„Mit Poldi wurde nichts ausgeräumt“

  • Binnen eines Jahres hat sich ANDRÉ SCHÜRRLE (21) in der Nationalelf etabliert. Hier spricht er über seine Ziele und seinen Konkurrenten.


    kicker: Sie wurden in den letzten neun Länderspielen stets eingesetzt. Fühlt man sich da schon als Stammkraft, Herr Schürrle?


    André Schürrle: Nein, als Stammspieler kann ich mich noch nicht bezeichnen, das können eh nur sehr wenige hier. Aber ich habe sehr viele Länderspiele gemacht in diesem Jahr, deshalb fühle ich mich als vollwertiges Mitglied der Nationalmannschaft.


    kicker: Sind Sie zufrieden mit dieser Entwicklung?


    Schürrle: Zufrieden ist so ein Wort, das ich nicht gern in den Mund nehme. Ich bin einfach überglücklich, wie das lief, dass ich in so jungen Jahren schon so viele Länderspiele habe. Das habe ich mir zwar gewünscht und erträumt, aber erwarten konnte man das nicht.


    kicker: Zweifeln Sie noch an Ihrer EM-Nominierung?


    Schürrle: Zweifel habe ich nicht. Es würde ein riesiger Traum in Erfüllung gehen. Ich wollte schon immer ein Turnier spielen, bei der U19 und U21 hat es leider nicht geklappt. Aber bis zur EM ist es noch eine lange Zeit, da kann viel passieren, und deshalb muss man sehr vorsichtig sein.


    kicker: Sie haben schon fünf Treffer erzielt. Woran liegt es, dass Sie im DFB-Trikot auf Anhieb Fuß gefasst haben?


    Schürrle: Diese Mannschaft besitzt eine riesige Qualität, davon profitiert automatisch auch jeder Einzelne. Außerdem herrscht hier ein sehr gutes Klima.


    kicker: Auch zwischen Ihnen und Lukas Podolski, Ihrem Konkurrenten auf dem linken Flügel?


    Schürrle: Konkurrenzkampf gibt es im ganzen Team, das ist auch gut so, weil es die Mannschaft auf ein höheres Level bringt. Jeder will und muss sich neu beweisen.


    kicker: Die Frage haben Sie schön umdribbelt. Noch mal: Wie ausgeprägt ist die Rivalität zwischen dem Herausforderer Schürrle und dem Platzhirsch Podolski?


    Schürrle: Was heißt Rivalität? Lukas Podolski hat über Jahre hinweg sehr viele Spiele und Tore für die Nationalmannschaft gemacht. Aber jeder Spieler im Kader hat seine Chance. Und ich versuche, meine zu nutzen.


    kicker: Haben Sie in den vergangenen acht Monaten sportlich zu Podolski aufgeschlossen?


    Schürrle: Die Frage kann der Bundestrainer besser beantworten. Aber ich denke, ich habe mich sehr gut entwickelt, habe gute Spiele gemacht und meine Tore erzielt.


    kicker: Im Punktspiel gegen Köln wurden Sie vor drei Monaten von Podolski übel und rotwürdig gefoult. War diese Szene Teil des speziellen Konkurrenzkampfes?


    Schürrle: Ich weiß es nicht, da müssen Sie eher den Poldi fragen. Klar ist: Das waren keine schönen Szenen, und das war total unnötig.


    kicker: Haben Sie mit ihm darüber geredet?


    Schürrle: Nein, da wurde nichts ausgeräumt, wir haben uns nicht ausgesprochen. Ich sehe auch keinen wirklichen Grund dafür.


    kicker: Themenwechsel: Warum läuft es bei Leverkusen nicht?


    Schürrle: Ganz klar, wir hängen unseren Erwartungen hinterher. Wir haben noch keinen berauschenden Fußball gespielt, dafür trotz allem aber noch sehr gut gepunktet. Wir müssen einfach schauen, die optimale Leistung abzurufen.


    kicker: Das sagt sich leicht. Wie realisiert man dieses Vorhaben?


    Schürrle: Wir haben fast immer gute Phasen im Spiel. Aber bei der ersten Kleinigkeit lassen wir uns aus dem Spiel bringen. Da will keiner mehr den Ball, da werden nur lange Bälle gespielt, da fehlt das Selbstbewusstsein. Uns fehlt einfach die Konstanz innerhalb des Spiels.


    kicker: Fehlt auch der Spaß?


    Schürrle: Spielfreude kommt mit dem Erfolg. Wenn wir Punkte holen und gewinnen, kehrt auch wieder diese Leichtigkeit zurück, die den Verein jahrelang ausgezeichnet hat.


    kicker: Simon Rolfes klagte, die Mannschaft müsse mehr reagieren, als dass sie agieren dürfe. Hat er recht?


    Schürrle: Jede Mannschaft stellt sich irgendwo auf den Gegner ein, so ist es auch bei uns. Der Trainer analysiert den Gegner, stellt ein taktisches Konzept zusammen, und wir Spieler müssen versuchen, das umzusetzen.


    kicker: Auch wenn Sie dann hinter Defensivspieler Stefan Reinartz agieren müssen?


    Schürrle: Das war am Sonntag gegen Hamburg eine besondere Situation. Der Trainer wollte damit auf die sehr hohe HSV-Außenverteidigung reagieren. Ich denke, das war eine Ausnahme.
    INTERVIEW: OLIVER HARTMANN






    Quelle: kicker-Printausgabe vom 10.11.11