auf unseren jungen Kader schauen, das ist alles auf Perspektive ausgerichtet, wir haben mit Spielern wie Adler, Castro, Kießling und auch Helmes, der uns verstärken wird, langfristige Verträge, außerdem werden wir uns noch gezielt verstärken“, meint Wolfgang Holzhäuser, „da ist natürlich die Fantasie Champions League drin, aber wir dürfen und werden das von unserer Mannschaft in diesem Jahr noch nicht verlangen.“




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