Adler, immer wieder Adler

  • Bayers Torwartdebütant meistert beim glücklichen 1:0 in Schalke jede Aufgabe und entnervt den Tabellenersten, der Lincoln verliert.
    Von Philipp Selldorf


    isher durften sich Schalke 04 rühmen, in Manuel Neuer, 20, den Aufsteiger der traditionell talentierten deutschen Torhüterszene zu beschäftigen. Doch seit Sonntagabend ist es gut möglich, dass René Adler, 22, ihm demnächst einmal diesen Rang streitig machen möchte. Denn der Leverkusener Nachwuchstorhüter, der gestern beim Tabellenführer in Vertretung des gesperrten Jörg Butt sein Profidebüt gab, brillierte bei seiner Premiere mit einem Dutzend grandioser Paraden und hatte maßgeblichen Anteil am überraschenden 1:0 (0:0) des Uefa-Cup-Teilnehmers.


    Den sehr glücklichen Sieg sicherte der eingewechselte Stefan Kießling mit einem Sololauf, an dessen Ende er auch Neuer keine Chance ließ (85.). Nachdem Abpfiff musste der enttäuschte Tabellenführer auch noch die Rote Karte für Spielmacher Lincoln hinnehmen, der sich im Abspann eine rüde Tätlichkeit gegen Nationalspieler Bernd Schneider leistete. ,,So etwas wie bei Lincoln darf nicht passieren. Die Bilder lügen nicht‘‘, meinte Schalkes Mittelfeldspieler Hamit Altintop und haderte: ,,Zuhause ist es für uns immer schwer, Leverkusen hat nur auf Konter gespielt.‘‘


    Der Schwung und die aggressive Dynamik, die Schalke in den vergangenen Partien ausgezeichnet hatten, blieben wurden vom Fanvolk schmerzlich vermisst. Besonders im Vorwärtsgang stockte der Motor, weil die Aufreißerdienste des schnellen Lövenkrands und damit die fälligen Anspielstationen fehlten. Notgedrungen hatte Slomka die bewährte 4-3-3-Formation aufgeben müssen, der neu hinzugekommene Hamit Altintop verstärkte auf der rechten Seite das Mittelfeld. Dazu kam, dass Bayer - bis auf Butt, den langzeitverletzten Roque Junior und Voronin (Grippe) weitgehend komplett - die Partie als Fortsetzung des Europacupspiels vom Donnerstag anging. Sie verteidigten mit einer Massivität und Hartnäckigkeit, als befänden sie sich noch im Ewood Park in Blackburn. Kießling saß zunächst auf der Bank, Barbarez bildete einen Solo-Sturm in Teilzeit-Arbeit. Torszenen gab es deswegen während der ersten Halbzeit nur selten.


    Halil Altintop bot sich nach einem Doppelfehler von Freier und Castro eine bescheidene Gelegenheit, die aber der Leverkusener Ersatzkeeper Adler mit Entschlossenheit zunichte machte. Einige Minuten darauf befand sich Ernst freistehend im Strafraum in günstiger Position, aber der Mittelfeldmann hat bekanntlich die Zé-Roberto-Krankheit: Er kann exzellente Pässe schlagen und mit klarem Blick das ganze Spiel überschauen, aber er kann keine Tore schießen. So endete sein trauriger Versuch beim nächstbesten Verteidiger. Und nachdem Simon Rolfes die einzige ordentliche Bayer-Chance vertan hatte, gab es schließlich noch eine Möglichkeit für Kuranyi, der von der Strafraumgrenze abzog - sein Ziel aber um einen knappen Meter verfehlte.


    nsonsten beharkten sich die beiden Mannschaften meistens auf engem Raum im Mittelfeld, was vor allem Lincoln das Leben schwer machte. Seine Ideen waren eigentlich besonders gefragt, aber der Regisseur blieb oft im Bemühen stecken und hatte eine hohe Fehlpassquote. Bei Bayer suchten die fürs Kreative zuständigen Schneider und Barbarez ebenfalls vergeblich Anschluss. Dieser Stillstand ließ dann auch das zunächst noch euphorisch gestimmte Publikum verstummen. Eher bang gespannt als furios verfolgten die Schalker Fans das Geschehen, woran auch der Aufschwung nach der Pause nicht viel änderte. Halil Altintop kam dem 1:0 am nächsten, als er den Ball über Adler lupfte - doch dann betrat Juan die Szene und beseitigte das Problem.


    Schalke machte nun deutlich mehr Druck, rannte aber gegen die starke Deckung an wie die Indianer gegen die Wagenburg der Bleichgesichter. Kuranyi, Lincoln und Rodriguez mussten obendrein bei ihren Chancen feststellen, dass Leverkusen über einen sehr guten Nachwuchstorwart verfügt. Nächste Woche ist Jörg Butt wieder einsatzbereit, und Adler wird dann wohl wieder auf der Bank Platz nehmen müssen - nach seiner überragenden Leistung von gestern ein kleines Verbrechen.


    (SZ vom 26.2.2007)


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