Africa-Cup: Togo reist ab

  • Anschlag auf Togos Fußballteam
    „Wir wurden beschossen wie Hunde“


    09. Januar 2010
    Togo wird nicht am Afrika-Cup in Angola teilnehmen. Nach dem Terroranschlag auf den Mannschaftsbus der Togolesen in der angolanischen Exklave Cabinda hat die Regierung die Mannschaft zurückgezogen. Dies teilte der togolesische Minister und Regierungssprecher Pascal Bodjona am Samstagabend mit. „Die Spieler stehen unter Schock. Deshalb hat die Regierung beschlossen, die Mannschaft zurückzurufen“, sagte Bodjona: „Wir können nach diesem Drama nicht am Wettbewerb teilnehmen.“ Bei dem Angriff waren Assistenztrainer Abolo Amelete und Pressesprecher Stanislas Ocloo sowie der Busfahrer getötet worden. Sieben Personen sollen zum Teil schwer verletzt worden sein. Unter den Verletzten sind Torhüter Kodjovi Obidale vom französischen Amateurverein GSI Pontivy und Serge Akakpo vom rumänischen Klub FC Vaslui. Der Zustand Obidales, der von zwei Kugeln in Rücken und Bauch getroffen wurde, wird als stabil beschrieben. Er soll in einer Privatklinik in Südafrika operiert werden.


    Togo sollte am Montag in Cabinda gegen Ghana sein erstes Gruppenspiel bestreiten. Auch die ghanaischen Spieler beraten inzwischen mit Verband und Sportminister Rashid Pelpuo darüber, ob sie ihre Teilnahme am Afrika-Cup absagen. Trotz allem soll die kontinentale Fußball-Meisterschaft an diesem Sonntag mit dem Spiel zwischen Angola und Mali beginnen.


    „Keiner wollte noch spielen“


    Die togolesische Delegation wird an diesem Sonntag abreisen. „Keiner wollte noch spielen. Wir wollen alle nach Hause“, sagte Mittelfeldspieler Moustapha Salifou. Starstürmer Emmanuel Adebayor, Afrikas Fußballer des Jahres 2008, hat Angola bereits am Samstag verlassen. Das Staatsfernsehen zeigte ihn zuvor völlig verschreckt und in Tränen aufgelöst. „Niemand ist bereit, hier sein Leben zu riskieren. Wir haben gesehen, wie ein Mitspieler mit einer Kugel im Körper schrie und dann bewusstlos wurde“, sagte er vor seiner Abreise. „Ich bin froh, dass ich noch lebe.“ Vor dem Krankenhaus tröstete der Profi von Manchester City seine Mitspieler, ehe er zurück nach England flog.


    Eine Abordnung des afrikanisches Fußballverbandes war am Samstag vergebens nach Cabinda gereist, um die Togolesen zum Bleiben zu bewegen. „Selbst wenn sie den Staatspräsidenten höchstpersönlich bringen, wir fahren nach Hause“, sagte Nationalspieler Jonathan Ayite. Eine Absage des Afrika-Cups hatten die Funktionäre zuvor abgelehnt. „Das Turnier findet statt“, teilte der Verband mit.


    „Die angolanischen Organisatoren sollten den Wettbewerb absagen“


    Der togolesische Nationaltrainer Hubert Velud erhob unterdessen schwere Vorwürfe gegen das Organisationskomitee. „Die angolanischen Organisatoren sollten den Wettbewerb absagen. Das war ein Akt der Barbarei, während wir hier eigentlich den afrikanischen Fußball feiern wollten. Das war Krieg. Die Organisatoren scheinen das nicht ernst zu nehmen“, sagte der Franzose, den eine Kugel im Arm getroffen hatte. Mittelfeldspieler Alaixys Romao erklärte, Togo werde „versuchen, die anderen Mannschaften zum Boykott zu überreden“.


    Der togolesische Profi Thomas Dossevi lieferte eine eindringliche Schilderung des Anschlags an der Grenze zwischen der Demokratischen Republik Kongo und Cabinda, einem von vier Austragungsorten des 27. Afrika-Cup. „Wir wurden beschossen wie Hunde. Die Angreifer waren bis an die Zähne bewaffnet. Wir versteckten uns 20 Minuten unter den Sitzen. Es war schrecklich.“ Bayer Leverkusen konnte nach einer Nacht der Ungewissheit aufatmen, denn Abwehrspieler Assimiou Touré überstand den Angriff unversehrt. „Er ist körperlich nicht verletzt. Es geht ihm den Umständen entsprechend gut“, sagte Bayer-Pressesprecher Dirk Mesch. Verletzt wurden hingegen sieben Spieler und Delegationsmitglieder, unter ihnen angeblich der Vizepräsident des togolesischen Verbandes.


    Sicherheitsvorkehrungen drastisch verschärfen


    Die angolanische Regierung hat angekündigt, die Sicherheitsvorkehrungen drastisch zu verschärfen. „Wir garantieren, alle Maßnahmen zu ergreifen, um Schutz und Unversehrtheit der Mannschaften, Fans, Betreuer und Touristen zu gewährleisten“, sagte Sportminister Goncalves Muandumba. Das Organisationskomitee des Afrika-Cups erhob derweil seinerseits schwere Vorwürfe gegen die Togolesen, weil sie mit dem Bus und nicht mit dem Flugzeug angereist waren. „Die Regeln waren eindeutig: Kein Team sollte mit dem Bus anreisen. Ich weiß nicht, was Togo bewogen hat, es trotzdem zu tun“, sagte OK-Sprecher Virgilio Santos: „In der Stadt hätte es diesen Vorfall niemals gegeben.“ Zu dem blutigen Anschlag bekannte sich der bewaffnete Arm der „Befreiungsfront für die Unabhängigkeit von Cabinda“ (FLEC), die weitere Aktionen androhte. „Diese Operation war nur der Anfang einer Serie von zielgerichteten Aktionen in der gesamten Region Cabinda“, hieß es in einem Bekennerschreiben.


    Die ölreiche Region Cabinda sollte 1975 von der Kolonialmacht Portugal in die Unabhängigkeit entlassen werden, wurde aber von Angola besetzt. Seitdem kämpfen Rebellen für die Unabhängigkeit der Region. Bis 2002 war das Land in einen brutalen Bürgerkrieg verstrickt und völlig auf sich fixiert. Der Afrika-Cup sollte nun die mittlerweile am schnellsten wachsende Volkswirtschaft des Kontinents positiv in den Fokus der Weltöffentlichkeit rücken. Der immense Ölreichtum hatte nicht nur den afrikanischen Fußballverband von Angola als Ausrichterland überzeugt, durch ihn hatten sich die Organisatoren auch ein reibungslos ablaufendes Turnier versprochen. Für rund eine Milliarde Petrodollar hatten vor allem chinesische Firmen vier neue Stadien, davon eines in Cabinda, gebaut und die zerstörte Infrastruktur ausgebessert.


    Aber Öl ist in dieser Region nicht nur Segen, sondern auch Fluch. Mehr als die Hälfte der 1,4 Millionen Barrel, die in Angola täglich gefördert werden, stammen aus Cabinda. Es ist der Hauptgrund, warum Angola dieses lediglich 250.000 Einwohner zählende Gebiet seit 1975 für sich beansprucht. Und auch, warum es dort immer wieder Gefechte mit Separatisten gibt.


    Quelle: FAZ