Bayer, die unvollendete

  • 3:2-Erfolg über Blackburn
    Bayer, die Unvollendete


    Von Peter Hess, Leverkusen
    15. Februar 2007


    Am Ende dieses Abends war es wie so oft in dieser Spielzeit. Als der Vorhang fiel, erhielt Bayer Leverkusen freundlichen, wohltemperierten Applaus für seine Vorstellung, aber unter den Beifall mischten sich Seufzer. Tja, die alten glorreichen Tage sind vorüber, seitdem die Bayer AG das Geld spärlicher in den Leverkusener Profifußball fließen lässt. Die angehäufte Qualität reicht immer noch aus, um ein paar Glanzlichter zu setzen, aber der durchschlagende Erfolg stellt sich nicht ein. Das war am Mittwochabend im Hinspiel des Uefa-Cup-Sechzehntelfinales gegen Blackburn Rovers nicht anders als in der Bundesliga, wo nach 21 Spieltagen der siebte Tabellenplatz behauptet wird.


    Auch das 3:2 über die Engländer darf achtbar genannt werden, und es wahrt noch die Chancen auf den Einzug in die nächste Runde. Aber es bannt wie die Ligaplazierung auch nicht die Gefahr, dass Ende Mai, am Abrechnungsdatum, die Leverkusener Fußballsaison als verkorkst abgehakt werden muss. Wie groß sind noch die Chancen, dass Leverkusen das Achtelfinale des Uefa-Pokals erreicht? Das ist schwer zu beurteilen nach den Leistungen des Hinspiels. Bayer demonstrierte die weitaus bessere Spielanlage, kreierte immer wieder magische Momente.


    Leverkusener Phänomene


    Aber Blackburn kompensierte die spielerische Unterlegenheit durch Wucht und Durchsetzungsvermögen. Das Ergebnis entsprach in etwa dem Verhältnis an großen Torchancen. Die Leverkusener haderten damit, dass der zweite Treffer der Rovers durch Nonda erst drei Minuten vor dem Abpfiff fiel. Aber dafür hatten sie Glück in einigen früheren Szenen. Mark Hughes, der Trainer der Rovers, bemängelte, sein Team sei in Leverkusen unter seinem Standard geblieben. „Wir haben viele Verletzte.“ Dennoch habe seine Mannschaft viele Torchancen herausgespielt. „Ich gehe davon aus, das wird uns auch im Rückspiel gelingen, wenn wir wieder fast komplett sein werden. Wir werden ein ganz anderes Spiel zeigen.“


    Bayer muss die Blackburner Heimstärke fürchten, schon in der BayArena erwies sich die Abwehr zeitweise als schwankend. Die verletzten brasilianischen Nationalverteidiger Juan und Roque Junior würden in England dringend gebraucht. Die Innenverteidiger Haggui und Callsen-Bracker hatten zwar viele gute Szenen, aber in manchen Augenblicken offenbarten sie ihre Schwächen. Dieses Phänomen zieht sich durch die gesamte Leverkusener Mannschaft. Die ambitionierte Arbeit von Trainer Michael Skibbe, einen modernen, offensiven Fußball spielen zu lassen, ist erkennbar, aber nicht abgeschlossen.


    „Bringt nichts, sich vorher in die Hose zu machen“


    Bayer, die Unvollendete. Das gilt nur nicht für einen: Bernd Schneider. Der 33 Jahre alte Nationalspieler dirigiert im Mittelfeld auf einem Niveau, das absolute europäische Spitzenklasse darstellt. Trotz des fortgeschrittenen Alters verfügt Schneider über eine körperliche Fitness, die ihn dazu befähigt, 90 Minuten das Spielfeld zu beackern und ohne Konzentrationsverlust sein Genie zum Strahlen zu bringen. Kunst und Handwerk, Frechheit und Demut, Freude am Solo wie am Mannschaftsspiel: Schneider vereinigt alle Tugenden eines Fußballprofis in sich.


    Das 1:0 durch Callsen-Bracker bereitete er durch einen Freistoß vor, das 3:1 schoss er selbst. Wie er den Ball nach einer scharfen Hereingabe von Castro mit der Hacke ins Tor von Blackburn lenkte, bildete den Höhepunkt des Abends. Dazwischen lagen zwei Zufallstreffer durch Bentley und Ramelow, deren Schüsse jeweils abgefälscht wurden. Am Ende blieben alle Fragen offen, weil Nonda spät noch zum 2:3 traf.


    Hoffen ist erlaubt - für beide Teams. Bayer-Mannschaftskapitän Carsten Ramelow erwartet nach dem intensiven, hart umkämpften Hinspiel einen ganz heißen Tanz in Blackburn: „Aber solche Spiele machen auch besonderen Spaß. Es bringt nichts, sich vorher in die Hosen zu machen.“ Wenn seine Einstellung zum Leverkusener Allgemeingut wird, kann es mit der nächsten Runde klappen.


    Bayer Leverkusen - Blackburn Rovers 3:2 (2:1)
    Leverkusen: Butt - Castro, Haggui, Callsen-Bracker, Babic - Ramelow, Rolfes - Barbarez, Schneider - Kießling (85. Freier), Woronin
    Blackburn Rovers: Friedel - Emerton, Henchoz, Nelsen, Warnock - Bentley, Mokoena (90.+1 Todd), Tugay, Dunn (65. Peter) - McCarthy, Roberts (69. Nonda)
    Schiedsrichter: Vink (Niederlande)
    Zuschauer: 19.000
    Tore: 1:0 Callsen-Bracker (18.), 1:1 Bentley (39.), 2:1 Ramelow (43.), 3:1 Schneider (56.), 3:2 Nonda (87.)
    Gelbe Karten: Barbarez / Mokoena




    Text: F.A.Z. vom 16. Februar
    Bildmaterial: AP, dpa, REUTERS


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    Wenn die Zeit kommt, in der man könnte, ist die vorbei, in der man kann.