Als die Augen laufen lernten

  • Leverkusen - Wenn einer etwas über die Belastung eines Fußballprofis im Allgemeinen und den Stress eines national wie international vielbeschäftigten Berufskickers im Besonderen erzählen kann, dann ist das Simon Rolfes. Der 26-Jährige steht seit September 2005 bis zum heutigen Tag mit nicht weniger als 85 Bundesliga-Einsätzen hintereinander zu Buche - so viele Arbeitsnachweise hat im gleichen Zeitraum kein Einziger seiner Branchenkollegen erbracht; hinzu kommen jede Menge Pokal-, Europokal- und mittlerweile ja auch Länderspiele. Sollte es sich dann auch noch ergeben, dass zwischen einem Uefa-Cup-Auftritt wie dem 5:1 am Donnerstagabend über Galatasaray Istanbul und der nächsten Punktspielprüfung am Samstag gegen Schalke 04 gerade mal 44 Stunden liegen, ist dieser Mann also sicher nicht der schlechteste Gesprächspartner, um zu erfahren, wie das so geht mit der Regeneration.


    „Nun ja“, begann Simon Rolfes seine Antwort, „gegen Istanbul brauchten wir ja nicht die vollen 90 Minuten Gas zu geben. Spätestens nach dem 4:0 bin ich mehr mit den Augen als mit den Beinen gelaufen.“ Kurioserweise sprach Galatasarays deutscher Trainer Karl-Heinz Feldkamp nahezu gleichzeitig ebenfalls die besondere Bedeutung besagten Sinnesorgans in einem Fußballspiel mit Leverkusener Beteiligung an: „Nur mit den Augen kannst du diese Bayer-Mannschaft nicht stoppen, wenn sie mal ins Rollen kommt.“ Sollte heißen: Seine Spieler hatten brav zugeguckt, anstatt einzugreifen, als die Gastgeber in der BayArena besonders in der ersten Halbzeit einen Kombinationswirbel entfachten, der zeitweilig sogar an die großen ChampionsLeague-Darbietungen des hier beheimateten Teams erinnerte. Eine Augenweide eben.


    Der überragende Sergej Barbarez (11., 22.) und Stefan Kießling (13.) hatten mit spektakulären Treffern früh für klare Verhältnisse gesorgt, ehe Karim Haggui (55.) sowie Bernd Schneider (60., Foulelfmeter) nachlegten und Barusso (87., Foulelfmeter) noch ein bisschen Ergebniskosmetik betreiben durfte. „Ein Stück weit stolz“ sei er auf seine Mannschaft, teilte Bayer-Trainer Michael Skibbe mit, freute sich über „sensationell herausgespielte Tore“ und nannte die Leistung der Elf mit einem Wort „famos“.
    Keine überbordende Vorfreude


    Dass man es im Achtelfinale (6. und 12. / 13. März) mit dem nationalen Konkurrenten Hamburger SV zu tun bekommt, erfüllte den Coach nicht gerade mit überbordender Vorfreude („Ein internationaler Gegner wäre mir allemal lieber“), doch einstweilen gilt sein Interesse ohnehin dem Bundesliga-Schlager am Samstag gegen Schalke. Skibbe, der erst kurz vor der Partie erfahren wird, ob der gegen Istanbul wegen einer Verletzung im Adduktorenbereich ausgefallene Stammtorhüter René Adler ins Team zurückkehrt oder abermals durch Benedikt Fernandez ersetzt werden muss, erneuerte also seine Klage über Wettbewerbsverzerrung - „von Chancengleichheit gegenüber den Schalkern kann keine Rede sein“. Sein Gelsenkirchener Pendant Mirko Slomka, dessen Mannschaft nach dem Champions-League-Einsatz am Dienstag gegen Porto wesentlich frischer zum Wochenenddienst erscheinen dürfte, räumte das auch freimütig ein: „Die Leverkusener haben mich gegen Galatasaray beeindruckt. Allerdings haben sie eine deutlich geringere Regenerationszeit als wir, und genau das wollen wir ausnutzen. Wir müssen sie nur ans Laufen kriegen.“


    Womit er ganz bestimmt die Leverkusener Beine und nicht die Augen meinte.


    Bayer 04 Leverkusen: Adler (Fernandez) - Castro, Friedrich, Haggui, Sarpei - Rolfes, Vidal - Schneider, Barbarez, Barnetta - Kießling. - FC Schalke 04: Neuer - Rafinha, Bordon, Krstajic, Westermann - Rakitic, Jones, Ernst, Kobiaschwili - Asamoah, Kuranyi. - Schiedsrichter: Gräfe (Berlin).




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