Spurwechsel - Artikel aus der Rheinischen Post zum Frankfurtspiel

  • Spurwechsel


    Jörg Butt und Paul Freier verliehen den Kollegen beim Sieg gegen Eintracht Frankfurt
    den vorher vermissten Schwung. Und Michael Skibbe korrigierte sich rechtzeitig.


    Von UDO BONNEKOH
    LEVERKUSEN Wer Markiges vernehmen möchte in die eine oder andere Richtung, muss Jörg Butt und Paul Freier als Gesprächspartner unbedingt meiden. Nacheinander kamen die beiden Leverkusener Profis, Marke Muster-Schwiegersohn, nach Bayers 2:1 gegen Eintracht Frankfurt aus der Kabine in die Kälte, Kulturtäschchen unterm Arm und begrenzt auskunftsbereit. „Na, ja”, sagte Freier leise, „soll ich denn jetzt große Worte machen, irgendwelche Forderungen stellen? Ich habe einen Vorgesetzten, der hat zu entscheiden, wen er aufstellt. Ich kann ihn durch meine Leistung nur dazu bringen, mehr zu überlegen.”
    Jörg Butt, der andere der beiden Leverkusener Matchwinner, machte nicht mehr Aufhebens von sich und seiner guten Arbeit, die im Elfmeter zum Erfolg ihren unmittelbaren Ausdruck fand. „Der Trainer hat schon seit einiger Zeit bestimmt, wer zum Strafstoß antritt. Das habe ich gemacht. Die Spanne zwischen dem Pfiff und der Ausführung war ein bisschen lang, weil Frankfurts Spycher verletzt am Boden lag. Der Adrenalinspiegel ist bei mir erst dann gestiegen, als der Ball im Netz war”, schilderte der diesmal überaus tüchtige Torwart, auf dessen Dienste die Leverkusener offenbar über kurz oder lang zu verzichten gedenken, total unaufgeregt seine Empfindungen.
    In aller Ruhe vollzog sich der allgemeine Abgang der Leverkusener vom Arbeitsplatz deshalb, weil sich das Team zu einer Wandlung fähig zeigte. Und zum Spurwechsel auf den Pfad zum lebenswichtigen Sieg regte vor allem Paul Freier an, der, bislang eher Zauderer, alle Hemmungen ablegte. Durch ihn gewann das Ensemble, das im ersten Abschnitt laufend Dokumente höchst bedenklicher Anfälligkeit (Juan beim 0:1, der nervöse Stenman, Athirson) vorgelegt hatte, zu einem Schuss Dynamik. Das allerdings konnte nur geschehen, weil Trainer Skibbe als Korrektor seiner selbst auftrat und durch die Auswechslung von Simon Rolfes Abstand nahm, vom öfters missratenden Konstrukt mit zwei defensiven, gleich gepolten Spielern im Mittelfeld (Rolfes und Carsten Ramelow). Die zwingende Veränderung brachte mit sich, dass sich Tranquillo Barnetta in der (offensiveren) Zentrale viel freier entfalten konnte.
    „Wenn wir so spielen wie in der zweiten Halbzeit, haben wir auch am Samstag bei Bayern München eine Chance”, betonte Carsten Ramelow, „wir haben uns mit diesem Sieg Selbstvertrauen geholt.” Zwischen Himmel und Hölle allerdings lag nur ein Wimpernschlag, ein Moment der Geistesgegenwart von Butt: Kurz vor Schluss kam Frankfurts Rehmer ziemlich frei an den Ball, weil Athirson unaufmerksam war; Butt wehrte mit einer Parade prima ab. „Das ist ja meine Aufgabe”, sagte er und stieg in sein Auto.


    Quelle: aus der Rheinischen Post vom heutigen Tage