Don Jupp: "Unser Team hat einen einzigartigen Charakter" - Interview auf dfb.de - Teil II

  • Frage: Wie sehen Sie die Chancen ihrer weiteren Kandidaten Helmes, Kießling und Castro?


    Heynckes: Gonzalo ist ein Spieler, der als Verteidiger alles auf sich vereint. Er muss nur immer wieder bereit sein, das riesige Potenzial abzurufen. Dafür braucht er hin und wieder einen kleinen Schubser, ein bisschen Antrieb von außen. Aber bringt alles mit, was ein Nationalspieler braucht. Ich bin niemand, der einen Spieler in die Nationalmannschaft singt. Das ist meine Wertschätzung für diesen Spieler. Und für Kießling und Helmes gilt das auch.


    Frage: Wie sehen Sie deren Chancen?


    Heynckes: Bei Kießling hat ja mittlerweile jeder erkannt, wie stark er ist. Patrick Helmes ist ein Spieler, der von der Mannschaft abhängig ist. Er ist ein echter Torjäger. Man muss bei ihm jetzt einfach sehen, wie er sich in der Rückrunde nach der langen Verletzungspause zurückfindet. Warum soll er es nicht schaffen.


    Frage: Sie wirken sehr überzeugt von den Möglichkeiten ihrer Mannschaft in der Rückrunde. Christian Nerlinger sagte in diesen Tagen im "Kicker", dass für Leverkusen auch Platz zwei ein Erfolg sei. Stimmen Sie dem Bayern-Manager zu?


    Heynckes: Der FC Bayern muss zunächst versuchen, nach 51 Spieltagen wieder einmal die Tabellenspitze zu erklimmen. Das ist schon eine lange Zeit. Da ist es klar, dass Christian darüber nachdenkt. Er ist ein wunderbarer Mensch, der sehr fähig und kompetent ist. Nur ist erst einmal klar, dass die Bayern uns vom ersten Platz wegkriegen müssen. Das wird nicht so einfach sein. Wir haben so eine gute Mannschaft, dass wir auch Druck aushalten können. Das haben wir in der Hinrunde mehrfach bewiesen.


    Frage: Sie betrachten das also als kleines Machtspielchen des Rekordmeister?


    Heynckes: Christian hat das bestimmt auch im Flachs gesagt. Aber ich kenne ja die strategischen Vorbereitungen der Bayern. Und ich kenne ja den FC Bayern besser als er. Deswegen weiß ich auch, was ich zu tun habe.


    Frage: Uli Hoeneß hat die Kunst der Stichelei ja perfekt beherrscht.


    Heynckes: Ja klar, der Ullrich. Wir beide haben schon mehrfach miteinander geflachst. Aber das darf ich natürlich nicht öffentlich machen.


    Frage: Sie haben den Druck angesprochen. War das letzte Hinrunden-Spiel gegen Mönchengladbach, das sie noch gedreht haben, vielleicht so eine Art Knackpunkt? Die Kritiker standen doch da schon wieder in den Startlöchern, um zu sagen: Wenn es bei Bayer um etwas geht, verlieren sie.


    Heynckes: Die Mannschaft hat dies Partie sehr gut gespielt und absolut dominiert. Ich habe mir das Spiel noch einmal ganz angeschaut. Vor allem nach dem Rückstand hat meine Mannschaft ganz clever, besonnen und souverän reagiert. Die haben nicht geflattert, stattdessen die Drehzahl erhöht und aufs Tempo gedrückt und verdient noch gewonnen. Und das war ja nicht das erste Mal. Auf jeden Fall spricht das für den Charakter der Mannschaft. Und es ist gut für das Selbstvertrauen der Mannschaft. Sie glaubt an sich, auch wenn es mal nicht so gut läuft. Deshalb bin ich zuversichtlich für den Rest der Saison.



    Frage: Solche Drucksituationen hat Leverkusen in der Vergangenheit nicht sonderlich gut gemeistert.


