Die einzige Chance für das Supertalent

  • Der FC Bayern München ist dem Wunsch von Toni Kroos nachgekommen und hat sein vielleicht größtes Talent für eineinhalb Jahre bei Bayer Leverkusen "geparkt". Doch das Leihgeschäft wirft Fragen auf.


    Beim FC Bayern lieben sie Toni Kroos. Oder sollte man besser die Vergangenheitsform benutzen? Ottmar Hitzfeld, Oliver Kahn, Mehmet Scholl - viele Münchner Legenden sangen Loblieder auf das Supertalent.


    "Kroos muss immer spielen. Ich habe noch nie einen offensiven Mittelfeldspieler mit seinen Qualitäten gesehen, der dazu in diesem Alter schon so weit ist", sagte Scholl einst über seinen potentiellen Nachfolger, als der noch in der A-Jugend kickte.
    Hoeneß im Zwiespalt


    Hitzfeld attestierte ihm ein "unglaubliches Potential" und für Kahn war Kroos das Beste, "was ich seit Jahren im Nachwuchsbereich gesehen habe".


    Die Meinung der Herren Scholl, Kahn und Hitzfeld wird bei Bayern respektiert, im Prinzip haben die drei aber nichts mehr zu melden. Die Zahl von Kroos' Fürsprecher beim Rekordmeister ist mittlerweile arg gesunken. Manager Uli Hoeneß ist im Zwiespalt. Er hat Kroos einst das Trikot mit der Nummer zehn versprochen und will an ihm festhalten.


    "Unser Ziel, dass Toni hier Stammspieler sein muss, hat sich null Millimeter verändert. Nur der Weg dahin hat sich geändert", sagte Hoeneß der "Bild"-Zeitung.
    Völler überrascht


    Am letzten Montag rief der Manager Leverkusens Sportdirektor Rudi Völler an und bot Kroos zur Leihe an. Völler ließ sich nicht zweimal bitten, wenngleich die Anfrage selbst für ihn überraschend kam.


    "Es gab kaum einen Verein, der Toni nicht gerne gehabt hätte. Aber er wollte zu uns. Ich habe so einen kleinen Moment gedacht, wieso denn gerade zu uns?", sagte Völler.


    Eine berechtigte Frage. Leverkusen beherbergt keine Laufkundschaft im Mittelfeld, sondern mit Arturo Vidal, Simon Rolfes, Renato Augusto und Tranquilo Barnetta feine Techniker. Und Bernd Schneider hat seine Karriere nicht beendet, sondern steht kurz vor dem Comeback.


    Roland Kroos, der den Wechsel vorangetrieben hat, sieht für Sohnemann Toni bei Bayer dennoch bessere Entwicklungschancen als in München. "Im System von Bayer gibt es drei Positionen, die er spielen kann. In München wurde er letztlich nur auf einer Position eingesetzt, um die sich noch vier, fünf Mann gestritten haben", sagte Papa Kroos im Gespräch mit SPOX.
    Klinsmann sägt Kroos ab


    Bayern-Trainer Jürgen Klinsmann hatte für Kroos, wenn überhaupt, einen Platz im rechten Mittelfeld vorgesehen. An Bastian Schweinsteiger und Hamit Altintop kam Kroos zuletzt aber nicht ansatzweise ran.


    Zu Saisonbeginn stand Kroos bei Klinsmann hoch im Kurs, ehe der Coach aufgrund ausbleibender Erfolge seine Marschroute änderte.


    "Der Auftrag an mich vor meinem Antritt war, den Klub wieder dauerhaft in der europäischen Spitze zu verankern - ein mittelfristiger Entwicklungsauftrag. Wir haben deshalb jungen Spielern wie Breno, Sosa oder Kroos zu Beginn der Saison bewusst die Chance gegeben, Erfahrung zu sammeln", sagte Klinsmann der "Zeit". "Als der Erfolg ausblieb, haben wir die Entwicklung neuer Talente erst einmal zurückgestellt und uns aufs Gewinnen konzentriert."


    Ein Zufall, dass Kroos Leihgeschäft exakt dann endet - nämlich im Sommer 2010 - wenn auch Klinsis Vertrag in München ausläuft?
    Fehlende Leidenschaft


    Nur zweimal stand Kroos in der Bundesliga in der Startelf der Bayern. Viel zu wenig für Kroos' Ansprüche, der vor der Saison großspurig verkündet hatte, in absehbarer Zeit fester Bestandteil der Stammelf der Münchner zu sein.


    Dass es dazu bislang nicht kam, liegt auch an ihm selbst. Sein Ausbilder, Bayerns Nachwuchs-Trainer Hermann Gerland, attestiert ihm bisweilen fehlenden Einsatz.


    "Kroos hat unglaubliche fußballerische Qualitäten. Aber er muss sie mit Leistungsbereitschaft paaren. Das hat er viel zu wenig gemacht. Er hat in jedem Spiel Aktionen, wo man mit der Zunge schnalzt. Dann verliert er den Ball, läuft weiter und fehlt hinten. Das geht heutzutage nicht mehr, da muss er in Leverkusen dran arbeiten. Dort muss er zeigen, dass er einer ist, der es packen kann und will", sagte der "Tiger" der Zeitung "Die Welt".
    Babbel und Lahm als Vorbilder


    Bei Bayern trauten sie Kroos diesen Schritt nicht mehr zu. Sein Abschied passt irgendwie ins Bild. In der Vergangenheit wurde manch junger Bayern-Spieler schon als kommender Superstar gepriesen, verließ den Verein aber aufgrund Perspektivlosigkeit.


    Aufgegeben haben die Bayern Toni Kroos indes keineswegs. Der 19-Jährige soll in Leverkusen Spielpraxis sammeln, sich in der nächsten Saison auch international behaupten und als gestandener Profi 2010 zurückkehren. Dieses Experiment hat bei Markus Babbel (1992-94 beim HSV) und Philipp Lahm (2003-05 in Stuttgart) gut funktioniert.


    Falsches Zeichen an die Bayern-Jugend


    Hundertprozentiges Vertrauen in die Eigengewächse sieht aber doch anders aus.


    Die Bayern verzichten darauf, den nach Dortmund ausgeliehenen Mats Hummels zurückzuholen und kassieren lieber fünf Millionen Euro Ablöse. Statt auf Kroos zu bauen, wurde Alexander Baumjohann von Borussia Mönchengladbach zur neuen Saison verpflichtet.


    Für die kommenden Generationen an Jugendspielern ist es jedenfalls auch ein bedenkliches Zeichen, dass es selbst Deutschlands größtes Talent bei den Bayern nicht zum Stammspieler schafft. Bastian Schweinsteiger hatte diesen Umstand schon vor Jahren kritisiert, dass es Spieler mit Stallgeruch beim Rekordmeister schwerer haben würden, als teuer eingekaufte Stars.


    Hoeneß: "...dann schafft er es bei uns nicht"


    Im Fall Kroos ist eventuell eine Ausbildungsentschädigung an Bayer fällig, sollten die Bayern ihn doch schon nach dieser Saison zurück wollen. Diese Klausel steht im Leihvertrag. Eine Ausbildungsentschädigung zahlen für einen Spieler, den man selbst ausgebildet hat? Ein seltsamer Gedanke.


    Doch Hoeneß nimmt dies in Kauf: "Schafft Kroos es in Leverkusen nicht, dann bei uns erst recht nicht." Kroos steht unter Druck. In Leverkusen spielt das Supertalent um seine Zukunft.


    Quelle: Spox