Die Wegwerf-Gesellschaft

  • Bayer 04 Leverkusen
    Die Wegwerf-Gesellschaft
    VON UDO BONNEKOH

    (RP) Rudi Völler stuft die Situation nach dem 1:2 in Dortmund als „nicht dramatisch“ ein. Der Sportdirektor bezeichnet die Lage aber als sehr ernst und hat Furcht vor weiteren Verlusten.


    Die beiden netten älteren Herren vom Sicherheitsdienst haben gestern Morgen im Innenhof der BayArena kein besonders wachsames Auge aufs vertraute Terrain werfen müssen samt Fuhrpark der Leverkusener Profis. Das ist normalerweise ihre ernst zu nehmende Aufgabe. Am Tag nach Bayers 1:2 in Dortmund aber hat sich niemand dem abgeschirmten Areal in verdächtiger Weise genähert. Selbst die Rentner, die gern zusammenkommen und die Ereignisse des Bundesliga-Spieltags in aller Ausführlichkeit durchhecheln, sind diesmal fern geblieben. Nur eine junge Dame verharrte in der Nähe, und sie bekam ihr Bild – mit sich in der Mitte, flankiert von den verdienten Carsten Ramelow und Bernd Schneider. Ob sie bei der Zusammenstellung des Fotos nach persönlicher Zuneigung entschied, nach Zufall oder nach Mitleid, weil die beiden Routiniers gerade mehr oder weniger out sind in Leverkusen? Ramelow gesellte sich danach zur großen Gruppe der Trainierenden, Schneider trennte sich und ging allein zum Laufen, weil ihn die Wadenmuskeln zwicken.


    Rudi Völler saß derweil in seinem Büro – und machte sich Sorgen. „Wir hängen im Moment durch. Selbst wenn wir das Spiel gewonnen hätten – das ist nicht mehr die Mannschaft von vor einigen Wochen“, sagte der Sportdirektor, der die Situation als „nicht dramatisch“ empfindet. „Doch sie ist sehr ernst, wenngleich wir in den restlichen Spielen noch die Chance haben, die Kurve zu kriegen.“ Völler, der am Sonntag sein 48. Lebensjahr vollendet, ist von der Furcht bedrängt, dass „wir alles wegwerfen, was wir uns in dieser Saison aufgebaut haben“. Ein nicht mehr funktionierendes Team als besondere Wegwerf-Gesellschaft?


    Doch wo ansetzen, um die Verluste zu stoppen? „Sie laufen ja alle, machen und tun“, sagte Völler, „doch es fehlen eben Form und Frische.“ Stefan Kießling, mal wieder der Fleißigste in einer Gruppe, in der im Moment nur Torwart René Adler als eine verlässliche Größe in Erscheinung tritt, riet gleich nach der Niederlage vom Sonntag: „Jeder muss wieder den hundertprozentigen Willen zum Sieg zeigen.“ Laufende Veränderungen in der Elf in den vergangenen Wochen allerdings scheinen nicht dienlich auf der Suche nach altem Profil, wenngleich sich in Dortmund Lukas Sinkiewicz und Pirmin Schwegler noch ordentlich präsentierten. Was sich aber kaum jemandem erschloss, war der Sinn von Trainer Michael Skibbes aktuellem Wechselspiel: Theofanis Gekas, gut unterwegs und in der Dortmunder Abwehr-Schnittstelle auf Zuspiele wartend, raus und Arturo Vidal rein? Womöglich war es die Macht der Gewohnheit, die Skibbe trieb.


    „Die Niederlage ist ja deshalb so schmerzlich, weil sich die Dortmunder mit unserem Sieg schon arrangiert zu haben schienen. Aber wir haben sie aufgebaut, ganz, ganz bitter“, sagte Kapitän Simon Rolfes gestern Morgen und versuchte seine Muskeln beim Auslaufen zu entspannen.


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