Bayern-Jäger der Zukunft

  • BUNDESLIGA-KOMMENTAR


    Von Peter Unfried


    Zwar hat Leverkusen das Heimspiel gegen die Bayern verloren - dennoch wird die Mannschaft eine gute Saison spielen. Für den Meistertitel reicht es aber nicht. Das könnte sich aber schon bald ändern. Doch wer kann denn nun die Bayern in dieser Saison stoppen?


    Seit Bayer Leverkusen 1979 in die Fußball-Bundesliga aufgestiegen ist, sind genau fünf Teams Deutscher Meister geworden, die nicht Bayern München heißen. Werder Bremen, der VfB Stuttgart, Borussia Dortmund (alle dreimal), der Hamburger SV (zweimal) - und laut Statistik auch zweimal ein gewisser 1. FC Kaiserslautern. Also: fünfzehnmal Bayern, dreizehnmal der Rest. Aber niemals Schalke, und niemals Leverkusen. Die schnupperten immer nur. Daran sollte man sich erinnern, bevor man weiter oder neu darüber nachdenkt, wer die Bayern in dieser Saison stoppen könnte.


    Gerade war Bayer ja urplötzlich die neueste große, weiße Hoffnung des Anti-Bayern-Landes geworden. Ob sich der Club mit dem 0:1 gegen die Münchner an diesem 8. Spieltag bereits wieder als Name für eine kollektive Sehnsucht verabschiedet hat, dürfte vor allem auch für die Werkself selbst keine Frage sein. Erstens ist der Standort im Zeitalter nach Big Calmund jenseits der Hysterie. Zweitens hat man sich offiziell bis 2009 Zeit gegeben, um Anschluss an beste Tage zu finden.


    Dass Bayer aber Potential hat, um zumindest näher an den Champions-League-Plätzen zu riechen als zuletzt, dafür gab es in der BayArena trotz der Niederlage einige Indizien. Speziell im ersten Drittel dieses sehenswerten Spiels zeigte Leverkusen in einem 4-2-3-1-System bei hohem läuferischen Aufwand erneut einen hochklassigen Kombinationsfußball.
    Da spielte Sergej Barbarez, der den verletzten Bernd Schneider ersetzte, die einfachen, aber der Sache dienenden Pässe, offenbarten die beiden defensiven Mittelfeldspieler Simon Rolfes und Arturo Vidal ihr Potential in der Spieleröffnung und funktionierten zudem im neuformierten Abwehrverbund mit den Innenverteidigern Manuel Friedrich und Karim Haggui. Die offensiven Außen Tranquillo Barnetta und Stefan Kießling deuteten zumindest an, dass sie Profis sind, die gern bei der Euro 2008 auffällig würden. Und Bayerns Franck Ribéry hat man selten so unauffällig gesehen wie dieses Mal.


    Wenn etwas auffiel: Dass Bayer im Prinzip wieder mal zu Zehnt kombinierte - Vorjahrestorschützenkönig Theofanis Gekas agiert als einzige Spitze für sich beziehungsweise er agiert nicht. Allerdings kommt ihm das Bayer-Spiel auch nicht entgegen. Nur einmal (25.) kriegte er einen Ball, wie er ihn liebt: steil, so dass er hinterherrennen konnte. Da war aber Kahn-Vertreter Michael Rensing schneller. Einmal hätte er abschließen können, traf aber den Ball nicht richtig (62.). Ansonsten fällt Bayer nur noch hinten links mit Verteidiger Hans Sarpei deutlich ab.
    Trainer Michael Skibbe ist jetzt fast genau zwei Jahre bei Bayer. Nun - speziell nach dem Abschied der letzten Brasilianer - nimmt sein Umbau deutlich erkennbare Konturen an. Leverkusen ist ein Team, das es zu beobachten gilt, vor allem auch wenn man Joachim Löw heißt und DFB-Trainer ist.


    Das fängt bei Keeper René Adler an, der gegen die Bayern grade mal sein 19. Bundesliga-Spiel machte. Der 22-Jährige verlängerte seinen Vertrag heute bis 2012. Dazu kommen Gonzalo Castro, Friedrich, Rolfes, Kießling und selbstredend Schneider. Das sind alles keine "Führungspieler" vom Kaliber Effenberg und das Einklagen des fehlenden Punches gehört bei Bayer ja zur Folklore. Aber abgehobene Superchefs (Mehdorn, Ackermann, Kahn) sind eh out, "Leading from the middle" ist einer der Megatrends für die kommenden Jahre. Gefragt ist bescheidenes, hochmoralisches, seine Kollegen in aller Stille mitreißendes Führungspersonal. Klingt das nicht wie gemacht für Schneider, Friedrich und das flachhierarchisch arbeitende Bayer-Team?


    Mancher mag Bayerns Siegtreffer durch Luca Toni (40.) als Indiz dafür nehmen, dass es für ganz oben doch nicht reicht. Nicht für Bayer und nicht für Nationalergänzungspieler Friedrich, der vor dem Treffer gegen Vorbereiter Miroslav Klose den Kürzeren zog. Es war im Saisonverlauf aber bisher der einzige Gegentreffer, der aus dem Spiel heraus fiel. Und Klose ist einfach verdammt gut. Das zu sehen, braucht es keine Extrakamera. Ob es für andere Zwecke eine braucht, darüber wird man nun vermutlich wieder ein bisschen diskutieren, nachdem Kloses klar hinter der Torlinie gelandeter Lattenabpraller nicht als Treffer gewertet wurde


    Mit Blick auf die Bayern war es ein auf den ersten Blick verhalten daherkommendes Spiel, das aber Ottmar Hitzfeld in seinem Tun bestätigen wird. Stürmer Toni, den er als Torversicherung geholt hat, ist tatsächlich eine und dazu im Duett mit Klose ligaweit eine Klasse für sich. Die Defensive ist offenbar doch stabiler als im Vorjahr, immerhin ist Bayer sonst zuhause eine Chancenmaschine.


    Der Kader ist hochklassig und tief besetzt, die möglichen Angriffsvarianten sind mit Marcell Jansen, Zé Roberto, Hamit Altintop, Ribéry und Klose gewachsen. Und im Zweifelsfall kann man trotzdem den hohen Flugball auf Toni spielen. Wer also soll diese Bayern stoppen? Hm, gehen wir die Liste der erfolgreichen Bayern-Jäger noch mal durch. Lautern spielt nicht mehr in der Bundesliga, Borussia Dortmund grade noch so. Der VfB Stuttgart kämpft mit der üblichen postkoitalen Meistertristesse. Der HSV war zuletzt 1983 stark genug. Bleibt wieder mal nur Werder Bremen. Schalke kommt ja leider nicht in Frage.


    SPON http://www.spiegel.de/sport/fussball/0,1518,508671,00.html