Dutt stellt sich der Kritik

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    „Ich arbeite täglich daran, mit Bayer einen Titel zu holen“
    „Plötzlich sollte ich ein anderer Mensch sein“
    „Ich habe zwei, drei Wochen gebraucht, um die Balance zu finden“

    Sein Start in Leverkusen verlief holprig. Nicht immer wusste Robin Dutt (46), wie ihm geschah. Der kicker sprach mit ihm.


    kicker: Herr Dutt, wir titelten nach dem 2:2 gegen den Hamburger SV „Dutt und Bayer – das passt nicht!“ Was sagen Sie dazu?


    Robin Dutt: Es kommt immer auf den Blickwinkel an. Wenn der Betrachter von der Idealvorstellung ausgeht, dann kann man wenig gegen die Zeile sagen. Wenn man aber die grundsätzlichen Probleme mit einbezieht, die für die Aufs und Abs verantwortlich sind, dann sehe ich das als normale Sache, die ich im Griff habe.


    kicker: Sie sagten vor der Saison, es sei schwerer gewesen, Volker Finkes Freiburger Erbe anzutreten als das von Jupp Heynckes.


    Dutt: Ich weiß heute, dass man beides nicht miteinander vergleichen kann. Weil beide Situationen sehr unterschiedlich gelagert waren. Finke war 16 Jahre in Freiburg, da waren die Strukturen total verfestigt. Heynckes war der dritte Trainer hier in drei Jahren. Es gibt zwei Gemeinsamkeiten: Beide Trainer vor mir hatten großen Erfolg und beide Aufgaben waren bzw. sind sehr anspruchsvoll. Grundsätzlich ist es wohl anfangs leichter, einen Job zu übernehmen, wenn der Vorgänger keinen Erfolg hatte.


    kicker: Hatten Sie mit dieser Platzierung nach 12 Spieltagen gerechnet?


    Dutt: Wenn man zu einem Verein kommt, dann analysiert man den Ist-Zustand und schaut, was man beibehalten sollte und was man besser machen kann. Aber heutzutage darf man angesichts der Ausgeglichenheit der Liga nie ausschließen, dass es mal eine Ausholbewegung gibt. Das kann man natürlich vorher nicht formulieren.


    kicker: Die Ausholbewegung verlief nach unten. Ist der Weg das Ziel?


    Dutt: Das muss es sein, ja. Ich arbeite tagtäglich daran, mittelfristig mit Bayer einen Titel zu holen.


    kicker: Hatten Sie auf diesem Weg mit so viel Widerstand gerechnet?


    Dutt: Ja, mit Widerstand schon. Aber was mich bis heute wundert, sind die Heftigkeit und der frühe Zeitpunkt nach sieben Spieltagen. Ich bin ein Mensch, der offen und ehrlich ist. Plötzlich sollte ich ein ganz anderer Mensch sein. Warum wurde der Mensch Dutt thematisiert? Und wie fand die Meinungsbildung statt? Freiburger Journalisten riefen mich an und fragten mich: „Wann haben Sie sich denn so verändert?“


    kicker: Was bewirkte dies bei Ihnen?


    Dutt: Ich habe schon zwei, drei Wochen gebraucht, um die innere Balance zu finden.


    kicker: Sehen Sie die Möglichkeit, die Hinrunde positiv zu beenden?


    Dutt: Ja, das ist möglich. Wir werden hohen Einsatzwillen und viel Leidenschaft brauchen, weil wir über das Training so gut wie keine Möglichkeiten haben. Das lässt der Terminplan nicht zu. In der Champions League zu überwintern und in der Liga wieder dran zu sein, das ist das Ziel.


    kicker: Ab wann geriet es in Gefahr?


    Dutt: Wir sind nach dem 0:2 in Mainz gut gestartet. Der Cut kam mit den Niederlagen gegen Köln und in München. Das Warum ist nicht einfach zu analysieren. Tatsache ist, dass wir seitdem um jeden Punkt kämpfen, nicht mehr spielen.


    kicker: Dabei sollen Dutt-Teams spielerisch starke Teams sein, oder?


    Dutt: Ja, Kurzpassspiel, Kombinationsfußball, Offensive – so sollte man meine Mannschaften erkennen können.


    kicker: Stattdessen spielt Ihr Team pausenlos lange Bälle auf den zentralen Stürmer…


    Dutt: Nicht pausenlos, aber besonders in Drucksituationen. So spielt man, wenn Vertrauen in das Kurzpassspiel fehlt. Beim Pressing geht es über Emotionen, Leidenschaft. Aber beim Kombinationsfußball benötigst du Ruhe und Übersicht. Und wenn da ein, zwei Mosaiksteinchen nicht passen, dann stimmt das ganze Gebilde nicht.


    kicker: In den Augen der Kritiker stimmt auch die Kader-Zusammensetzung nicht. Hätten Sie nicht besser vor der Saison auf adäquatem Ersatz für Arturo Vidal und Sami Hyypiä bestanden?


    Dutt: Meine Vereine konnten sich immer zu 100 Prozent darauf verlassen, dass ich nie die Kaderpolitik kritisiere und mir so Alibis verschaffe. Nach innen formuliere ich meine Meinung ganz klar. Ansonsten kümmere ich mich um die Spieler, die da sind. Und das Management kümmert sich um die, die eventuell vielleicht bald da sind (lacht).


    kicker: Es gab Kritik am Umgang mit der Mannschaft. Sind Sie zufrieden mit Ihrem People-Management?


    Dutt: Damit sollte man nie zu 100 Prozent zufrieden sein. Doch immer dann, wenn ich am letzten Tag von der Mannschaft, die ich verließ, ein Abschiedsgeschenk bekam, war ich kurzfristig sehr zufrieden. Für mich gibt es ein großes Ziel: Ich könnte immer damit leben, wenn einer sagt, ich sei ein schlechter Trainer. Aber ich könnte nicht damit leben, wenn einer sagt, ich sei ein schlechter Mensch.


    kicker: Dem Trainer Dutt wurde vorgeworfen, er stelle seine Mannschaft nach den Stärken des Gegners ein. Was stimmt daran?


    Dutt: Der Fußball entwickelt sich dynamisch. Räume müssen besetzt werden, aber das geht nicht mehr automatisch, weil die wenigsten Gegner es zulassen. Also muss man um die Räume kämpfen, man muss sie sich erarbeiten. Und dazu muss man den Gegner kennen. Im Schwerpunkt richtet sich die Taktik jedoch immer an den eigenen Stärken aus.


    kicker: Was freute Sie bisher?


    Dutt: Da gibt es, unabhängig von jedem Sieg, viele Dinge. Ganz besonders das 2:1 gegen Valencia, wie es nach der Pause leidenschaftlich erkämpft wurde. Genauso freut mich das konstruktive Miteinander von Mannschaft und Trainer und die unmissverständliche Rückendeckung, die ich von der Geschäftsführung bekam. Das war nicht alltäglich.


    kicker: Was hat Sie geärgert?


    Dutt: Die Dinge, die ich dazu beigetragen habe, dass es nicht so läuft.


    kicker: Welche?


    Dutt: Das will ich jetzt nicht thematisieren. Vielleicht waren ein paar dabei, auf die Sie noch nicht gekommen sind (lacht).
    INTERVIEW: FRANK LUßEM




    Quelle: kicker-Printausgabe vom 17.11.11