Zum Erfolg gepfiffen

  • VON KERSTIN THESING, KR, 26.02.06, 22:09h


    KÖLN. Um 17.17 Uhr an diesem Karnevalssamstag ist das RheinEnergieStadion eine stimmungsfreie Zone. Das ganze Stadion? Nein. Im Gästeblock tummeln sich gut 7000 begeisterte Fans von Bayer 04 Leverkusen und bejubelten den für sie schönsten Sieg der Saison. Mit 3:0 (0:0) hat die Mannschaft von Michael Skibbe das Derby gegen den 1. FC Köln gewonnen, hat die „beste Auswärtsleistung seit langem“ (Sportdirektor Rudi Völler) geboten und einen bemerkenswerten Satz vom zehnten auf den sechsten Tabellenrang gemacht.
    „Wir werden jetzt aber nicht in Triumphgeheul ausbrechen“, sagt der Sportbeauftragte der Bayer AG, Meinolf Sprink, zwar und verweist auf das Abstiegsgespenst, das sich pünktlich zum abendlichen Geisterzug in der Domstadt eingerichtet hat. Der Jubel von Andrey Voronin und Co. vor dem Gästeblock erinnert dann aber doch arg an Triumphgeheul. 90 Minuten lang war der frühere Geißbock von seinen Ex-Fans herzhaft ausgepfiffen worden. Er revanchierte sich mit einigen sehenswerten Spielzügen und dem Treffer zum 2:0 (70.).


    „Die Pfiffe haben mich stark gemacht“, erzählt der Ukrainer später - fast so stark wie seine Gegenspieler um den ehemaligen Leverkusener Boris Zivkovic. Dem war Voronin nach einem herrlichem Zuspiel von Tranquillo Barnetta entwischt. Der Kroate spielte so, als ob er seinen früheren Kameraden mal was richtig Gutes tun wollte. Aufgefallen ist das allerdings nicht, weil Lukas Sinkiewicz und Özalan Alpay ähnlich desolat auftraten. Letzterer erlebte das 0:3 durch Jacek Krzynowek - nur 60 Sekunden nach dessen Einwechselung in der 82. Minute - schon gar nicht mehr auf dem Platz mit. Erst blieb Alpay, nachdem er versehentlich auf die Leverkusener Bank gestolpert war, „etwas lange“ (Bayer-Trainer Michael Skibbe) auf dem Schoß des verärgerten Ersatzmanns Roque Junior (beide sahen Gelb) liegen. Dann ließ er sich nach einem Foul an Paul Freier noch zu einem Brustcheck gegen den 26-Jährigen hinreißen. Gelb-Rot.


    Dass die Leverkusener - trotz immer noch zu vieler Passfehler im Mittelfeld - den Sieg „hochverdient“ (Skibbe) davon trugen, hatte auch mit Lukas Podolski zu tun. Fünf Torschüsse feuerte der schwächelnde Superstar ab. Alle am Kasten von Jörg Butt vorbei. Seine Kollegen machten es nicht besser. Der Bayer-Schlussmann musste an diesem Nachmittag keinen einzigen Schuss abwehren.


    Ganz anders Alexander Bade. Die Leverkusener machten nämlich das, was sie schon immer am besten konnten: Sich Torchancen im Dutzend erarbeiten und darauf hoffen, dass wenigstens eine zum Erfolg führt. Auch wenn Dimitar Berbatov einige Anläufe für den Führungstreffer (67.) brauchte, ist bei dem Bulgaren eine klare Leistungssteigerung zu erkennen. Da auch die Kollegen um Voronin, Freier und Juan zunehmend besser spielen, konnte Ex-Kapitän Jens Nowotny nach dem ersten Triumphgeheul das Wort „Uefa-Cup“ in den Mund nehmen. „Wir haben ein schweres Restprogramm“, verweist zwar Trainer Skibbe zum Beispiel auf das Heimspiel am Samstag gegen Werder Bremen. Insgeheim aber hat er die Jagd auf die internationalen Plätze längst ausgegeben.