Andriy Voronin: "Ich kann es kaum mehr erwarten"

  • Der 3. September 2005 war für die Ukraine ein historisches Datum. Denn an diesem Tag schaffte die Fussball-Nationalmannschaft des Landes zum ersten Mal in ihrer Geschichte die Qualifikation für die Endrunde eines großen Turniers. In einer schwierigen Gruppe mit Griechenland, Dänemark und der Türkei wurde die Mannschaft von Trainer Oleg Blokhin souverän Gruppenerster und qualifizierte sich als erstes europäisches Team für die FIFA Fussball-Weltmeisterschaft Deutschland 2006™.


    Mit dafür verantwortlich war auch Andriy Voronin. Der Stürmer von Bayer 04 Leverkusen, der bereits in der UEFA Champions League internationale Erfahrungen sammelte, will nun mit seinen Teamkollegen bei der WM-Endrunde in seiner Wahlheimat für Furore sorgen. Im Exklusiv-Interview mit FIFAworldcup.com sprach Voronin über die Ziele der Ukrainer, Superstar Andriy Shevchenko und potenzielle Überraschungen.


    Die Ukraine nimmt erstmals in der Geschichte an der Endrunde einer FIFA Fussball-Weltmeisterschaft™ teil. Wie beurteilen Sie die Erfolgsaussichten Ihrer Mannschaft?
    Viele Leute halten uns für einen Geheimfavoriten und räumen uns gute Chancen ein, das macht einen natürlich stolz. Unser Ziel ist es aber, zunächst einmal die Gruppenphase zu überstehen, das wird hart genug werden. Dann trauen wir uns alles zu und wollen alles dafür tun, dass wir so weit wie möglich kommen.


    Haben Sie schon realisiert, dass die Ukraine endlich bei der WM-Endrunde dabei ist und zu den besten 32 Teams gehört?
    So langsam schon. Als wir es geschafft hatten, haben wir natürlich in der Heimat gefeiert, aber zunächst noch gar nicht realisiert, was wir da eigentlich erreicht hatten. Aber als die Leute auf der Straße auf uns zukamen und uns feierten, da wurde uns langsam bewusst, dass wir etwas ganz Besonderes vollbracht haben. Das macht uns natürlich stolz.


    Was ist die größte Stärke der ukrainischen Nationalmannschaft?
    Wir gewinnen und verlieren zusammen als Mannschaft. Wir versuchen, in der Defensive gut zu stehen und kein Gegentor zu kassieren, um dann über unsere schnellen Angreifer bei Kontern Tore zu erzielen. Genau das ist unsere Qualität.


    Sie sind ein international renommierter Spieler, aber über allem thront Superstar Andriy Shevchenko. Was hat er für eine Bedeutung für Ihre Mannschaft?
    Viele kennen nur Shevchenko aus unserem Team. Aber uns macht stark, dass wir eine Mannschaft sind und alles zusammen machen. Wir schauen nicht auf Shevchenko. Er ist natürlich ein Führungsspieler, aber er weiß auch, dass er zur Mannschaft gehört und ohne die Mannschaft nicht viel auf die Beine stellen kann, und wir wissen, dass wir ihn brauchen. Wir haben ein gutes Kollektiv, auf und neben dem Platz, das ist unsere Stärke.


    Welche Bedeutung hat die erstmalige WM-Teilnahme für Sie und Ihre Teamkollegen sowie für die Menschen in Ihrem Heimatland?
    Für uns Spieler und auch für das ganze Land ist das natürlich eine großartige Sache. Die Leute fiebern seit Jahren mit uns mit, die Stadien waren immer voll. Alle wollten, dass wir endlich einmal bei einem großen Turnier dabei sind. Jetzt, da dies endlich geklappt hat, sind natürlich alle stolz und freuen sich mit uns. Viele Leute sprechen einen auf der Straße an und sagen ’Jungs, das habt Ihr super gemacht, wir stehen hinter Euch.’ Das macht schon Spaß. Für mich ist das die größte Ehre. Ich bin stolz, für die Ukraine zu spielen.


