KSTA Interwiev Rolfes:„Ich bin so ein Mischtyp“

  • „Ich bin so ein Mischtyp“
    ERSTELLT 16.11.07, 19:24h


    KÖLNER STADT-ANZEIGER:
    Vor Jahren sah es noch so aus, als würde aus Ihrem Talent nicht viel werden. Bei Werder Bremen kam Ihre Karriere nicht recht voran. Woran lag das?


    SIMON ROLFES:
    Für mich war der Sprung vom kleinen Amateurverein zum Profiklub sehr groß. Ich hatte körperlich viel aufzuholen damals. Außerdem hatte ich es mir wohl zu leicht vorgestellt. Man denkt, man ist näher dran, als man es in Wirklichkeit ist. Es ist eine Sache, mit den Profis zu trainieren und dort mitzuhalten, und eine andere, auch zu spielen. Das habe ich unterschätzt.


    Sie haben damals mit Leichtathleten gearbeitet, mit 400-Meter-Läufern.


    ROLFES: Das war in Bremen im letzten Jahr und in Aachen. Das hat mich enorm weitergebracht. Ich war als Junge klein und schmächtig, bin schnell gewachsen und war immer noch schmächtig. In der Jugend konnte ich mich noch mit meinen fußballerischen Mitteln durchsetzen. Aber bei den Profis brauchst du körperliche Härte.



    Als Werder Sie zum Zweitligisten Reutlingen ausgeliehen hat, schien da für Sie der Traum von der Nationalmannschaft schon geplatzt?


    ROLFES: Nein, denn ich habe damals gar nicht von der Nationalmannschaft geträumt. Für mich war die Frage: Wie finde ich den Weg Richtung Bundesliga? Ich wollte aus der Regionalliga bei Werder raus. Reutlingen war gut für mich: Ich konnte hinterher sagen: Ich habe bei einem Abstiegskandidaten der Zweiten Liga ohne Probleme mitgehalten, und als ich dann wieder ein Jahr in Bremen weitere Fortschritte gemacht hatte, war klar: Jetzt will ich zu einer Top-Mannschaft der Zweiten Liga. Da war Aachen genau das Richtige. Und dann kam der Wechsel nach Leverkusen. Da habe ich zum ersten Mal gedacht: Wenn ich es in Leverkusen zum Stammspieler schaffe, ist die Nationalmannschaft auch nicht mehr weit. Und das erste Jahr dort lief ja sehr gut.



    Ihr erstes Länderspiel stand unter unglücklichen Vorzeichen. Nach dem 0:1 gegen Dänemark mit einer reinen Test-Elf gab es viel Kritik. Hätten Sie sich einen schöneren Start gewünscht?


    ROLFES: Ach, wenn man das erste Länderspiel macht, da ist man so glücklich, das ist noch viel schöner als das erste Bundesligaspiel. Es war einfach wichtig, es gemacht zu haben. Und die Wochen danach haben ja gezeigt, dass es viele Spieler, die dabei waren, weitergebracht hat. Auch mich.



    Wo sehen Sie sich jetzt in der Hierarchie der Nationalmannschaft?


    ROLFES: Für mich gibt es zwei Gruppen: Die einen sind für die EM gesetzt, die anderen kämpfen um ein Ticket. Zur zweiten gehöre ich.



    Wo liegen die Unterschiede zwischen den Anforderungen im Verein und in der Nationalmannschaft?


    ROLFES: Die Spieler sind besser, die Qualitätsdichte ist höher, es wird noch ein Stück schneller gespielt. Weil es immer schneller wird, müssen die Spieler immer fitter werden. Das ist keine Frage.



    Viele Spieler schwärmen vom guten Klima in der Nationalmannschaft. Was ist das Besondere?


    ROLFES: Hier ist ein sehr guter Teamgeist, eine sehr gut gewachsene Struktur. Auch wenn jetzt viele fehlen: Das Gerüst der Mannschaft steht und wird von allen akzeptiert. Es gibt viel Respekt - sowohl von den Etablierten gegenüber den Neuen als auch von den Neuen gegenüber den Etablierten. Das ist eine gute Basis für Erfolg.


    Auch wenn Teile des Gerüsts fehlen?


    ROLFES: Einige sind ja schon noch da: Klose, Lehmann, Lahm zum Beispiel, dann die Innenverteidiger. Die stellen ein Gerüst dar.



    Wer gibt zum Beispiel am Samstag Anweisungen im Mittelfeld?


    ROLFES: Jeder, der spielt. Das meine ich ja: Es gibt nicht nur eine Führungsperson im Mittelfeld. Jeder muss sich einbringen. Es ist von denen, die hier sind, noch keiner in der Position wie ein Frings oder Ballack.



    Bundestrainer Löw fordert immer wieder Passhärte, Passgeschwindigkeit, vertikales Spiel. Sind Sie der Prototyp für Löws Spielauffassung?


    ROLFES: Na ja, dass ich der Prototyp bin, glaube ich nicht. Aber ich finde mich darin schon wieder. Diese Spielweise, schnelles Fußballspiel, das kommt mir entgegen.



    Gibt es für Sie Vorbilder auf Ihrer Position im defensiven Mittelfeld?


    ROLFES: Früher hat Frank Rijkaard wohl als Erster diese Position geprägt, als Sechser, der von hinten das Spiel bestimmt, dann Patrick Viera. Und Torsten Frings, der eine Super-WM gespielt hat.


    Welche Anforderungen werden heute an Ihre Position gestellt?


    ROLFES: Das Spiel ist immer flexibler geworden. Früher hatte man den Zehner, der war für das Spiel nach vorn zuständig, und dahinter einen, der alles abgeräumt hat. Diese starren Rollen und Unterscheidungen verschwinden immer mehr. Es gibt nicht mehr viele Zehner, die nur hinter den Spitzen sind, und Sechser gehen mit nach vorn. Ich bin so ein Mischtyp, wie er immer mehr gefordert wird, denke ich.


    Worin möchten Sie Ihr Spiel noch verbessern?


    ROLFES: Das Spiel noch mehr zu bestimmen. Der erste Schritt war, sich zu etablieren im Verein, der nächste Schritt, weswegen ich auch in Leverkusen verlängert habe, soll sein, von der Persönlichkeit her noch dominanter das Spiel zu bestimmen. Und fußballerisch kann man sich auch mit 25 noch verbessern.



    Üben Sie auch immer noch für Rekorde im Ballhochhalten?


    ROLFES: Das war mal eine Wette mit meinem älteren Bruder. Wir saßen Pfingsten 1998 zu Hause auf der Terrasse. Er hat gesagt, wenn du 3000-mal schaffst, kauf ich dir den neuen WM-Ball. Nach einer Dreiviertelstunde war ich bei 4500 oder so. Und habe aufgehört.


    Das Gespräch führte Christian Oeynhausen


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