Bayers Nowotny will auf WM-Zug aufspringen

  • Der Leverkusener Fan hat ein ausgeprägtes Gespür für die feinen emotionalen Zwischentöne auch außerhalb des grünen Rasens. Gelegentlich sagt er dann auch, was er denkt – und zwar recht lautstark. Oder aber er weist mit pfiffigen Transparenten auf das hin, was ihn bewegt.


    Dass die Finanzaffäre um Reiner Calmund für die Bayer-Treuen am Samstag unerwähnt blieb, ist beileibe kein Indiz dafür, dass ihnen inzwischen die Sensibilität verloren gegangen ist. Vielmehr beweist diese vermeintliche Ignoranz, dass sie es wohl endgültig leid sind, nach der Nowotny-Posse und den Pensionsstreitigkeiten des den ehemaligen Managers sich nun eines neuerlichen Falls aus der Reihe «aktuelles Bayer-Gericht» anzunehmen.


    Skibbe sieht positiven Trend bestätigt


    Nach vielen Wochen und Monaten der sportlichen Tristesse steht ihnen – wen wundert's – der Sinn eher nach fußballerischen Highlights denn nach juristischen Winkelzügen. Und dass Bayer inzwischen auf dem besten Wege ist, sich wieder ins Rampenlicht der Liga zu bugsieren, gefällt ihnen weit mehr. Zu diesem neuen Optimismus gab auch das 1:1 (1:1) gegen Werder Bremen Anlass, auch wenn die hohe Schule der Fußballkunst noch längst nicht erreicht ist. «Aber», so ihr inzwischen liebgewonnene Trainer Michael Skibbe, «es verfestigt sich der Trend, dass die Mannschaft homogener ist und daher langsam durchschlagskräftiger wird.»


    Die Mannschaft hätte diese vollmundige Aussage ihres Trainers durchaus auch in Zahlen eindrucksvoll belegen können. Doch die vielen guten Ansätze blieben meist kurz vor ihrer erfolgreichen Ausführung in der eigenen Hektik stecken. «Wenn ich unsere Chancen sehe, kann ich mit dem Ergebnis nicht zufrieden sein», resümierte Skibbe, dem am Ende nur «der perfekte Pass» zum totalen Glück gefehlt hat. «Nach der Pause haben wir nichts mehr zugelassen und das Spiel bestimmt. Daraus hätten wir mehr machen müssen.»


    Werder ist keine Übermannschaft


    Das sah auch der Gegner aus Bremen, sofern er nicht all zu emotional in das Spielgeschehen einbezogen war. So konstatierte Ihr Manager Klaus Allofs: «Wir sind auf eine Leverkusener Mannschaft gestoßen, die sehr engagiert und clever gespielt hat. Trotzdem können wir mehr.»


    Dass ihm angesichts dieser Diskrepanz vor dem Achtel-Finalrückspiel in der Champions League am Dienstag bei Juventus Turin (Hinspiel 3:2) Angst und Bange wird, wollte er allerdings nicht bestätigen: «Das ist ein ganz anderes Spiel und mit dem hier nicht zu vergleichen.» Aber Allofs stellte auch fest, dass «wir nicht in einer anderen Liga spielen. Wir haben nicht die Mittel zum zu sagen, da fahren wir nach Leverkusen und hauen die einfach weg!»


    Nowotny nah an Körperverletzung


    Beinahe wäre dieses Dilemma den Bremern und insbesondere Tim Borowski wiederfahren - und das im wahrsten Sinne des Wortes. In der 44. Minute hatte Jens Nowotny den Nationalspieler mit einer eingesprungenen Fluggrätsche derart bös von den Beinen geholt, dass der Leverkusener von Glück reden konnte, dass Schiedsrichter Fandel nur Gelb zückte. «Ich bin kein Spieler, der eine Rote Karte fordert. Aber das, was Jens gemacht hat, grenzte an Körperverletzung.»


    Der Leverkusener ließ derlei Betrachtung nicht gelten. «Das war ein normales internationales Foul. Schiedsrichter Fandel ist erfahren genug, es richtig einzuordnen – was er mit Gelb auch getan hat.» Ungeachtet dieses Zwischenfalls wurde Nowotnys sportliches Auftreten als eine tadellose Leistung gewertet. Und das Ansinnen des Rückkehrers, noch auf dem WM-Zug aufspringen zu können, fand neue Unterstützung: «Jens hat unsere Defensive deutlich stabilisiert. Diese Entwicklung muss er weiter festigen», erklärte Skippe, «über seine Rückkehr in die Nationalmannschaft muss sich Jürgen Klinsmann dann den Kopf zerbrechen.»


    Turin lässt grüßen


    Die Einordnung dieses einen Punktes fiel bei Werder eher verhalten aus. Während sich bei der Mannschaft die Meinung verfestigt, zwei Punkte liegen gelassen zu haben, überwog auf der oberen Etage eher die positivere Einschätzung. «Auf einer Skala von zufrieden bis sehr, sehr enttäuscht liegt die Gefühlslage genau in der Mitte», umschrieb Klaus Allofs sein persönliches Seelenleben.


    Trainer Thomas Schaaf indes mochte angesichts der bevorstehenden Champions-League-Verpflichtung nicht zu tief in die Kritik einsteigen: «Wir haben heute nicht versagt. Wir haben es nur verpasst, Ruhe in unser Spiel zu bringen. Sicherlich hat die Partie am Dienstag mit dazu beigetragen, dass einige nicht ganz frei im Kopf waren.»


    Dass Werder deutlich zulegen muss, um nach dem knappen 3:2-Hinspielsieg das «Wunder von Turin» realisieren zu können, steht außer Frage. Aber Bayer ist nicht Juve, und die Bundesliga nicht die Champions League. «Was wir dort zu leisten im Stande sind haben wir gezeigt», sagt Tim Wiese. (nz)


    Quelle: Netzeitung