Der „Mini-Ballack“ gewinnt in Leverkusen an Größe

  • Der „Mini-Ballack“ gewinnt in Leverkusen an Größe


    Von Gregor Derichs, Leverkusen


    21. Februar 2008
    Simon Rolfes ist blond, groß und freundlich sowie ein Muster an Zuverlässigkeit und Konstanz. Dass er einen steilen Aufstieg geschafft hat, ist ihm bewusst. Im Uefa-Pokalspiel gegen Galatasaray Istanbul bestreitet der Westfale an diesem Donnerstag das 111. Pflichtspiel für Bayer Leverkusen nacheinander.


    „Das Schönste an der Serie ist, dass ich so lange verletzungsfrei geblieben bin“, sagt Rolfes. Dass er, obwohl meist im Zentrum des Geschehens stehend, immer fair spielte und keine Sperre ihn zur Pause zwang, erwähnt der Sechsundzwanzigjährige nicht. Rolfes ist ein netter, bescheidener Mann, der aber genau weiß, was er will. Seine Karriere hat er sorgsam geplant; „Ich habe immer überlegt, was als nächster Schritt möglich ist. Es ist besser, zielorientiert vorzugehen.“


    Seit dem 10. September 2005, dem vierten Spieltag der Saison 2005/06, hat Rolfes alle Spiele für die Rheinländer bestritten. Die Wertschätzung für den Mittelfeldspieler stieg mit seinen Leistungen. Als „Mini-Ballack“ hatte ihn Bayer-Sportdirektor Rudi Völler schon bezeichnet, als er für 650.000 Euro vom Zweitligaklub Aachen verpflichtet wurde. „In dieser Saison hat er einen riesigen Schritt nach vorne gemacht“, sagt Völler.


    Inzwischen wird der Marktwert des Westfalen, der seinen Vertrag bis 2010 verlängerte, auf sieben Millionen Euro taxiert. Kaum wahrgenommen, hat sich Rolfes in der Nationalmannschaft einen Platz hinter der ersten Formation erarbeitet. Beim 0:1 im März 2007 gegen Dänemark, als Joachim Löw in Duisburg eine B-Garnitur auflaufen ließ, gab er sein Debüt.


    Mittlerweile hat Rolfes sieben weitere Länderspiele absolviert, darunter drei Halbzeit-Einsätze. „Simon ist ungemein ballgewandt. Er kann ein Spiel beruhigen, aber auch das Tempo verschärfen“, sagt Bundestrainer Löw. Rolfes darf davon ausgehen, dass er im Mai für die Europameisterschaft nominiert wird.


    In Leverkusen hat er sich schon unverzichtbar gemacht. Mit fünf Toren in den letzten sieben Bundesligaspielen stellte der Linksfuß verstärkt seine Offensivqualitäten unter Beweis. „Das ist kein Zufall, denn das habe ich mir vorgenommen“, erklärt er. In der Defensive löste er zunächst Carsten Ramelow ab, nicht nur als geschickter, robuster Zweikämpfer, sondern auch als Kapitän. Als Ramelow und Bernd Schneider verletzt fehlten, fiel die Rolle des Spielführers wie von selbst auf Rolfes. Der Mann ist auf dem Spielfeld einfach omnipräsent.


    Dass er auch im Spielaufbau durch exaktes Passspiel und im gegnerischen Strafraum durch Durchschlagskraft überzeugt, liegt an seinem Werdegang. „Die Position hinter den Spitzen liegt mir. Aus der Tiefe nach vorne zu gehen ist meine absolute Wunschposition“, sagt Rolfes, der als Beispiel dienen kann, dass eine stufenweise Karriereentwicklung ihre Vorteile hat. Nicht große Sprünge, sondern kleine Schritte hat er vollzogen.


    Beim TuS Recke, vom Vater und von drei älteren Brüdern lernte er das Fußballspielen. Nach seinem Wechsel zu Werder Bremen bestritt er dort lediglich hundert Regionalligaspiele in der zweiten Mannschaft, obwohl er mit 20 Jahren einen Profivertrag erhalten hatte. Deswegen wählte er bewusst den Umweg über die Zweitligaklubs Reutlingen und Aachen. „Ich bin nicht von null auf hundert gestartet, ich bin immer eine Station weiter gegangen und habe immer gespielt. Das trägt vielleicht zu meinen kontinuierlichen, konstanten Leistungen bei“, vermutet er. Gegen Istanbul soll nach dem 0:0 im Hinspiel eine weitere folgen.


    Text: F.A.Z., 21.02.2008, Nr. 44 / Seite 32

    Wenn die Zeit kommt, in der man könnte, ist die vorbei, in der man kann.