Liebeserklärung an einen Verschmähten

  • Liebeserklärung an einen Verschmähten
    VON CHRISTOPH PLUSCHKE, 04.11.07, 22:08h
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    Leverkusen - Die Gelegenheit war günstig und die Zeit durchaus reif für ein deutliches Wort in der Klangfarbe persönlicher Genugtuung. Wie hatten sie ihn noch vor wenigen Minuten in der BayArena gefeiert! Die Sprechchöre mussten ihm lange in den Ohren klingen. Ovationen, dargebracht von denselben Fans, die denselben Spieler in demselben Stadion schon so viele Male geschmäht hatten. Plötzlich war aus dem Vielgescholtenen ein Liebling der Massen geworden - was muss das für ein erhebendes Gefühl gewesen sein? Doch Sergej Barbarez widerstand der Versuchung, rhetorische Rache an seinen Kritikastern zu nehmen. Dank der Erfahrung aus 36 Lebensjahren, von denen er immerhin die Hälfte als Berufsfußballer verbracht hat, noch mehr aber dank der ihm nun mal eigenen Coolness ging er mit der besonderen Situation genauso lässig um wie vorhin auf dem Platz mit dem Ball. „Ach, wissen Sie, warum soll ich jetzt ausflippen?“, tat der von Medienvertretern umzingelte Bosnier nach dem Leverkusener 4:0 (2:0)-Sieg über Arminia Bielefeld kund, „natürlich habe ich Grund zur Freude, aber das haben meine Kollegen auch, und ich war eben in der Kabine ganz sicher nicht der Einzige, der gelacht hat.“


    Ob es nicht doch eine besondere Befriedigung gewesen sei, endlich auch am Arbeitsplatz in Leverkusen dermaßen gefeiert zu werden, hakte jemand nach. „Och nö“, erklärte Barbarez lapidar, „ich habe längst damit zu leben gelernt, dass nicht jeder Zuschauer mag, wie ich spiele. Wichtiger ist, was die Trainer und Mannschaftskameraden darüber denken. Und deshalb freue ich mich jetzt besonders für die, die immer hinter mir gestanden haben.“


    Was unmissverständlich und vor allen anderen Michael Skibbe galt. Der Bayer-Chefcoach, in Leverkusener Fankreisen ungeachtet objektiv messbarer Erfolge auch nicht gerade allseits vergöttert, hat in der Vergangenheit immer wieder in Treue fest zu dem wegen seiner mitunter aufreizend legeren Spielweise kritisierten Filigrantechniker gestanden. Diesmal allerdings war der Trainer („Sergej hat wieder einmal seinen immens hohen Wert für uns unter Beweis gestellt - wie gut, dass wir ihn haben!“) nur einer von vielen, die ein Loblied auf den Routinier anstimmten.


    Barbarez hatte in bestechender Form aufgespielt und gegen die heillos überforderten Bielefelder nicht nur zwei Treffer (9., 80.) selbst erzielt, sondern auch die zwei Tore des Kollegen Theofanis Gekas (29., 33.) mustergültig vorbereitet, womit er buchstäblich Schützenhilfe für den zuletzt schwächelnden, kritisierten und verunsicherten griechischen Torjäger leistete. Man muss halt auch gönnen können. „Der Fanis hat mir in den letzten Tagen richtig leid getan, also hatte ich heute ein besonderes Auge auf ihn“, erzählte der Selbstlose hinterher und fügte mit einem Augenzwinkern hinzu: „Mal sehen, ob morgen früh vor dem Training eine Flasche Schampus auf meinem Platz steht.“


    Zukunft ungeklärt


    Und während Gekas am Samstagabend via Dolmetscher aktuelles Wohlbefinden artikulieren ließ („Heute hat all das geklappt, was in den vergangenen Wochen schiefgegangenen ist“), beantwortete sein Wohltäter sämtliche Fragen nach der eigenen Befindlichkeit sowie nach der weiteren, noch ungeklärten beruflichen Zukunft in aller Gelassenheit. „Warum soll nach zwei Toren plötzlich alles anders sein?“, entgegnete Barbarez, dessen Vertrag in Leverkusen im nächsten Sommer ausläuft, „entscheidend wird sein, wie ich am Ende der Saison körperlich drauf bin. Und wenn's noch geht, muss ich nur noch einen Verein finden, der mich bezahlen will.“


    [URL]www.ksta.de/bayer04[/URL]


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