Das Ende einer Ära

  • Leverkusen - Aus heiterem Himmel kam die Nachricht nicht, in ihrer Vehemenz jedoch löste sie einigen Wirbel aus. Die Bayer AG teilte am Montag mit, dass sie sich ab dem Sommer 2008 in ihrer Profisport-Förderung auf den Fußball fokussieren werde. Den Basketballern, Handballern, Volleyballern und Leichtathleten in den Bayer-Sportvereinen werden die Zuwendungen in Form von Image-Werbung gestrichen. Investitionen dieser Art seien in der heutigen Zeit nur noch zu rechtfertigen, wenn sie „Bekanntheitsgrad und Image des Unternehmens nachhaltig fördern“, sagte Unternehmenssprecher Michael Schade. Die Bundesliga-Fußballmannschaft von Bayer Leverkusen eigne sich dafür von den bislang geförderten Sportarten am besten.


    Damit wendet sich der Leverkusener Konzern endgültig vom längst aus der Mode gekommenen Mäzenatentum im Sport ab. Eine 103 Jahre währende Ära umfassender Spitzensport-Förderung in der Region geht zu Ende. Spätestens seit die Bayer AG dem damaligen Fußball-Erstligisten und heutigen Oberligisten Bayer Uerdingen 1995 die Zuwendungen strich, war das absehbar. Und im Zeitalter von Pisa und drohendem Fachkräfte-Mangel zweifeln selbst die Betroffenen nicht an, dass Investitionen in die Bildung dem Image eines großen Konzerns förderlicher sind. Glänzende Olympia-Medaillen und große Triumphe im Spitzensport werden längst von immer wiederkehrenden Doping-Skandalen überschattet. Und im modernen Medien-Urwald schafft es allein der Profifußball, beständig aufzufallen.


    Ein Etat von rund 3,5 Millionen Euro sei betroffen, so die offizielle Angabe der Bayer AG. Allerdings verweist Schade darauf, dass die Gelder nicht eingespart, sondern lediglich umgeschichtet und in die Bildung junger Menschen investiert werden sollen. „Wir glauben, damit einen wichtigeren sozialen Beitrag für die Gesellschaft zu leisten“, sagt Schade. Die Förderung des Breiten-, Jugend- und Behindertensports sei von der Neustrukturierung des Sportkonzeptes nicht betroffen. Auch die 27 Werksvereine mit rund 50 000 Mitgliedern sollen wie bisher mit rund 14 Millionen Euro pro Jahr unterstützt werden.


    Nur die Profis in den weniger werbewirksamen Sportarten müssen nun bangen. Dabei sind die Handballerinnen gerade deutscher Vizemeister geworden, und die Basketballer haben zum ersten Mal seit drei Jahren wieder die Playoffs erreicht. Gerade diese Erfolge machten den Zeitpunkt für den Rückzug ideal, so Strauss: „Teams in leistungsmäßiger Talfahrt würden sich schwerer tun, neue Sponsoren zu finden.“ Heide Ecker-Rosendahl, Doppel-Olympiasiegerin von 1972 im Weitsprung und mit der Sprintstaffel, ist einer der großen Bayer-Stars aus der Glanz-Zeit der Leichtathletik. Ihre Karriere wurde begleitet von einem Slogan. „Damals hieß es »Mutter Bayer und Vater Neckermann«“, erzählt Rosendahl. Geldzuwendungen gab es auf Grund des bis 1983 geltenden Amateur-Paragrafen nicht, aber perfekte Sportanlagen und hauptamtliche Trainer, die aus Bayer-Mitteln finanziert wurden, waren eine optimale Unterstützung auf dem Weg zum Erfolg. Und die von Versandkaufmann Josef Neckermann 1967 gegründete Stiftung Deutsche Sporthilfe tat ein Übriges.


    Neue Sponsoren finden


    Den von Bayer jetzt angekündigten Rückzug bedauert Rosendahl. Man habe zwar seit einigen Jahren gewusst, dass der Konzern über Umstrukturierungen nachdenkt. „Aber man wollte nicht glauben, dass es mal eintritt.“ Sie sieht die Ankündigung aber auch als Auftrag an die Leichtathletik-Abteilung des TSV Bayer 04 Leverkusen, nach anderen Sponsoren zu suchen. „Wenn einer einem Geld schenkt und dann damit aufhört, kann man ja nicht darauf pochen, dass es immer so gewesen ist“, sagt die 60-Jährige. Zumal die Leichtathleten von Bayer eine Schonfrist bis 2009 erhalten, damit sie sich in Ruhe auf Olympia 2008 und die Heim-WM in Berlin im Jahr darauf vorbereiten können.


    Auf Speerwurf-Europameisterin Steffi Nerius kommt dann eine Veränderung zu. Bislang beziehe sie ein Gehalt, mit dem sie ihre „Miete bezahlen und einkaufen gehen“ kann, sagt die 34-Jährige. „Aber es nutzt ja nichts, jetzt zu jammern, wenn es uns gelingt, Sponsoren zu finden, wird alles weiterlaufen.“ Für Otto Reintjes, den Abteilungsleiter beim Basketball-Bundesligisten Bayer Giants, ist das eine „Mammutaufgabe“. Aber auch ihn habe die Ankündigung von Bayer „nicht vom Stuhl gehauen“. Sie war absehbar. Und den Klubs ein gutes Jahr Zeit zu geben, sich neu zu orientieren, sei immerhin sehr fair.


    Quelle: ksta