Der Adler ist gestartet

  • VON STEPHAN KLEMM, 26.02.07, 20:25h



    Gelsenkirchen - Unter dem linken Handschuh klebt gleich der nächste Schutz, Mittel- und Kleiner Finger der linken Hand sind mit weißem Tapeband umwickelt, Selbstschutz vor drohenden Schmerzen. „In den Fingern war ja schon alles kaputt“, sagt René Adler. Auch die Handgelenke hat sich der Torwart von Bayer 04 Leverkusen abgebunden, „die waren zwar noch nicht gebrochen, das ist aber eine Marotte von mir“. Am Sonntagabend in der Schalker Arena geht der Aberglaube auf und bringt das erhoffte Glück. Adler (22) spielt erstmals in der Bundesliga, er hält sensationell gut; so gut, dass seine Elf trotz klarer Unterlegenheit mit 1:0 bei Schalke 04 gewinnt. Adler ist der Spieler des Spiels, seine Paraden provozieren Schalkes erste Pleite nach 13 Spielen. Schalkes Trainer Mirko Slomka war mit dem Spiel seiner Mannschaft gegen Leverkusen durchaus zufrieden, „wir hatten ja genug Chancen, davon muss man auch mal eine ausnutzen“.


    Es misslang, weil Adler im Tor stand. Verloren hat Schalke aber, weil Stefan Kießling zeigte, dass er doch die erhoffte Verstärkung sein kann. Der spät eingewechselte Stürmer erzielte in der 85. Minute ein überzeugendes Tor, als er im Alleingang gleich zwei Schalker Verteidiger lässig umkurvte und überlegt einschob. Die wiedergefundene Stärke erklärt der Problemspieler der Hinrunde mit der Winterpause: „Da hatte ich Ruhe und konnte abschalten.“


    Eine Operation hat auch Adler hinter sich. Acht Monate hat er zuletzt pausieren müssen, weil nicht erkannt wurde, dass er sich eine Rippe angebrochen hatte. „Man hat mir gesagt: Da ist nichts, trainiere ruhig weiter. Aber dann wurden die Schmerzen immer unerträglicher“, erzählt er. Und auf einmal ging gar nichts mehr: „Ich konnte kaum noch atmen.“ Hilfe kam aus München, wo ihm Dr. Seebauer eine Platte auf den linken Rippenbogen implantierte, gestützt von vier Schrauben. „Das ist sechs Wochen in mir dringeblieben, und es hat meine Karriere gerettet“, sagt Adler. Jetzt ist er schmerzfrei, und erst seit einer Woche kann er wieder spielen. Und gleich danach „darf ich meinen Traum Bundesliga leben. Wahnsinn.“


    Bayer-Trainer Michael Skibbe weiß, was er an Adler hat: „Er ist ein überragendes Talent, das hat er schon in der U-20-Nationalmannschaft gezeigt, die ich damals trainiert habe. Wir gehen alle davon aus, dass René der Torwart der Zukunft für uns ist.“ Ob die Zukunft für die Nummer zwei schon am kommenden Samstag im Spiel gegen den VfB Stuttgart beginnt, ist offen. Dann nämlich ist die Sperre der Nummer eins, Hans-Jörg Butt, abgelaufen. Skibbe jedoch sagt: „Ich weiß noch nicht, wen ich im Tor aufstellen werde.“


    Adler, der im Jahr 2000 vom VfB Leipzig nach Leverkusen gewechselt ist und noch bis 2010 an Bayer 04 gebunden ist, stellt keinerlei Ansprüche: „Ich werde keine Machtkämpfe entfachen. Jetzt will ich einfach nur mit Freunden und meiner Familie genießen, dass ich Bundesliga-Spieler bin.“ Das ist für ihn ein „Lohn der Schinderei. Ich bin zuletzt ja nur zwischen Rehabilitationsmaßnahmen und Kraftraum hin- und hergependelt. Es war eine schwere Zeit.“


    Adler zeichnen neben einer gewissen fußballerischen Stärke vor allem seine Reflexe aus, seine Ruhe auf der Linie und seine Fangsicherheit bei hohen Bällen. Er sah von Anfang aus wie eine geborene Nummer eins. Seine Nervosität hat er erfolgreich versteckt, auch das spricht für ihn. „Als die ersten Bälle zu mir kamen, war die Anspannung weg“, sagt er. Und der Weg frei für sein großes Spiel.


    ksta