Völler - „Das Ergebnis eines Spagats“

  • KÖLNER STADT-ANZEIGER: Herr Völler, die Meinungen Ihrer Delegation nach dem 2:5 in Bremen waren einhellig: Die waren besser, uns fehlt noch viel, um so zu werden wie Werder. Trübt so eine Erkenntnis die Vorrundenbilanz?


    RUDI VÖLLER: Nein. Wir wissen natürlich, dass man auch nach fünf Bundesliga-Siegen in Folge in Bremen verlieren kann. Unsere Bilanz bleibt positiv trotz der Niederlage: Wir sind Vierter, und wir überwintern im Uefa-Pokal.


    Was fehlt Ihrer Mannschaft noch?


    VÖLLER: Wir haben gegen die Klubs, die vor uns stehen, verloren: gegen Bayern, in Hamburg, in Bremen. Gegen diese Teams reicht es für uns noch nicht über 90 Minuten. Und was gar nicht gut ist bei uns, ist die Chancenverwertung. Da haben wir Steigerungspotenzial.


    Bayer 04 wird gelobt für die Spielweise und den Mut, auf junge Spieler zu setzen. Hat sich das so ergeben oder ist das Teil eines Plans?


    VÖLLER: Jeder Verein versucht, eine gewisse Struktur aufzubauen. Aber es ist mir zu hochgegriffen, dass wir nun die Mutigen sind, die alles auf die Jugend setzen. Dass wir das tun, ist das Ergebnis eines Spagats: Wir planen auch mit jungen Leuten, wollen aber auch Spiele gewinnen, und das alles muss bezahlbar sein.


    Welche Rolle spielt Trainer Michael Skibbe für die Entwicklung der Mannschaft?


    VÖLLER: Michael ist ganz wichtig. Er wurde von Anfang an kritisch betrachtet, er wurde als mein Zögling gesehen, weil er meine rechte Hand bei der Nationalelf war. Jetzt haben viele seiner Kritiker gemerkt, was Skibbe mit der Mannschaft bewirkt. Er lässt attraktiven Fußball spielen, er kann mit jungen Leuten arbeiten. Für uns ist er der richtige Trainer zum richtigen Zeitpunkt.


    Sie selbst genießen nicht nur als Bayer-04-Sportchef eine große Anerkennung, sondern vor allem auch außerhalb: Ihre Aussagen werden wahrgenommen. Setzen Sie dieses Mittel bewusst ein?


    VÖLLER: Ich bin mit jeder Aussage präsent, ich bin in Deutschland und auch im Ausland ja immer noch ein bisschen der Ex-Teamchef. Und gelernt habe ich: Man wird benutzt von den Medien - und man kann sie natürlich auch für sich nutzen, um gewisse Dinge rüberzubekommen.


    Das gilt auch für die Bierhoff-Debatte, als Sie dem Manager der Nationalelf vorwarfen, sich mit dem Erfolg im Rücken zu sehr ins Innenleben der Vereine eingemischt zu haben. Er hat den Klubs ja eine gewisse Konzeptlosigkeit vorgeworfen.


    VÖLLER: Eins ist doch klar: Ich mache diese Aussagen, weil ich damit eine Wirkung erzielen möchte. Ich bin jetzt 47 Jahre alt, da rutscht mir keine Aussage mehr einfach so raus.


    Ist der Streit mit Bierhoff beigelegt?


    VÖLLER: Wir werden uns im neuen Jahr zusammensetzen oder uns irgendwann mal wieder über den Weg laufen. Aber klar ist: Ich stehe zu meinen Worten. Ich war sehr direkt, Bierhoff hat zurückgeschlagen, das ist doch normal.


    Die aktuelle Entwicklung scheint wiederum Ihnen recht zu geben: Schalke 04 ist im Achtelfinale der Champions League, und im Uefa-Pokal sind zwei Klubs schon weiter. Nürnberg und die Bayern können den Sprung in die nächste Runde noch schaffen.


    VÖLLER: Egal. Mir geht es nicht um Recht oder Unrecht. Ich will davon abkommen, dass nur derjenige recht hat, der Erfolg hat. Ich möchte Dinge ansprechen, bei denen mir unwohl ist.


    Sie sind Sportchef bei Bayer 04. Ist das Ihr Wunsch-Job?


    VÖLLER: Ja, das ist genau das, was ich immer machen wollte. Ich sehe mich nicht so als Langzeittrainer. Ich kann das gerne mal machen - aber nur für eine begrenzte Zeit. Jetzt aber: Dieses strategische Arbeiten im Hintergrund, dieses Strippenziehen - das liegt mir mehr.


    Der Jahresabschluss für Bayer 04 erfolgt nun am Mittwoch im Uefa-Pokal beim FC Zürich. Was ist da noch für Sie möglich?


    VÖLLER: Egal, mit welcher Mannschaft wir spielen: Wir wollen gewinnen, um einen der beiden ersten Plätze zu belegen, damit wir in der nächsten Runde mit einem Auswärtsspiel beginnen können. Das wird kein Betriebsausflug.


    Das Gespräch führte


    Stephan Klemm