    Sie selbst sind schon seit vielen Jahren in Deutschland in der Bundesliga aktiv. Was bedeutet es für Sie, die Weltmeisterschaft in Ihrer Wahlheimat zu spielen?
    Das ist natürlich eine große Sache für mich. Ich kenne fast alle Stadien. Nach dem Saisonende in der Bundesliga beginnen wir jetzt mit der Vorbereitung und absolvieren noch ein paar Freundschaftsspiele. Im Juni geht es dann endlich los. Ich bin schon voll mit dem Kopf bei der WM. Ich kann es kaum erwarten, dass der Schiedsrichter das erste Spiel anpfeift.


    Vor vier Jahren sind Sie in den Play-offs zum FIFA Weltpokal Korea/Japan 2002™ an Deutschland gescheitert. In der Qualifikation zur FIFA WM 2006™ haben Sie dagegen trotz einer schweren Gruppe in beeindruckender Manier als erstes europäisches Team das Ticket nach Deutschland gelöst. Wie erklären Sie sich diese Leistungsexplosion?
    Wir haben an uns geglaubt und nicht darauf geschaut, ob wir gegen Dänemark, die Türkei oder Europameister Griechenland spielen. Wir wussten, was wir können. Im Fussball kann jeder gegen jeden gewinnen. Von daher haben wir versucht, uns auf unsere Stärken zu besinnen und keine Angst vor unseren Gegnern zu haben. Natürlich hatten wir auch das nötige Glück. Die gegnerischen Teams haben das Spiel gemacht, das ist einfacher für uns. Wir haben hinten dicht gemacht und über unsere schnellen Leute gekontert. Damit haben wir die Qualifikation so erfolgreich überstanden.


    Sie spielen bei der WM in der Gruppe H, die auf den ersten Blick machbar erscheint. Schielen Sie bereits mit einem Auge auf das Achtelfinale?
    Es wird schon schwer. Viele denken bereits, dass wir in der Gruppe durchmarschieren. Aber ich weiß, dass die Spiele gegen Tunesien und Saudiarabien ganz schwer werden. Deshalb muss man sich in jeder Partie voll konzentrieren, denn es gibt nur drei Spiele. Wir müssen alles geben, denn eine Weltmeisterschaft gibt es vielleicht nur einmal in unserem Leben als Fussballer. Ich werde dieses Jahr 27 Jahre alt und weiß nicht, ob ich noch einmal bei einer WM dabei sein werde. Ich hoffe natürlich, dass wir mit unserem Team weiterkommen, dafür werden wir alles tun.


    Wer ist Ihr großer Favorit auf den Titelgewinn? Glauben Sie vielleicht an eine Überraschung durch die Ukraine – so wie Griechenland bei der Europameisterschaft 2004?
    Brasilien ist für mich natürlich der Favorit. Bei den Spielern, die sie in ihren Reihen haben, müssten sie eigentlich durchmarschieren und alle Spiele gewinnen. Aber es wird bestimmt eine Überraschungsmannschaft geben, wie eigentlich bei jedem Turnier bisher – egal, ob Europa- oder Weltmeisterschaft. Ich kann aber nicht sagen, wer diese Mannschaft sein wird. Ich hoffe natürlich die Ukraine.


    Welche Bedeutung hat Nationaltrainer Oleg Blokhin für das Team, und wie ist das Verhältnis der Spieler zu ihm?
    Wir respektieren ihn. Er war ein Superspieler und der beste Fussballer Europas. Er hat mit der Nationalmannschaft (UdSSR) bei der WM gespielt und viel erreicht in seiner Karriere. Wir respektieren ihn als großen Spieler von damals und guten Trainer heute. Er hat uns klare Ziele vorgegeben und uns gesagt: ’Jeder, der nicht mitzieht, ist weg – egal, wer das ist. Ich hole nur die Leute an Bord, die mit mir durchs Feuer gehen.’ Das hat geklappt, er hat uns zur Weltmeisterschaft gebracht. Mit ihm können wir etwas erreichen. Wir freuen uns alle, dass er unser Trainer ist. Ich hoffe, dass es bei der WM so weitergeht.


    Quelle: fifaworlcup.com