Karrieresprung für einen Verbannten

  • Karrieresprung für einen Verbannten


    Leverkusen verpflichtet den beim VfL Bochum ausgemusterten Kapitän Thomas Zdebel. Die Bochumer Fans sind sauer, der Job des Trainers wird nicht leichter.


    Von Philipp Selldorf


    Wegen seiner Kämpfernatur war er bei den Bochumer Fans beliebt. Jetzt wechselt Thomas Zdebel nach Leverkusen.
    Foto: dpa


    Viele Fans des VfL Bochum sind seit Mittwochvormittag ein wenig ratlos. In den vergangenen Tagen hatten sie darüber debattiert, wie sie ihrer Wut, Abscheu und Empörung über die Strafversetzung des Kapitäns Thomas Zdebel in die Amateurmannschaft Ausdruck geben könnten, und man hat dann einen Plan gefasst: Beim nächsten Heimspiel, 31.Januar gegen den Karlsruher SC, würde man Zettel mit nichts mehr als der Zahl 8 drauf - Zdebels Rückennummer - in die Höhe halten, um dadurch einerseits Solidarität mit dem Verbannten zu zeigen und andererseits stumm, aber effektvoll gegen den Kurs der zunehmend missliebigen Vereinsverantwortlichen zu demonstrieren. Besonders gegen den Cheftrainer Marcel Koller, der in Bochum nicht mehr viele Freunde hat.


    Seit Mittwoch aber bedarf Zdebel keiner Solidarität mehr, eher wären wohl Glückwünsche angebracht. Der 35-Jährige Mittelfeldspieler kämpft ab sofort nicht mehr mit dem VfL gegen den Abstieg, sondern mit Bayer Leverkusen um einen der vorderen Plätze, und er muss nicht mehr zum täglichen Training den langen Weg aus seinem Wohnort bei Köln nach Bochum zurücklegen, sondern kann den Wagen schon nach ein paar Kilometern Fahrt abstellen.


    Double für Nationalspieler Rolfes


    Für Zdebel bedeutet diese Entwicklung einen unverhofften Karrieresprung im greisen Fußballeralter, wenngleich er sich darüber klar sein dürfte, dass seine Einsatzzeiten wohl beschränkt bleiben: Bei Bayer soll der Routinier die Doublerolle für Nationalspieler Simon Rolfes erhalten, und der hat die beneidenswerte Eigenschaft, dass er weder krank zu werden pflegt noch Verletzungen erleidet. In den dreieinhalb Jahren bei Bayer hat er nur zwei von 119 Ligaspielen versäumt.


    Leverkusens Geschäftsführer Wolfgang Holzhäuser ernannte das pragmatische Transfermanöver zur "strategischen Entscheidung". Soll heißen: die Kosten halten sich im Rahmen und stehen im Verhältnis zur begrenzten Verwendbarkeit des Spielers. Zdebel, der einst zwei Jahre an der Seite von Bayer-Trainer Bruno Labbadia für den 1. FC Köln gespielt hat, erhält einen Vertrag bis Saisonschluss. Im Gegenzug verlässt das Juniortalent Hegeler den Klub und schließt sich als Leihgabe dem FC Augsburg an.


    Ob der VfL mit einer Ablöse entschädigt wurde, darüber gab es keine offiziellen Auskünfte. Gerüchtehalber ist von 200000 Euro die Rede. Fest steht, dass man heilfroh war über den Antrag aus Leverkusen. "Wir wollten dem Spieler überhaupt keine Steine in den Weg legen", hieß es am Mittwoch in Bochum, was übersetzt bedeutet: Gott sei dank ist die Sache erledigt. "Ich hoffe, dass das Thema bald vom Tisch ist und Ruhe einkehrt", hatte Sportchef Thomas Ernst am Dienstag zum Fall Zdebel erklärt.


    Konflikt mit Trainer Koller


    Thomas Zdebel war seit 2006 Kapitän beim VfL, die Rolle hat ihm gut gestanden. Er sprach für die Mannschaft, gab eine glaubhafte Figur ab, und wusste zugleich auch die Linie des Vereins zu vertreten. Er war beliebt bei den Mitspielern und bei den Fans und eine ganze Weile auch beim Trainer Koller, doch das änderte sich im Laufe der Saison, die für den VfL so ganz anders gelaufen ist als man sich das vorgestellt hatte.


    Während der überaus enttäuschenden Vorrunde fand er sich oft auf der Reservebank wieder, und als er aus dem Winterurlaub zurückkehrte, endete seine Karriere beim VfL im Schnellverfahren. Anklage und Urteil waren eins. Vorwurf: Hochverrat.


    "Er hat nie klipp und klar gesagt, der Trainer muss weg, aber er hat sowohl intern als auch in Interviews immer wieder seine negative Haltung zum Trainer verdeutlicht", erläuterte Sportchef Ernst und raunte, er könne "auch im Sinne des Spielers nicht alle Beweggründe öffentlich darlegen". Beim VfL zog man Parallelen zum Fall Ballack bei der Nationalelf: Ein Trainer könne nicht dulden, wenn der Kapitän gegen ihn Stimmung mache. Zdebel konterte, er fühle sich "benutzt und betrogen" und versicherte, der Vorwurf der Illoyalität sei "Unfug".



    Treuebekundung des Arbeitsgebers


    Ob der Hausfrieden durch die schnelle Erledigung des Falles Zdebel wiederhergestellt ist, wird sich erweisen. Der Trainer darf das Schnellgericht gegen den langjährigen Kapitän zwar als Treuebekundung seines Arbeitgebers verstehen, der sich nach einigen Überlegungen darauf verständigt hat, den Abstiegskampf in der alten Besetzung anzugehen, aber Koller gibt sich nicht der Illusion hin, dass ihm die Fans künftig freundlicher gesonnen sein könnten.


    Die Partie gegen den Tabellennachbarn Karlsruhe gilt beim VfL als Schlüsselspiel für den Verlauf der Rückrunde, und für den Fall der Niederlage hat der Schweizer Fußball-Lehrer schon jetzt einen fatalistischen Trost parat: "Viel schlechter als gegen Köln kann die Stimmung nicht mehr werden."


    Im letzten Hinrundenspiel hatte man auf eine für diese Saison typisch klägliche Art 1:2 verloren. Diesmal ist mit Protesten schon vor Anpfiff zu rechnen. Die Fans beraten noch, wie sie ihrem Missmut über die VfL-Politik Gestalt geben wollen. Zdebel aber bleibt auch als Leverkusener ihr Mann.


    (SZ vom 08.01.2009/mikö)


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