„Wir beten und singen“

  • „Wir beten und singen“
    ERSTELLT 05.02.08, 23:18h, AKTUALISIERT 05.02.08, 23:20h
    Der 31-Jährige Leverkusener über seine Heimatgefühle und die Unterschiede zum Fußball in Europa.


    KÖLNER STADT-ANZEIGER: Herr Sarpei, Sie spielen beim Afrika-Cup im eigenen Land und stehen im Halbfinale. Ist das Turnier für Sie nochmal eine Steigerung, verglichen mit der WM in Deutschland?


    SARPEI: Ja, ich war bei der WM zwar dabei, habe aber nicht gespielt. Natürlich war die WM schön, aber jetzt der Afrika-Cup ist für mich etwas Besonderes, weil das Turnier im eigenen Land stattfindet und ich bislang alle Spiele bestritten habe.


    Kameruns Trainer Otto Pfister hat sich über eine „chaotische Organisation“ des Turniers beklagt. Wie sind denn die Bedingungen für Sie?


    SARPEI: Ich weiß natürlich nicht, welche Probleme Kamerun hat. Bei uns ist alles ganz in Ordnung. Wir haben einen ordentlichen Trainingsplatz. Er ist aber recht hart und am Anfang war der Rasen ziemlich hoch. Da war es nicht einfach, einen guten Fußball zu spielen. Die Unterkunft ist ganz gut. Wir haben unseren eigenen Flur, wo wir unsere Zimmer haben und behandelt werden können. In der Lobby sind schon einige Leute nach den Spielen, aber man hat seine Ruhe, kann sich zurückziehen. Es ist natürlich nicht so, wie man das aus Europa gewöhnt ist. Wenn man in Deutschland spielt, läuft da keiner durchs Hotel, der nicht zur Mannschaft gehört. Hier ist alles etwas lockerer, das muss man hinnehmen. Das ist auch eine andere Kultur hier.


    Was ist denn anders?


    SARPEI: Die Fans sind direkt an uns dran. Es ist alles unkomplizierter. Auch die Reporter können einfach mit uns reden, wir können zwischendurch Interviews fürs Fernsehen geben. Wir bereiten uns trotzdem konzentriert auf die Spiele vor. Das heißt, wir beten und singen sehr viel. Das fängt schon im Mannschaftsbus an. Die Stimmung ist einfach locker. Hier läuft es nicht so, dass jeder auf seinem Platz sitzt und nichts sagen darf. Im Bus läuft ghanaische Musik oder Gospel-Musik, und manche singen auch mit.


    Betet die Mannschaft zusammen?


    SARPEI: Wir beten jeden Abend und auch vor den Spielen im Hotel. Und dann auch nochmal in der Kabine, bevor das Spiel losgeht, in der Halbzeit und auch nach dem Spiel. Wir beten als Gemeinschaft und halten uns dabei an den Händen. Manchmal betet auch einer vor.


    Wie ist denn der Zusammenhalt in der Nationalmannschaft? Ist Michael Essien der große Star?


    SARPEI: Wir haben eine gute Gemeinschaft, das macht uns momentan auch aus. Auch außerhalb des Platzes. Essien spielt natürlich bei der besten Mannschaft, dem FC Chelsea. Aber er ist ein Teamplayer und keiner, der sich vorne hinstellt und sagt: Ohne mich geht es nicht. Er ist ein zurückhaltender Typ, der sehr gut zu uns passt.


    Welche Bedeutung hat das Turnier für die Menschen in Ghana?


    SARPEI: Es herrscht schon große Euphorie. Das ist aber bereits seit der WM in Deutschland so, wo wir sehr gut gespielt haben. Das hat das Land enger zusammengebracht. Hier hängen Fahnen in den Fenstern wie damals in Deutschland. Und natürlich wollen wir das Turnier hier gewinnen, um den Menschen dadurch vielleicht noch einen Schub zu versetzen. Fußball ist für die Leute ein großes Miteinander. Viele Menschen in Ghana haben es nicht leicht im Leben, und der Fußball ist eine gute Ablenkung von den Sorgen.


    Werden Sie in Ghana auf der Straße von den Fans erkannt?


    SARPEI: Ja, das schon. Aber das ist kein Vergleich zu den Spielern, die hier in Ghana spielen oder hier aufgewachsen sind. Ich bin in Europa groß geworden und immer nur ein oder zwei Wochen pro Jahr hier.


    Wie ist das Leistungsvermögen Ihrer Mannschaft?


    SARPEI: Wir sehen uns natürlich im Finale. Das Potenzial dafür haben wir. Wir sind im Halbfinale, ab jetzt ist alles möglich. Tagesform und Glück entscheiden.


    Lässt das Turnier in Ghana Rückschlüsse auf die Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika zu?


    SARPEI: Nein, das ist was ganz anderes. Südafrika wird das anders machen als Ghana. Es sind einfach zwei verschiedene Länder mit unterschiedlicher Struktur.


    Die Bundesliga hat wieder angefangen, und Sie fehlen. Auch in anderen Ländern läuft der Spielbetrieb. Wäre es nicht sinnvoll, den Afrika-Cup nach der Saison auszutragen?


    SARPEI: Natürlich ist es für die Vereine problematisch, wenn sie die Spieler abstellen müssen. Es ist aber schwierig, den Afrika-Cup später zu spielen, weil dann hier Regenzeit ist und man nie weiß, ob das Turnier durchgespielt werden kann. Wenn es mal zwei oder drei Tage ununterbrochen regnet, kann man hier auf den Plätzen nicht mehr spielen. Aber man muss schon eine andere Lösung finden. So wie es jetzt ist, ist es nicht optimal.


    War die WM in Deutschland für Sie eher ein Turnier im eigenen Land als jetzt der Afrika-Cup in Ghana?


    SARPEI: Das ist schwierig. Eigentlich ist beides meine Heimat. Ich bin natürlich Ghanaer, meine Eltern sind hier und mein Herz hängt auch an diesem Land. Aber Deutschland ist mir auch wichtig, ich habe mein ganzes Leben dort verbracht und habe einen Teil der deutschen Kultur in mir. Deshalb kann ich mich nie ganz als Ghanaer oder als Deutscher fühlen. Es ist von beidem etwas in mir.


    Mit Hans Sarpei


    sprach Thorsten Moeck


    ksta.de