Geliebter Feind

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    VON CHRISTIAN OEYNHAUSEN, 12.07.07, 23:12h, AKTUALISIERT 13.07.07, 00:12h



    Gewöhnungsbedürftig: Lukas Sinkiewicz im Bayer-Trikot


    Abtwil - Die Erinnerungen an seine alte Fußballwelt sind bei Lukas Sinkiewicz noch sehr präsent. Selbst die Jugendsünden beim 1. FC Köln fallen ihm noch ein. Hat er nicht mal in seinem ersten Training bei der Kölner U 23 Trainer Christoph John umgegrätscht? Sinkiewicz grübelt: „Hm, ja, kann sein. Doch, das stimmt. Den B-Jugend-Trainer auch.“ Leverkusens Coach Michael Skibbe ist dem Eifer seines neuen Verteidigers bisher schadlos entkommen und ziemlich angetan vom Neuzugang: „Robust und stabil“ lobte der Trainer nach dem 1:1 im Test im Schweizer Trainingslager gegen die Grashoppers Zürich, an dem Lukas Sinkiewicz per Kopfballtreffer und verschuldetem Handelfmeter an beiden Toren beteiligt war.


    Man könnte natürlich nie aufgrund eines Testspieleindrucks urteilen, ob Lukas Sinkiewicz in seiner neuen Welt angekommen ist. Aber in Abtwil ist das in jeder Minute zu sehen und zu hören. „Super Arbeitsklima, es ist ganz locker in der Kabine, kein Palaver, nix“, sagt Sinkiewicz, der mit dem ebenfalls polnischstämmigen Paul Freier das Zimmer teilt.


    Zweifel, dass sich der 21-Jährige bei Bayer menschlich schnell integrieren würde, hat es sowieso nie gegeben. Ob es fußballerisch klappt, ob der Ex-Kölner gemeinsam mit dem Ex-Mainzer Manuel Friedrich ein Abwehr-Bollwerk bilden kann oder ob sie oft überlaufen werden, das muss sich noch zeigen. „Ich bin nicht gekommen, um auf der Bank zu sitzen“, sagt Sinkiewicz selbstbewusst. Die „natürliche Autorität eines geborenen Kapitäns“, die ihm sein Förderer Hannes Linßen attestierte und die ihm im Alter von 20 Jahren schon die Kapitänsbinde beim 1. FC Köln einbrachte, strahlt er aber auch in Leverkusen bereits aus. Es ist eine allürenfreie Geradlinigkeit, die Sinkiewicz erwachsener wirken lässt. Was ihn nicht daran hindert mit den vielen jungen Spielern, „den gleichen Blödsinn im Kopf“ zu teilen. In einem Geschäft mit vielen Exaltierten fallen Normale schnell auf.


    Man kennt sich gut in Leverkusens junger Mannschaft, zum Beispiel von der U 21, wo er mit Gonzalo Castro und Torwart Rene Adler gespielt hat - unter Michael Skibbe, seinem jetzigen Trainer. In der Auswahl musste er vergessen, was ihm eine Fußball-Jugend lang in Köln beigebracht wurde - der große Rivale steht östlich des Rheins und heißt Bayer 04. „In der Jugend, da sind in den Spielen die Fetzen geflogen, mit Roten Karten, Schlägerei und allem“, erzählt Sinkiewicz. Er wird dem 1. FC Köln im Herzen verbunden bleiben. Als der Wechsel bekannt gegeben wurde, ist er umgezogen: Von Bergheim nach Köln wo er weiter mit alten Kumpels wie Marvin Matip oder Baykal ausgehen wird.
    Aufbau einer profesionellen Karriere


    Aber beruflich kam der Zeitpunkt, wo andere Dinge wichtiger wurden als der rheinische Zweikampf: Der konsequente Aufbau einer professionellen Karriere. Im Werben um Sinkiewicz stach Leverkusen den Konkurrenten Borussia Dortmund mit der besseren internationalen Perspektive aus. Das Gerüst einer Mannschaft für die WM 2010 sehen viele in Leverkusen entstehen, und Sinkiewicz könnte ein Teil davon sein. Die EM 2008 wäre eine Vorstufe, die er gern mitnehmen würde.


    1,6 Millionen Euro Ablöse kostete die Unterschrift. Also trägt Sinkiewicz jetzt das Shirt mit dem Werkself-Aufdruck und kann viel über die Unterschiede zwischen dem 1. FC Köln und Bayer 04 Leverkusen erzählen. „Es ist viel ruhiger in Leverkusen. Der Rummel in Köln ist viel größer. Hier ist auch der Vorstand ruhiger. Er nimmt den Druck von uns“, sagt Sinkiewicz. Dabei geht es dem dreimaligen A-Nationalspieler nicht um eine Abrechnung: „Köln war eine schöne Zeit. Der FC ist der geilste Klub der Welt - wenn Erfolg da ist“, sagt Sinkiewicz. Und die Zuhörer dürfen sich den Umkehrschluss gern dazudenken.


    ksta