    Heynckes: Ich habe immer versucht, der Mannschaft zu vermitteln, nie aufzugeben. Bis zur 93. Minute ist alles möglich. Das haben sie wirklich verinnerlicht. Das ist ein großes Plus. In dieser Beziehung war Bayer Leverkusen tatsächlich immer ein bisschen anfällig.


    Frage: Liegt der neue Erfolgscharakter auch an den neuen Spielern?


    Heynckes: Natürlich. Ein Hyypiä ist ein absoluter Siegertyp. Der hat über 100 Länderspiele für Finnland. Der ist in England durchs Fegefeuer gegangen. Und er will noch immer nur eins: gewinnen. Aber auch die jungen Spieler wie Derdyiok, Schwaab, Reinartz und Bender sind richtig gute Jungs. Das sind ehrliche Charaktere, die eine andere Mentalität haben und vorher nicht hier waren. Das Erfolgsdenken zu entwickeln ist ein Lernprozess, den ich angeschoben habe.


    Frage: Hilft Ihnen diesbezüglich ihre große Erfahrung?


    Heynckes: Ich bin bei einem Klub und einem Trainer groß geworden, bei dem Verlieren nicht auf dem Programm stand. In Mönchengladbach und Trainer Weisweiler wurden Niederlagen einfach nicht akzeptiert. Das sind Dinge, die verinnerlicht man. Das ist ganz wichtig für eine Mannschaft. Wir sind jedenfalls auf einem sehr guten Weg.


    Frage: Stefan Kießling sagte vor kurzem, Jupp Heynckes trifft immer den richtigen Ton. Haben Sie sich verändert?


    Heynckes: Ich denke, dass ich mit meinen Spielern immer respektvoll umgegangen bin. Natürlich habe ich auch immer Missstände angesprochen, manchmal auch sehr energisch. Wichtig ist in der heutigen Zeit und Gesellschaft, dass man auch Verständnis für Schwächen hat. Ich bin sicherlich diesbezüglich flexibler und auch großzügiger als früher. Und ich nehme mir Zeit mit den Spielern zu reden, vor dem Training zu flachsen. Ich bin auch interessiert, was sie zu Hause machen, wie es ihnen geht. Das sehe ich als wesentliche Aufgabe des Trainers. Er muss spüren, wenn es einem Spieler nicht gut geht.


    Frage: In Zeiten, da der Leistungsdruck gestiegen ist, muss das so sein.


    Heynckes: In unserer schnelllebigen Zeit, wo überall Druck erzeugt wird, muss man sensibilisiert sein. Ich bin sensibilisiert für unsere Spieler, aber auch für den Zeugwart oder einen Rudi Völler. Ich will kommunizieren. Es ist immer möglich, Probleme auf eine moderate Art und Weise aus der Welt zu schaffen. Wir haben aber insgesamt eine Truppe zusammen, die im zwischenmenschlichen Bereich wirklich einzigartig ist. Wir haben eine tolle Harmonie.


    Frage: Eine Harmonie, die Sie am Ende zum Meistertitel trägt?


    Heynckes: Schalke, Bayern, Hamburg, Bremen und wir kämpfen um den Titel. Wer am Ende vorne ist, muss man sehen. Wir sind optimistisch, dass wir unser Ziel erreichen. Das heißt, dass wir nächstes international dabei sind. Ob in der Europa League oder Champions League, werden wir sehen. Die Qualität dazu haben wir.


    Frage: Wenn Sie von Rudi Völler die Zusage bekämen, die Qualität des Kaders mit einem Spieler zu verbessern. Würden Sie den Spieler Jupp Heynckes verpflichten?


    Heynckes: Also erst einmal, würden alle Spitzenspieler aus der damaligen Zeit auch heute auf dem gleichen Niveau spielen und wären genauso begehrt, wie sie damals waren. Wir sind aber im Sturm so gut besetzt, dass ich Jupp Heynckes nicht verpflichten würde.


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