Don Jupp: "Unser Team hat einen einzigartigen Charakter" - Interview auf dfb.de - Teil I

  • Die Minusgrade haben Jupp Heynckes, Trainer von Bayer Leverkusen, nicht davon abgehalten, die Vorbereitung auf die Rückrunde im heimischen Umfeld durchzuführen. Im Interview mit FUSSBALL.DE erklärt Heynckes, warum er diese Variante einer Reise in den warmen Süden vorzieht. Außerdem spricht er über die WM-Chancen seiner Nationalspieler, die Möglichkeiten im Titelrennen und die Sticheleien vom großen Meisterschaftsfavoriten FC Bayern München.


    Frage: Herr Heynckes, ganz Deutschland friert und Sie haben ihr Trainingslager dennoch im heimatlichen Leverkusen aufgeschlagen. Warum sind Sie nicht in die Ferne gereist?


    Jupp Heynckes: Wir sind nicht im Trainingslager, wir machen unsere Vorbereitung hier in Leverkusen.


    Frage: O.k. warum bereiten Sie sich in der Heimat vor?


    Heynckes: Warum wir das machen, ist ganz leicht zu erklären. Es ist ja in dem Sinne keine Winterpause, sondern nur eine vierwöchige Unterbrechung des Liga-Betriebs. Durch die Feiertage hatten wir nur zwei Wochen Vorbereitung. Wir haben hier in Leverkusen optimale Bedingungen, können im Stadion trainieren. Es ist zwar etwas frisch, aber das macht den Spielern überhaupt nichts aus. Wir haben hier unsere ganze Infrastruktur, die Spieler können in ihren eigenen Betten schlafen und wir müssen nicht reisen.


    Frage: Sehen Sie in der kurzen Pause generell ein Problem für die Bundesliga-Klubs?


    Heynckes: Die Klubs müssen sich schon darauf einstellen. Ich kenne das aber aus meiner Trainerzeit in Spanien. Dort haben die Spieler nur eine Woche frei und trainieren dann schon wieder. Für mich ist das also kein Neuland und ich habe von Anfang die Periodisierung der Saison so gewählt, dass dieser Aspekt berücksichtigt ist. Da ist auf jeden Fall das Fingerspitzengefühl des Trainers gefragt.


    Frage: Ist es bei dieser längeren Belastung ohne richtige Pause dann ein Vorteil, wenn man, wie Sie nun, mit Rolfes, Helmes, Kadlec und Augusto vier Langzeitverletzte zurückbekommt? Sie können die Last auf viele Schultern verteilen.


    Heynckes: Andere Klubs werden jetzt aktiv auf dem Transfermarkt, um ihre Kader zu verbessern. Wir haben ja im Grunde auch vier Neue. Das hilft enorm. Alle sind wieder im Mannschaftstraining und arbeiten nun am Feinschliff. Sie brauchen erst einmal Trainingspraxis und dann Spielpraxis. Wenn Sie wieder voll auf der Höhe sind, helfen uns diese Spieler natürlich weiter, das Niveau zu halten. Wenn einer mal eine Schwächephase hat, stehen uns nun immer qualitativ hochwertige Alternativen zur Verfügung. Mit ihnen können wir auch einmal ein Spiel von der Bank gewinnen.


    Frage: Sie befürchten also keine Unruhe in der Mannschaft?


    Heynckes: Nein. Die Spieler haben mich in dem halben Jahr kennen gelernt. Sie wissen, bei uns herrscht ausschließlich das Leistungsprinzip. Jeder weiß, dass auch jene Profis, die in der Vergangenheit Leistungsträger waren, erst ihren Platz zurückerobern müssen. Mit guten Leistungen und nicht über den Status. Aber die Spieler, die da zurückkommen, haben so viel Substanz, die schaffen das irgendwann.


    Frage: Einer der in der Hinrunde von den Ausfällen profitiert hat, war Toni Kroos. Trauen Sie ihm erneut eine so starke Halbserie zu?


    Heynckes: Klar. Toni hat enorm an sich gearbeitet. Er ist für sein Alter sehr reif, in seinen Gedanken sehr klar. Ich habe ihm zu Saisonbeginn sehr deutlich gesagt, was er an seinem Spiel ändern muss. Das setzt er sehr gut um. Vielleicht wird er sogar noch besser. Mit einem gesunden Konkurrenzkampf in der Mannschaft, werden wir alle noch besser. Auch der Toni. Dann müssen sich die anderen Teams warm anziehen.


    Frage: Trauen Sie ihm zu, noch das WM-Ticket zu lösen?


    Heynckes: Eine Überraschung wäre es nicht. Er hat alle Chancen noch auf den Zug aufzuspringen. Gerade bei einem Welt-Turnier braucht man Spieler, die kreativ und phantasievoll sind. Spieler, die ein hohes spielerisches Vermögen haben. Da er nun auch noch das Kämpfen gelernt hat und sich in den Zweikämpfen enorm verbessert hat, ist das im geheimen bestimmt sein Ziel. Auch wenn er das nicht artikuliert.


    Frage: Sie können dem Bundestrainer Kroos also nur empfehlen?


    Heynckes: Bei der WM brauchen wir neben Özil noch andere kreative Köpfe auf hohem Leistungsniveau. Beim letzten WM-Sieg 1990 hatten wir auch nicht nur Littbarski und Hässler, sondern auch noch Thon, Bein und Möller. In dieser Kategorie sehe ich Toni Kroos.


    Frage: In ihrer Mannschaft ist die WM generell ein Thema. Es gibt einige Kandidaten in ihrem Team. Freuen Sie sich darüber, weil die Spieler deswegen eventuell noch motivierter sind?


    Heynckes: Alle großen Mannschaften haben bei den großen Turnieren immer viele Nationalspieler dabei. Das wäre ein großer Schritt nach vorne, wenn Bayer 04 Leverkusen neben den wohl gesetzten Rolfes und Adler zwei oder drei weitere Spieler im Aufgebot hätte. Das würde bedeuten, dass der Klub und die Mannschaft sich auf sehr hohem Niveau befinden. Für eine erfolgreiche Ära braucht man vier oder fünf Nationalspieler.


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