Olympia 2016 : Fünf Ringe für Rio de Janeiro

  • Erstellt 02.10.09, 17:37h, aktualisiert 02.10.09, 18:57h


    Die Olympischen Spiele 2016 werden in Rio de Janeiro und damit erstmals in Südamerika ausgetragen. Das entschied die Vollversammlung des IOC in Kopenhagen. Bewerber Chicago war schon im ersten Wahlgang ausgeschieden. Die Stadt steht unter Schock.


    KOPENHAGEN - Die XXXI. Olympischen Spiele werden 2016 in Rio de Janeiro und damit erstmals in Südamerika ausgetragen. Dies entschied am Freitag die 121. Vollversammlung des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) in Kopenhagen. Die Millionenstadt an der Copacabana behauptete sich gegen die Mitbewerber Chicago, Madrid und Tokio. Rio setzte sich im entscheidenden dritten Wahlgang gegen Madrid durch. Mitfavorit Chicago war sensationell bereits im ersten Wahlgang ausgeschieden; im zweiten Durchgang blieb Außenseiter Tokio auf der Strecke.


    Die Sechs-Millionen-Einwohner-Metropole war damit im fünften Olympia-Anlauf erstmals erfolgreich. Ausschlaggebend dürfte auch die emotionale Präsentation gewesen sein: Rio hatte das IOC aufgefordert, den weißen Fleck auf der olympischen Landkarte zu tilgen und die Spiele erstmals nach Südamerika mit seinen 400 Millionen Einwohnern zu vergeben. Es sei Brasiliens Zeit, rief Präsident Luiz Inacio Lula da Silva den IOC-Mitgliedern zu. "Unter den zehn stärksten Wirtschaftsmächten der Welt ist Brasilien das einzige Land der Welt, das noch nie Olympia-Gastgeber war", meinte Lula, "Rio ist bereit. Gebt uns die Chance, und ihr werdet es nicht bereuen".


    Beim fünften Anlauf, Olympia-Ausrichter zu werden, versuchte Rios Bewerbungskomitee die Kritikpunkte der IOC-Prüfer zu kontern. Das Sicherheitsproblem werde mit einem neuen Polizeisystem angegangen. Die notwendige Großinvestition von 14 Milliarden Dollar für die fehlenden Infrastrukturen sei gesichert.


    Chicago steht unter Schock


    Wie ein Schock hat die USA das Ausscheiden von Chicago getroffen. Tausende Menschen, die sich schon am Morgen auf dem Daley-Square in der Bewerber-Stadt eingefunden hatten, um dort auf die Nachricht aus Kopenhagen zu warten und zu feiern, reagierten zunächst mit ungläubigem Schweigen, dann mit einem lauten Seufzen. "Das ist unfassbar. Chicago wäre ideal gewesen", sagte A.D. Frazier, einer der leitenden Organisatoren der Olympischen Spiele in Atlanta 1996, dem Sender CNN. Auch Ex-Basketball-Star Michael Jordan fasste seine Enttäuschung in drei Worten zusammen: "Ich bin geschockt."


    Der Spitzenberater von US-Präsident Barack Obama, David Axelrod, zeigte sich ebenfalls enttäuscht. Es wäre "großartig" gewesen, die Spiele in die USA zu holen, sagte Axelrod dem Sender MSNBC. Aber: "Das Leben geht weiter." Axelrod verteidigte zugleich Obamas umstrittene Entscheidung, am Freitag vor dem IOC für seine Wahlheimatstadt zu werben. Obama werde jede Gelegenheit nutzen, für sein Land zu werben, der Blitzbesuch in Kopenhagen sei die Sache wert gewesen: "Ich bin stolz auf den Präsidenten."


    Obama selbst wollte sich noch am Freitag in Washington zur Olympia-Entscheidung äußern. Er hatte die Hiobsbotschaft hoch über dem Atlantik auf dem Rückflug von Kopenhagen erfahren. Wie es vorher hieß, wollte sich Obama in der Präsidentenmaschine vor den Fernseher setzen. Schließlich verfügt die Air Force One über eine TV-Anlage. Erst eine Woche vor dem Ereignis hatte sich der Präsident entschlossen, die zunächst als Chef-Cheerleaderin zum IOC entsandte First Lady Michelle vor Ort zu unterstützen.


    Da war der Druck auf "Chicagos Sohn", direkt vor dem IOC sein persönliches Gewicht in die Waagschale zu werfen, so stark geworden, dass er sich weichklopfen ließ - trotz der Gefahr, zum "Loser" zu werden und die erste Niederlage seiner Amtszeit auf internationalem Parkett einzustecken. Die Republikaner warfen Obama vor, er setze die falschen Prioritäten, solle sich lieber um die Wirtschaft kümmern, um die Arbeitslosigkeit und um Afghanistan. "Dieser Ausflug ist nett, aber nicht notwendig für einen Präsidenten", sagte Republikaner-Chef Michael Steele.


    "Ein riskantes Spiel", kommentierte auch die "Los Angeles Times". Obama verlor es, und das auch noch in der ersten Runde - damit hatten auch die Republikaner gewiss nicht gerechnet.


    Insgesamt hatte die Olympia-Vergabe die Amerikaner noch bis vor kurzem weitgehend kaltgelassen - ungewöhnlich für eine doch sonst so patriotische Nation. Die Medien berichteten nur sporadisch, die Rezession, der Streit um die Gesundheitsreform und Afghanistan drängten alles andere in den Hintergrund. So etwas wie ein Chicago-Fieber setzte erst vor wenigen Tagen ein, als Obamas Reisepläne bekannt wurden. Aber auch das längst nicht überall, und auch nicht in Chicago selbst.


    Dort hatte sich in den vergangenen Wochen und Tagen die Begeisterung über "Chicago 2016" abgekühlt, nur noch 47 Prozent der Bevölkerung sprachen sich für die Spiele vor der eigenen Haustür aus, 46 Prozent waren dagegen. Gruppen wie "Chicagoans für Rio 2016" gewannen täglich mehr Zulauf, insbesondere, nachdem der Stadtrat im September eine Finanzgarantie für die 4,8 Milliarden Dollar abgegeben hatte. "Nur" soviel sollte das Olympia-Spektakel nach den Kalkulationen des Bewerbungskomitees kosten, Kritiker glaubten, dass die Bevölkerung für dumm verkauft werden sollte, das Ganze weitaus teurer würde und die Steuerzahler am Ende die Zeche zahlen müssten.


    Das bleibt ihnen nun mit Sicherheit erspart. Und während die Olympia-Fans in Chicago schon kurz nach der Pleite bedröppelt nach Hause abzogen, begann bei den Gegnern das Feiern. (sid/dpa)


    http://www.ksta.de/jks/artikel.jsp?id=1254339045350